Haut des Chamäleons inspiriert neuartiges Material
Wissenschaftler der Emory Universität in Georgia, Atlanta (USA) entwickeln Forschungsansätze für ein flexibles Material, das auf Wärme und Sonnenlicht reagiert und dabei sein Volumen nicht verändert. Als Vorlage dienten die farbwechselnden Hauteigenschaften des Chamäleons.
Es gibt viele Lebewesen, die in der Lage sind, die Farbe ihrer Haut zu verändern, um sich an gewisse Gegebenheiten in der Natur anzupassen. Manche schützen sich vor Feinden, indem sie sich in den Hintergrund einfügen, andere verteidigen ihr Territorium mit Signalfarben und wieder andere versuchen, paarungsbereite Artgenossen mit den schönsten Farben zu beeindrucken. Diesen Spezialisten der Tierwelt gehören zum Beispiel Vertreter von Amphibien, Insekten, Fischen oder Echsen an. Ihre Gemeinsamkeit besteht darin, dass sie elektrotherme Organismen sind. Wissenschaftler des Department of Chemistry der Emory Universität in Georgia haben neue Forschungsansätze entwickelt, um diesen Effekt nachzuahmen. Ihr Ziel ist eine flexible, intelligente Haut, die auf Wärme und Sonnenlicht reagiert und dabei nahezu ein konstantes Volumen beibehält.
Natürliche Voraussetzungen für den Farbwechsel
In der Regel besitzen elektrotherme Organismen spezialisierte Zellen, die den Farbwechsel ermöglichen. In diesen sogenannten Chromatophoren, die unter der obersten Hautschicht der Lederhaut liegen, befinden sich die Pigmente
- Xantophoren (gelb-rot)
- Iridophoren oder auch Guanophoren (weißlich-silbrig-irisierend)
- Melanophoren (bräunlich-schwarz)
Diese farbgebenden Pigmente sind in der Zelle in dieser Reihenfolge in 3 Schichten entweder diffus oder konzentriert untereinander angeordnet. Durch die Reflektion und Absorption bestimmter Lichtstrahlen auf die Pigmente, entstehen verschiedene Farbtöne. Sie werden aber erst im Zusammenspiel mit Hormonen und Neuronen des Lebewesens aktiviert und der Farbwechsel dadurch sichtbar.
Haut des Chamäleons als außergewöhnliche Forschungsgrundlage
Anders verhält sich das jedoch beim Chamäleon. Diese Spezies nutzt für den Farbwechsel photonische Kristalle, die sich als Ansammlung winziger Strukturen in der Haut des leguanartigen Schuppenkriechtieres befinden. Im Prinzip sind das kleine periodische Strukturen des Brechungsindex, die in transparenten Festkörpern verankert sind. Die Bezeichnung „photonischer Kristall“ bedeutet übrigens nicht, dass die Struktur unbedingt kristallin sein muss. Die Namensgebung entstand durch die analogen Beugungs- und Reflexionseffekte, die bei Röntgenstrahlung in Kristallen entsteht. Solche Konstruktionen lassen sich demnach unter anderem durch Infrarotstrahlen oder sichtbares Licht beeinflussen. Wenn Lichtstrahlen auf diese mikroskopisch kleinen Oberflächen treffen, lenken sie andere Strahlen ab, wodurch verschiedene Farbtöne entstehen.
Das heißt, spannt das Chamäleon seine Haut an, rücken die Kristalle näher aneinander und die Farbgebung verändert sich. Gleiches gilt für das Entspannen. Die Farbe variiert also je nach Abstand der Kristalle. Dass Chamäleons mit Nanotrick die Farbe wechseln, haben Forscher erst 2015 herausgefunden.
Um diesen Effekt zu replizieren, betteten die Forscher photonische Kristalle in elastische Werkstoffe wie Hydrogele ein. Beim Verformen konnte der Farbwechseleffekt beobachtet werden. Doch das Material ist durch die ständigen Verformungen großen Belastungen ausgesetzt. Das kann dazu führen, dass irreversible Schäden am Material entstehen und es deshalb für den praktischen Einsatz nicht zum Tragen kommen kann. Khalid Salaita und sein Forschungsteam der Emory Universität nahmen die Haut des Chamäleons auf Grund dieser Annahmen noch genauer unter die Lupe. Ihre Forschung zielte darauf ab, eine smarte künstliche Haut zu entwickeln, die ebenso flexibel und strapazierfähig wer wie ihr natürliches Vorbild.
Entdeckung: Die Nanokristalle sind nicht allein
Die Forscher beobachteten den Farbwechsel des Chamäleons mithilfe eines Zeitraffers. Dabei kamen sie zu der Erkenntnis, dass sich die photonischen Kristallansammlungen in der Haut auf einen kleinen Teil des Körpers begrenzten. Die anderen Zellen seien dagegen farblos. Die Wissenschaftler schlossen daraus, dass diese Zellen nützlich sein könnten, um die Kräfte, die beim Verformen der künstlichen Haut sonst auf die photonischen Kristalle wirken würden, aufzunehmen. Anhand dieser Beobachtung passten die Forscher ihr Vorgehen an: Zunächst betteten sie Arrays von photonischen Kristallen in ein Hydrogel ein, das sie dann in einem zweiten, farblosen Hydrogel einbetteten. Das zweite Hydrogel fungiert ausschließlich als Träger und Schutzschild für die Kristalle. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Das Material ändert bei Wärmeeinwirkung seine Farbe, verformt sich jedoch nicht. Die smarte Haut wechselt den Farbton auch, wenn sie Sonnenlicht ausgesetzt wird.
Die Möglichkeiten und Anwendungsgebiete dieser Errungenschaft seien laut Angaben des Forschungsteam vielseitig. Vorstellbar wäre der Einsatz etwa in den Bereichen der Tarnung, der Fälschungssicherheit und der Signalisierung. Ein Beispiel hierfür wären Schutzanzüge von Mitarbeitern im industriellen Fertigungsbereich, die mit der künstlichen Haut überzogen werden könnten. Mittels des optischen Signals kann eine Gefahrensituation, die zum Beispiel durch Hitzeeinwirkung entsteht, schneller identifiziert werden.
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