Astrophysik 13.03.2025, 07:00 Uhr

Gravitationswellen im Visier: Neuartige Glassensoren für das Einstein-Teleskop

Ab 2035 soll das Einstein-Teleskop Gravitationswellen mit bislang unerreichter Genauigkeit erforschen. Forschende des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF aus Jena haben dafür Sensoren entwickelt – komplett aus Glas gefertigt. Das ist ein Novum. Diese Neuerung verspricht interessante Erkenntnisse für die Astrophysik.

Ein Resonator aus Glas.

Forschende aus Jena haben für die Schwingungssensoren das Einstein-Teleskop hochempfindliche Resonatoren erstmals komplett aus Glas hergestellt.

Foto: Fraunhofer IOF

Gravitationswellen entstehen, wenn sich die Raumzeit durch extreme kosmische Ereignisse wie kollidierende Schwarze Löcher verzerrt. Sie durchqueren das Universum mit Lichtgeschwindigkeit. Die Wellen tragen dabei wertvolle Informationen über jene Geschehnisse mit sich, die sie entstehen ließen. Um sie künftig so präzise wie bislang noch nie zu messen und dadurch neue Einblicke in die Tiefen des Alls zu gewinnen, entsteht derzeit das Einstein-Teleskop. Es soll ab 2035 als weltweit führendes Instrument in Betrieb gehen und Gravitationswellen nachweisen.

Um Messstörungen zu minimieren, ist geplant, das Teleskop bis zu 300 Meter tief unter der Erde zu errichten. Doch selbst in diesen Tiefen treten noch mechanische Schwingungen auf, verursacht etwa durch weit entfernte Erdbeben oder den Straßenverkehr an der Oberfläche. Um diese Vibrationen zu erfassen und herauszurechnen, sollen hochempfindliche Schwingungssensoren zum Einsatz kommen. Genau solche Sensoren haben nun Forschende des Fraunhofer IOF in Jena in Zusammenarbeit mit dem Hannoveraner Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut AEI) speziell für das Einstein-Teleskop entwickelt und gebaut.

Resonatoren aus Kieselglas als Kernstück der Einstein-Teleskop-Sensoren

Das Herzstück der Schwingungssensoren bilden bewegliche Resonatoren, deren Bewegungen von Lasern ausgelesen werden. „Der mechanische Resonator ist jener Teil des Sensors, der die Umgebungsschwingungen in eine messbare Bewegung übersetzt, vergleichbar mit einer Stimmgabel“, erläutert Pascal Birckigt, zuständiger Teilprojektleiter am Fraunhofer IOF. Während die Laser in Hannover entwickelt wurden, entstanden die Resonatoren in Jena – und das in einer ganz neuen Bauweise: Die Forschenden fertigten sie komplett aus hochreinem Kieselglas (>99,8% SiO2) an. Trotz ihrer kompakten Größe von nur fünf Zentimetern im Durchmesser vereinen die Glasresonatoren eine geringe Eigenfrequenz von 15 Hertz mit einem beachtlichen Gütefaktor von mehr als 100.000.

Im Einstein-Teleskop sollen diese Schwingungssensoren direkt neben den rund 200 Kilogramm schweren Spiegeln der Gravitationswellendetektoren Platz finden – und zwar jeweils drei Stück pro Spiegel. „Dank unserer Resonatoren werden die Sensoren eine so hohe Empfindlichkeit erreichen, dass sie sogar die Wasserwellen im perspektivisch 200 Kilometer entfernten Atlantik als deutliche Spitzen in den seismischen Spektren sichtbar machen können“, erläutert Birckigt.

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Der Werkstoff Glas macht die Mischung aus Kompaktheit und Präzision möglich

Die Entscheidung, die Resonatoren vollständig aus Glas zu fertigen, ergibt sich aus den komplexen Anforderungen an die Sensoren: Sie müssen kompakt sein, da im Einstein-Teleskop nur wenig Platz ist, gleichzeitig aber sehr leistungsstark sein. Nur mit Glas als Werkstoff ließen sich die Ansprüche an geringe Größe, niedrige Eigenfrequenz und hohe Empfindlichkeit erreichen. Möglich machen das die sogenannten Blattfedern im Inneren des Resonators.

Diese hauchdünnen, elastisch verformbaren Biegebalken –  im vorliegenden Fall sechs Stück pro Resonator – halten die drei Gramm schwere Testmasse im Inneren stabil und präzise ausgerichtet. Und das mit einer Dicke von nur 0,1 Millimetern, einer Länge von sieben Zentimetern und einem Gewicht von gerade mal 34 Milligramm pro Feder. „Glas zeichnet sich durch seine besonders hohe Steifigkeit aus und zeigt praktisch keine plastische Verformung. Daher ist es möglich, derart feine Blattfedern aus diesem Material herzustellen“, erklärt Birckigt.

Neues Verfahren ermöglicht den Bau der Glasresonatoren für das Einstein-Teleskop

Die Herstellung der filigranen Resonatoren erfordert auch neuartige Methoden der Fertigung. Neben Fräs- und Polierarbeiten sowie Verfahren zur Laserbearbeitung kommt ein spezielles, plasma-aktiviertes Fügeverfahren zum Einsatz, um die Glasoberflächen des Resonators auf atomarer Ebene miteinander zu verbinden. „Durch diese Methode werden die beiden Einzelteile zu einer monolithischen, also dauerhaften Einheit. Das macht den Resonator sehr stabil und präzise“, betont Birckigt. In Zukunft wollen die Forschenden des Fraunhofer IOF diese Technik weiterentwickeln, um damit noch komplexere, dreidimensionale Glasstrukturen umsetzen zu können.

Die neuartigen Glasresonatoren bieten viele weitere Möglichkeiten über die Gravitationswellenforschung hinaus. Etwa in der Satellitenüberwachung, der Verbesserung von Atom-Interferometern oder in EUV-Lithografie-Anlagen zur Halbleiterbearbeitung. So könnten die Sensoren zukünftig in verschiedenen Hightech-Bereichen zum Einsatz kommen.

Erst mit den Glassensoren ist ein wichtiger Schritt gelungen, um das Einstein-Teleskop zu realisieren. Dessen Bau soll 2026 beginnen, sodass es ab 2035 Gravitationswellen beobachten kann – zehnfach empfindlicher als aktuelle Detektoren. Als Standort ist derzeit die Euregio Maas-Rhein an der Grenze zwischen Deutschland, Belgien und den Niederlanden vorgesehen. Die Forschenden aus Jena und Hannover haben die Schwingungssensoren m Rahmen des Projekts „Glass Technologies for the Einstein Telescope“ (GT4ET) entwickelt.

Ein Beitrag von:

  • Julia Klinkusch

    Julia Klinkusch ist seit 2008 selbstständige Journalistin und hat sich auf Wissenschafts- und Gesundheitsthemen spezialisiert. Seit 2010 gehört sie zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Klima, KI, Technik, Umwelt, Medizin/Medizintechnik.

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