Ingenieure haben mit dem bunten Brazuca den Fußball neu erfunden
Einst waren Fußbälle aus Leder, zusammengenäht und wurden bei Regen steinschwer. Der neue WM-Ball Brazuca, mit dem am 12. Juni die Fußball-Weltmeisterschaft angestoßen wird, ist dagegen pure Ingenieurskunst: Selbst in der Waschmaschine bleibt er trocken. Denn er ist aus Plastik, nämlich einem von Bayer in Leverkusen entwickelten Polyurethan.
Adidas ist mächtig stolz auf den Brazuca. Dieser Ball ist so intensiv getestet worden, wie noch nie ein WM-Ball zuvor. Über 600 Profispieler und 30 Mannschaften weltweit waren an den Testreihen beteiligt. Und sogar eine Waschmaschine musste her, um zu beweisen, dass er selbst bei strömendem Regen im Amazonas-Stadion von Manaus keinen Tropfen Wasser aufsaugt und 427 Gramm leicht bleibt.
Dafür haben die Ingenieure des Chemiekonzerns Bayer in Leverkusen gesorgt. Seit 30 Jahren arbeiten die Forscher von Bayer MaterialScience für den Sportartikelkonzern Adidas, der nicht nur die deutsche Nationalmannschaft mit Fußballschuhen und Trikots ausstattet, sondern auch den Spielball für die Fußball-WM entwickelt. Für den Brazuca haben die Bayer-Ingenieure ein Material aus Polyurethan entwickelt, das dem Fußball ganz besondere Eigenschaften verleiht: Der Ball ist leicht, verliert auch im Spiel und bei härtester Beanspruchung nichts von seiner Form und ist eben absolut wasserfest.
Lange Tradition: Adidas stellt seit 1970 die WM-Bälle her
Seit der Weltmeisterschaft 1970 in Mexiko stellt Adidas den offiziellen Spielball für alle Fußball-Weltmeisterschaften her. In Mexiko rollte noch Leder über den Rasen. „Lediglich der allererste von uns hergestellte WM-Ball im Jahre 1970 war ein richtiger Lederball, seither sind immer auch andere Materialien im Einsatz“, sagt Georg Kovacic, Marketingchef von Adidas Österreich.
Der Brazuca ist nicht komplett neu entwickelt. Die in der Butylblase und Karkasse integrierte Technologie ist identisch mit der des Tango 12, dem Ball der Europameisterschaft 2012. Neu am Brazuca ist allerdings seine revolutionäre Oberfläche. „Sie besteht aus insgesamt fünf Schichten auf Basis von Polyurethan-Rohstoffen“, erklärt Projektleiter Thomas Michaelis von Bayer MaterialScience. Diese Schichten sorgen für optimalen Kontakt der Fußballer mit dem Ball und verhindern die Aufnahme von Feuchtigkeit.
Höchste Ingenieurskunst ist aber dann, wie die Oberfläche zusammen gesetzt wird. „Die Oberfläche ist fast eine geometrische Zauberei. Der Ball besteht aus sechs identischen Klebeflächen. Dadurch wird die Präzision verbessert und das Flugbild optimiert“, schwärmt Matthias Mecking von der Adidas Business Unit über den Brazuca.
Oberfläche des WM-Balls besteht aus nur sechs Elementen
Normalerweise besteht ein Ball aus 12, 16 oder sogar 32 Panels. Doch je mehr Teile, desto mehr Fehler sind beim Zusammensetzen möglich. Mehr Panels auf einem Fußball bedeuten immer auch mehr Nahtstellen. Und jede Nahtstelle ist immer eine Mängelquelle. An jeder Naht kann zudem Wasser eindringen, was Beständigkeit und Langlebigkeit reduziert.
