Lithium aus Thermalwasser 07.09.2023, 12:30 Uhr

Deutschland könnte bis 12 Prozent seines Lithiumbedarfs über eigene Geothermie decken

Aktuelle Datenanalysen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) zeigen, dass bestehende Geothermiebohrungen im Oberrheingraben als nachhaltige und langfristige Quelle für die Lithiumgewinnung dienen könnten.

Lithium

Das Leichtmetall Lithium ist für die Energiewende unverzichtbar, der Großteil des Abbaus findet jedoch bislang außerhalb von Europa statt.

Foto: Panthermedia.net/jroballo

Schon seit einiger Zeit ist bekannt, dass das Thermalwasser im Oberrheingraben viel Lithium enthält, das mit Hilfe der bereits vorhandenen Geothermiebohrungen gefördert werden kann. Bislang war jedoch unklar, wie lange und in welchem Umfang eine Förderung möglich ist. Ein Team des Instituts für Angewandte Geowissenschaften (AGW) des KIT hat dies nun berechnet. Die Ergebnisse lassen hoffen, dass Deutschland einen guten Teil seines Lithiumbedarfs selbst decken kann. Die Forscherinnen und Forscher versprechen jedenfalls „nachhaltiges Lithium für viele Jahrzehnte“. Die Forschungsergebnisse veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift „Energies“.

Hunger nach Lithium ist groß

Lithium ist ein zentraler Bestandteil moderner Hochleistungsbatterien und damit unverzichtbar für eine Vielzahl technologischer Anwendungen. Von Smartphones und Laptops bis hin zu Elektrofahrrädern und Elektroautos – all diese Geräte sind auf das Leichtmetall angewiesen. So enthält ein Smartphone bis zu drei Gramm Lithium, ein Laptop etwa sechs Gramm und eine Elektroautobatterie je nach Modell zwischen zehn und 80 Kilogramm Lithium. Aufgrund dieser Vielzahl an Anwendungen ist die Nachfrage nach Lithium enorm und spielt eine entscheidende Rolle für das Gelingen der Energiewende.

Allerdings sind die irdischen Lithiumressourcen begrenzt. Rund 80 Prozent der weltweiten Vorkommen befinden sich in nur vier Ländern: Australien, Chile, Argentinien und Bolivien. Aufgrund dieser geografischen Konzentration ist Europa derzeit weitgehend auf Lithiumimporte aus dem Ausland angewiesen. Europa selbst produziert nach Angaben des KIT bislang lediglich ein Prozent der weltweiten Fördermenge. Das Karlsruher Forschungsteam untersucht daher die Möglichkeit, Lithium aus geothermischen Quellen zu gewinnen.

„Theoretisch könnten bestehende Geothermiekraftwerke im Oberrheingraben und im Norddeutschen Becken zwischen zwei und zwölf Prozent des jährlichen Lithiumbedarfs in Deutschland decken“, sagt Valentin Goldberg vom AGW des KIT. Gemeinsam mit seinem Team hat der Wissenschaftler dieses Potenzial auf Basis einer umfangreichen Datenanalyse berechnet.

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Abbau mit geringen Umweltkosten über viele Jahre möglich

Die Forschenden aus Karlsruhe haben nicht nur die Menge an Lithium berechnet, die aus dem Thermalwasser des Oberrheingraben gefördert werden kann. In einer weiteren Studie haben sie errechnet, wie lange eine Förderung möglich ist.  „Nach unseren Erkenntnissen ist ein Abbau mit geringen Umweltkosten über viele Jahre möglich,“ so der optimistische Ausblick von Goldberg.

„Das für die Studie entwickelte Modell beschreibt eine mögliche Lithiumförderung im Oberrheingraben, die Parameter sind aber so gewählt, dass sie sich auch auf andere Kluftsysteme übertragen lassen“. In Deutschland spielen hierbei drei Gebiete eine besondere Rolle: das Norddeutsche Tiefland, das Oberrheintal und das Gebiet zwischen Donau und Alpen (das sogenannte Süddeutsche Molassebecken). Überall dort wäre es theoretisch möglich, über Tiefengeothermie an das wertvolle Lithium im Thermalwasser zu kommen.

