Hightech-Material Graphen hilft Diabetikern
Mit einer amerikanisch-niederländischen Entwicklung lässt sich das Material Graphen kostengünstig in großen Mengen herstellen. Das ermöglicht den Einsatz in Alltagsgegenständen, etwa in Biosensoren für Diabetiker und langlebige Autoreifen.
Graphen ist reißfester als Stahl. Es ist elastisch, leitet elektrischen Strom, ist abriebfest und hat noch andere erstaunliche Eigenschaften. Es könnte eine Vielzahl von Produkten veredeln, wenn es in perfekter Struktur massenhaft hergestellt werden könnte.
Das ist jetzt in Sicht. Forscher an der University of Rochester im US-Bundesstaat New York und der Technischen Universität Delft in den Niederlanden haben ein ungewöhnliches Produktionsverfahren entwickelt. Dass Anne Meyer Biologieprofessorin in Rochester ist, spielt dabei eine entscheidende Rolle. Sie lässt die Natur für sich arbeiten, genauer Meeresbakterien der Gattung Shewanella, die in Sedimenten und Böden vorkommen.
Bakterien haben es auf Sauerstoff abgesehen
Zunächst stellt sie mit ihrem Team Graphenoxid aus Graphit her, das als Mine von Bleistiften jedermann kennt. „Das geht ganz leicht“, sagt die Biologin. Dieses Material hat bereits in Ansätzen einige der graphentypischen Eigenschaften. Für eine Anwendung reicht das jedoch nicht aus. Es enthält zu viele Sauerstoffgruppen, die unter anderem die Leitfähigkeit negativ beeinflussen. Das pulverförmige Graphenoxid vermischen die Forscher mit den Bakterien und lassen es einfach einen Tag lang stehen. In dieser Zeit entfernen die Mikroorganismen den größten Teil der Sauerstoffgruppen. Ein paar bleiben übrig, die später noch gebraucht werden.
Bei dieser Prozedur entstehe einlagiges Graphen, also eine Folie aus bienenwabenförmig angeordneten Kohlenstoffatomen. Es ist, anders als bei der Herstellung auf chemischem Weg, frei von Fehlstellen, sieht man von einzelnen Sauerstoffgruppen ab, und tatsächlich nur eine Atomlage dick, wie es die strenge Lehre fordert. Dieses Material sei dünner und fester als Graphen, das auf chemischem Weg hergestellt wird, sagt Meyer. Aus diesem Grund erfülle es höhere Anforderungen.
Biosensor für Diabetes-Patienten
Als Biologin denkt sie als erstes an biologische Anwendungen. Aus dem Bakteriengraphen ließen sich Biosensoren herstellen, die auf Feldeffekttransistoren (FET) basieren, sagt sie. Hier kommen die Sauerstoffgruppen zum Einsatz. Sie sorgen dafür, dass die Biomoleküle, die es zu registrieren gilt, an die Oberfläche des Sensors andocken. Hier verändern sie die elektrische Leitfähigkeit, sodass der Transistor aktiviert wird und ein Signal sendet: „Molekül gefunden“. Ein solcher Sensor könnte beispielsweise den Blutzuckergehalt von Diabetes-Patienten kontinuierlich überwachen.
Meyer denkt auch an einfachere Produkte, die machbar sind, wenn Graphen in großen Mengen kostengünstig hergestellt werden kann. Es lässt sich zu einer leitfähigen Tinte verarbeiten, die auf beliebigen Unterlagen, selbst auf Papier und Stoff, den Druck elektronischer Schaltkreise möglich macht. So könnte Elektronik in Kleidungsstücke integriert werden. Per Druck auf Papier ließen sich elektronische Codes herstellen, die die heutigen Strichcodes ablösen könnten.
Unsichtbare Heizung für Windschutzscheiben
Denkbar ist auch die Herstellung von extrem dünnen Drähten aus Graphen für Windschutzscheiben. Stromdurchflossen erwärmen sie sich und beseitigen Eis und Schnee. Sie sind so dünn, dass sie unsichtbar sind. Graphen könnten auch ins Reifengummi gemischt werden, um den Abrieb zu verringern. Das würde nicht nur die Lebensdauer von Autoreifen verlängern, sondern auch das Feinstaubproblem ein wenig entschärfen. Gummiabrieb gehört zu den größten Quellen für dieses Material. Auch Lacke, etwa von Autos, können profitieren. Graphen macht sie kratzfest.
Kunststoffe werden oft mit Chemikalien ausgestattet, die die Entflammbarkeit reduzieren sollen. Diese belasten teilweise die Umwelt. Neutrales Graphen leistet das ebenfalls. Es kann auch zur Energiewende beitragen. Bayreuther Forscher beispielsweise haben einen Dämmstoff auf Graphenbasis entwickelt, der Wärme und Kälte besser abblockt als konventionelles Dämmmaterial. Dabei ist es noch dünner.
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