Deshalb hat der WM-Ball ganze sechs Oberflächenelemente aus Polyurethan. Die Elemente werden an der Butylblase angebracht, die vorher mit angeklebten Stoffverstrebungen verstärkt wurde. Anschließend wird das Ganze mit einem weißen plastischen Material übergossen. Anders als beim WM-Ball Jabulani der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika wird beim Brazuca nichts mehr per Hand genäht. Alle Teile werden mit Kleber oder thermisch miteinander verbunden. Abschließend wandert der Ball in eine thermische Presse, wo alle Bestandsteile fest verbunden werden.
Mit so viel interner Verstärkung verliert Brazuca die Form nicht einmal, wenn die Luft entweicht. Der Ball wiegt 427 Gramm. Und daran ändert sich nichts, weder in glühender Sonne, noch bei Dauerregen. Die Polyurethan-Komponenten sind so wasserdicht, dass der WM-Ball weniger als 0,2 % an Gewicht aufnimmt, wenn das Spielfeld nass ist.
Profis wie Messi und Schweinsteiger haben Brazuca getestet
Adidas hat den neuen WM-Ball härtesten Tests unterzogen. „Ein großer Teil der Prüfungen bestand auch darin, die Eigenschaften des Balls bei allen Bedingungen auf der ganzen Welt zu testen“, sagt Mecking. „Brazuca wurde von Spielern jeden Niveaus intensiv getestet und alle waren begeistert von der verbesserten Aerodynamik und Strapazierfähigkeit sowie davon, wie wasserabweisend er ist“, versichert Udo Müller von Adidas Technical Innovations.
Mehr als 600 Profispieler und 30 Mannschaften in zehn Ländern auf drei Kontinenten haben Brazuca getestet. Zu den Mannschaften, die ihn prüften, zählen unter anderem der FC Bayern München und der AC Mailand. Internationale Fußballprofis wie Lionel Messi, Iker Casillas, Bastian Schweinsteiger und Zinedine Zidane waren an den Tests beteiligt. Darüber hinaus wurden 280 Spieler befragt, von denen 30 Prozent nicht bei Adidas unter Vertrag stehen.
Auch Roboter schossen den Ball tausendfach aufs Tor
Neben den Füßen der Stars kickten zahlreiche Fußball-Roboter Brazuca auf das Tor. Immer und immer wieder, bis die Adidas-Entwickler mit Flug- und Schusseigenschaften der bunten Kugel zufrieden waren. Während der aufwendigen Testphase steckten die Ingenieure Brazuca sogar in die Waschmaschine und schleuderten den Ball dabei ordentlich durch. Die Waschmaschine simulierte so den auch in Brasilien durchaus möglichen Dauerregen während eines Spiels. „Wir sind soweit, dass die Bälle null Gramm Wasser aufnehmen“, sagt Harald Koerger von Adidas.
Brazuca ist wohl der bunteste aller bisherigen offiziellen WM-Bälle. Die bunten geschwungenen Linien auf dem exakt 437 Gramm schweren Ball mit dem von der FIFA vorgeschriebenen Umfang von 69 Zentimetern sind inspiriert von den berühmten brasilianischen Glücksarmbändern und dem mäanderförmigen Verlauf des großen Amazonas. Die Farben orientieren sich hauptsächlich an den brasilianischen Nationalfarben und dem offiziellen Logo der WM 2014.
WM-Neuheit: Erstmals wählten die Fans den Namen des Balls selber
Die FIFA ist bei der Namensfindung des offiziellen Spielgeräts für die WM 2014 einen neuen, einen ungewöhnlichen Weg gegangen. Erstmals hat nicht die FIFA den Namen ausgewählt, sondern die Fans selber. So schrieben im September 2012 die brasilianischen Fußballfans ein Stück WM-Geschichte, als sie den Namen Brazuca wählten. Der Name steht für den Stolz der Brasilianer, ihr Gefühl und ihre Warmherzigkeit. Über eine Million Menschen stimmten für Brazuca als Namen, der am Ende 77,8 Prozent der Stimmen bekam. Mögen die Spiele mit Brazuca also beginnen.
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