Innovativ: Neue Betonrezepturen mit Müllverbrennungsasche
Beinahe unsere gesamte Infrastruktur fußt auf Beton. Doch der Baustoff ist nicht nur klimaschädlich, er verbraucht auch jede Menge Kies und Sand. Ein Forschungsteam unter Leitung der Technischen Hochschule (TH) Köln hat nun eine nahezu ungenutzte Ressource als Alternative entdeckt: Müllverbrennungsasche.
Ob für Wohnhäuser, Fabrikhallen, Brücken, Staudämme oder im Straßenbau: Der weltweite Hunger nach Beton ist gigantisch. Allein in Deutschland werden jährlich mehr als 52 Millionen Kubikmeter Transportbeton hergestellt, also Beton, der in frischem Zustand geliefert wird. Nachhaltiges Bauen und das Recycling von Materialien wie Bauschutt sind zu einem drängenden Thema geworden, und dass nicht allein, weil die Herstellung von Zement extrem energieintensiv ist und damit klimaschädlich. Dazu kommt: Auch die Rohstoffe Bausand und -kies werden immer knapper. Ohne Gesteinskörnung aber ist die Betonproduktion nicht möglich. Oder doch?
Die Technische Hochschule Köln arbeitet derzeit an einer ressourcenschonenden Alternative für die Betonherstellung: Asche, die bei der Verbrennung von Haushaltsmüll entsteht. „Müllverbrennungsasche besteht neben metallischen und organischen Anteilen aus mineralischen Stoffen. Letztere haben das Potenzial, um natürliche Ressourcen wie Kies oder Sand bei der Betonherstellung zu ersetzen“, erklärt Björn Siebert, Professor am Labor für Bau- und Werkstoffprüfung der TH Köln und Leiter des Forschungsvorhabens „Einsatz von aufbereiteter Müllverbrennungsasche als Ausgangsstoff bei der Betonherstellung“ (ASHCON). Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung bis Ende 2024 mit etwa einer Million Euro gefördert.
Müllverbrennungsasche: Eine ungenutzte Ressource
Etwa 5,7 Millionen Tonnen sogenannte MV-Asche fallen jährlich in Deutschland bei der Verbrennung von haushaltsüblichem Müll an. Bisher bleiben diese Rückstände überwiegend ungenutzt und landen auf Mülldeponien. Hochwertig weiterverarbeitet wird Müllverbrennungsasche nicht. Im Projekt ASHCON entwickelt die TH Köln mit ihren Projektpartnern, zu denen der Bergische Abfallwirtschaftsverband (BAV) und die AVEA GmbH & Co. KG zählen, an Konzepten, wie die Müllverbrennungsasche aufbereitet und in der Betonherstellung genutzt werden kann.
Dazu entnahm das Projektteam an der Leppe-Deponie in Lindlar (Oberbergischer Kreis) Proben von MV-Aschen unterschiedlichen Alters. Dort betreibt die Hochschule gemeinsam mit dem Bergischen Abfallwirtschaftsverband ein Lehr- und Forschungszentrum. Mittels neuer Trenn- und Sortierverfahren wurde daraus mineralische Gesteinskörnung extrahiert und in Gruppen gleicher Körnung eingeteilt. Die Forschenden stellten fest, dass sie aus einer Probe MV-Asche bis zu 60 Prozent einer sogenannten „2/8-Korngruppe“ mit überwiegend mineralischer Zusammensetzung gewinnen konnten. „Das ist eine Körnung, die für die Betonherstellung in großen Mengen benötigt wird. Der größte Anteil dieser Korngruppe war in frischer MV-Asche zu finden“, sagt Siebert.
Aufbereitete Asche könnte den Kiesanteil halbieren
Nach der Aufbereitung der geeigneten Asche-Bestandteile erprobten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedene Beton-Rezepturen, um eine optimale Zusammensetzung zu finden, im Hinblick auf die Verarbeitbarkeit und Druckfestigkeit des Baustoffs. Das Ergebnis war eine Mischung, bei der etwa die Hälfte des üblicherweise im Beton enthaltenen Kieses durch die aufbereitete MV-Asche ersetzt wird. Durch den Austausch blieben sowohl die Eigenschaften von Frisch- als auch von Festbeton denen der Standardrezepturen sehr ähnlich, wie die Forschenden in Untersuchungen an Betonmischungen und daraus hergestellten Probekörpern feststellten. „Das bedeutet, dass sich aufbereitete MV-Aschen grundsätzlich als Ausgangsstoff für die Betonherstellung eignen“, sagt Siebert.
Weitere Untersuchungen stehen noch aus
Nun wollen die Forschenden herausfinden, ob sich die Produktion von Beton mit MV-Asche auch großtechnisch umsetzen lässt. Andere noch ausstehende Untersuchungen sollen ans Licht bringen, ob mit der neuen Beton-Rezeptur auch Umweltstandards eingehalten werden können. „Wir haben bereits festgestellt, dass einzelne Schwermetallgehalte, zum Beispiel für Kupfer, problematisch werden können. Hier werden wir weitere Untersuchungen durchführen: Wie viele der im Beton gebundenen Metalle werden überhaupt freigesetzt? Welche Anwendungen, zum Beispiel in der Industrie, wären trotzdem umsetzbar? Und müssen wir mit Blick auf die globale Ressourcenknappheit und überlasteten Deponien über die Bewertung der Umweltverträglichkeit diskutieren, um Reststoffe wie MV-Asche als Rohstoffe zirkulär nutzbar zu machen? Mit diesen und weiteren Fragen werden wir uns bis zum Projektende befassen“, erläutert Siebert.
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