Kampf gegen die Manipulation von Richtpreisen für Rohstoffe
Die Preisbildung vieler Rohstoffe ist intransparent. Orientierungshilfe bei Kauf und Verkauf, bieten von Agenturen erstellte Richtpreise. Doch diese können manipuliert sein. Weltweit gehen nun staatliche Behörden und Wettbewerbshüter verstärkt mit Kontrollen gegen die Manipulationsversuche vor.
EU-Beamte schleppten kistenweise Akten aus Büros und Wohnungen. Die EU-Kommission hatte Mitte Mai die Öl-Konzerne BP, Shell und Statoil wegen des Verdachts auf Preismanipulationen durchsuchen lassen. Jetzt wird untersucht, ob die Unternehmen den Richtpreis „Dated Brent“, der von dem Informationsdienstleister Platts erstellt wird, bewusst zu ihren Gunsten beeinflusst haben.
Staatliche Wettbewerbshüter sehen sich in letzter Zeit zu immer schärferen Schritten veranlasst. Besonders die intransparenten Richtpreise haben ihre Aufmerksamkeit geweckt. Richtpreise geben Auskunft darüber zu welchen Konditionen Abschlüsse zustande gekommen sind. Es gibt sie für Agrarrohstoffe ebenso wie für Metalle, Erz, Gas, Öl, Devisen, ja sogar Zinssätze. „Sie sind historische Werte, aus denen man einen Trend lesen kann,“ erklärt Marc Kloepfel, Geschäftsführer von Kloepfel Consulting, einem Düsseldorfer Beratungsunternehmen für Einkaufsstrategien.
Preise werden abgefragt – Gefahr der Manipulation
Um diese Indizes zu erstellen, erfragen Agenturen wie Reuters, Bloomberg, Platts, Meps Markit oder Dealogic die Preise für aktuelle Abschlüsse von den Rohstoffhändlern. Aus der Vielzahl von Angaben lässt sich dann der Durchschnittspreis ermitteln. Genau hier besteht aber die Manipulationsgefahr: Denn es gibt keine Garantie, dass die befragten Unternehmen die richtigen Zahlen angeben.
Das generelle Problem ist, dass sich Manipulationen zwar leicht verbieten, aber nur schwer verhindern lassen. So streben die Aufsichtsgremien in den meisten Ländern nach einer Regulierung der Richtpreis-Bildung. Aber, je mehr und je detailliertere Regeln und Vorschriften von Unternehmensleitungen oder Branchenverbänden aufgestellt werden, desto komplizierter gestaltet sich meist die Datenerfassung und Indexerrechnung.
Das eröffnet findigen Köpfen immer neue Wege, die Regeln oder Vorschriften zu unterlaufen. So kann beispielsweise der Kreis der bei der Datenerfassung Befragten unregelmäßig geändert werden, ohne dass das gleich auffällt. Welche Unternehmen in welchem Zeitraum befragt werden, verraten die Agenturen nicht. Es gehört für sie zum Betriebsgeheimnis.
Für an der Börse gehandelte Metalle wie Kupfer, Nickel und viele andere Rohstoffe ist Preismanipulation zwar keineswegs ausgeschlossen aber doch um einiges schwieriger als bei einer weniger transparenten Preisbildung. „Bei den börsennotierten Metallen gibt es minutengenaue Preise“, erklärt Experte Kloepfel. „Da sind Manipulationen kaum möglich“, so der Düsseldorfer Unternehmer.
Spekulanten beeinflussen die Preise: Ausschläge beim Messing
Allerdings sind nur gut ein Dutzend Metalle an der Börse notiert. Richtpreise gibt es dagegen über 100 – für die verschiedensten Metalle mit den verschiedensten Legierungen und die unterschiedlichsten Einsatzzwecke. Wer also z. B. wissen möchte, zu welchem Preis in Asien Stahl für den Schiffbau durchschnittlich verkauft wird, kann sich meist nur anhand der Richtpreisindizes orientieren. „Stahl ist nur in einer Standardlegierung an der größten Metallbörse der Welt, der LME, notiert“, gibt Kloepfel zu bedenken. „Diesen kaufen im Vergleich natürlich nur wenige.“
Dass bei Börsen Manipulationen seltener vorkommen, heißt aber nicht, dass sich bei ihnen der Preis aus dem Angebot und der physischen Nachfrage bildet. Längst sind die Metalle zum Spielball von Spekulanten geworden. So werde in einem Jahr 6000-mal so viel Messing gehandelt, wie es überhaupt am Markt gibt, erklärt Kloepfel. „Innerhalb von Minuten wird das Material weitergehandelt, was natürlich auch den Preis beeinflusst. Eine Prognose wie sich der Messingpreis entwickeln könne, sei damit deutlich schwieriger geworden, so der Experte. „Konnte man früher an den Fingern abzählen, wohin sich ein Preis bewege, ist das heute nicht mehr möglich.“
Dass bei der erhöhten Handelsgeschwindigkeit die Bedeutung von Richtpreisen weiter zunimmt, insbesondere auch für Profianleger, zeigen die aktuellen Geschehnisse in Übersee:
Gegen Cash: Zwei Sekunden Vorsprung für den Computer
Die Staatsanwaltschaft in New York hatte Mitte Juli die Untersuchung der Geschäftspraktiken von großen Anbietern von Richtpreis-Indizes eingeleitet. Betroffen sind unter anderem Thomson Reuters und Markit. Den Unternehmen wird vorgeworfen, ihre Veröffentlichungen gegen Aufpreis einzelnen Kunden vorzeitig zu senden. Vorzeitig heißt, zwei bis drei Minuten für jene, die die Zahlen in lesbarer Form für Menschen erhalten. Und zwei Sekunden für jene, bei denen die Zahlen direkt in das algorithmische Trading eingehen.
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