So funktioniert die Förderung von geothermalem Lithium

Das Gewinnen von Lithium aus Thermalwässern ist eine unkonventionelle Form des Bergbaus, die eine besondere Herangehensweise bei der Analyse des Prozesses erfordert. Dr. Fabian Nitschke von der AGW, der an den Forschungsarbeiten beteiligt war, erklärt: „Das im Wasser gelöste Lithium kommt in einem weitverzweigten Netzwerk aus Klüften und Hohlräumen im Gestein vor. Es ist aber nur punktuell über einzelne Bohrungen zugänglich. Die Größe des Reservoirs hängt daher von der Wassermenge ab, die über die Bohrungen hydraulisch erschlossen werden kann“.

Um das Potenzial für die Lithiumproduktion abzuschätzen, berücksichtigten die Forschenden eine Reihe von Faktoren. Dazu gehören die Menge des geförderten Wassers, der Lithiumgehalt des Wassers und die Geschwindigkeit, mit der das Lithium gewonnen werden kann. „Wir nutzen dafür eine dynamische Transportmodellierung, angelehnt an die Untergrundverhältnisse des Oberrheingrabens, bei der wir thermische, hydraulische und chemische Prozesse gekoppelt betrachten. Ähnliche Modelle sind bereits aus der Öl- und Gasindustrie bekannt, wurden aber bisher noch nicht auf Lithium angewendet“, so Nitschke.

Nimmt der Lithiumgehalt im Tiefenwasser mit der Zeit ab?

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gingen auch der Frage nach, ob die Lithiumkonzentration im geförderten Tiefenwasser mit der Zeit abnimmt, da das Wasser nach der Nutzung im geothermischen Prozess wieder in den Untergrund zurückgeführt wird. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Lithiumkonzentration in der Förderbohrung im ersten Drittel eines Betrachtungszeitraums von 30 Jahren um 30 bis 50 Prozent abnimmt. Dieser Rückgang wird durch die Verdünnung mit dem zurückgeführten Wasser verursacht. Danach stabilisiert sich die Konzentration auf einen nahezu konstanten Wert.

Dr. Fabian Nitschke erklärt dieses Phänomen: „Das ist auf das offene Kluftsystem zurückzuführen, das kontinuierlich frisches Tiefenwasser aus anderen Richtungen nachliefert“. Basierend auf diesen Modellannahmen scheint eine nachhaltige Lithiumförderung über mehrere Jahrzehnte realisierbar.  „Im Grunde zeigt der Abbau dieser unkonventionellen Ressource einen klassischen Lagerstättenzyklus. Auch bei der Kohlenwasserstoffförderung oder im Erzbergbau ist die Ausbeute am Anfang am höchsten und nimmt dann allmählich ab“, ergänzt Nitschke.

Weiteres Argument für den Ausbau von Geothermie

Thomas Kohl, Professor für Geothermie und Reservoirtechnik am KIT, sieht in den neuen Forschungsergebnissen ein starkes Argument für den Ausbau der Geothermie-Technologie. „Wir wussten bereits, dass die Geothermie uns über Jahrzehnte grundlastfähige, erneuerbare Energie liefern kann. Unsere Studie zeigt nun, dass ein einziges Kraftwerk im Oberrheingraben zusätzlich bis zu drei Prozent des jährlichen deutschen Lithiumbedarfs decken könnte“, erklärt er.

Seine Forschungsgruppe ist auch in der Entwicklung praktischer Anwendungen aktiv. In einer kürzlich in der Fachzeitschrift „Desalination“ veröffentlichten Studie wurde eine unter realen Bedingungen getestete Thermalwasservorbehandlung zur Rohstoffgewinnung vorgestellt. „Im nächsten Schritt muss nun die Skalierung der Technologie auf einen industriellen Maßstab erfolgen“, betont Kohl.

Regelmäßige Kritik an Geothermie

Obwohl die Geothermie als zukunftsträchtige erneuerbare Energiequelle gilt und zudem im Falle des Oberrheingrabens auch als Lithiumquelle dient, wird sie in der Öffentlichkeit nicht immer positiv aufgenommen. Es gibt Bedenken und Ängste, die sich oft auch in Bürgerinitiativen äußern.

Zu den häufigsten Befürchtungen zählen die potenzielle Gefährdung des Trinkwassers und die mögliche Freisetzung des radioaktiven Gases Radon aus dem Erdinneren. Hinzu kommen Ängste vor dem Auslösen künstlicher Erdbeben und vor dauerhafter Lärmbelästigung durch den Betrieb von Bohranlagen und Kraftwerken.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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