Klimaschutz mit Acrylglas
Der Umweltverband Deutsche Umwelthilfe (DUH) wirbt für mehr Klimaschutz mit dem lichtdurchlässigen und gleichzeitig dämmenden Kunststoff Acrylglas. Doch der vollständig rezyklierbare Werkstoff kann noch mehr, betont der deutsche Hersteller Evonik.
Der Kunststoff, der chemisch exakt Polymethylmethacrylat (PMMA) heißt, habe eine große Zukunft im Klimaschutz vor sich, meint DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. „PMMA isoliert Wärme.“ Der Kunststoff sei zudem bruchfest, witterungsbeständig, schützt vor UV-Strahlung, vergilbt nicht wie andere Kunststoffe und sei nur etwa halb so schwer wie Glas. Gegenüber Glas gebe es nur einen Nachteil, meint Bernd Petri, Leiter der Marktkommunikation Acrylpolymere bei Evonik. „PMMA ist nicht so kratzfest.“ Doch PMMA habe die höchste Kratzfestigkeit aller thermoplastischen Kunststoffe und kann bei höheren Anforderungen zusätzlich mit einer kratzfesten Oberfläche versehen werden.
Deutlich weniger als 30 min braucht Evonik im hessischen Weiterstadt, um aus Kunststoffgranulat transparente Plexiglasglatten für Gewächshäuser, Wintergärten oder Carports zu formen. Das geht so schnell, da das im Extruder eingesetzte Granulat bereits aus polymerisiertem Kunststoff besteht und nur noch aufgeschmolzen werden muss. Erheblich länger dauert es, dicke Platten für Lärmschutzwände oder Großaquarien zu gießen und auszuhärten.
In Gewächshäusern ersetzt PMMA bereits Glasscheiben. Es verstärkt dort den Treibhauseffekt, da es lichtdurchlässiger als Glas ist und die Wärme im Gewächshaus zurückhält. Einige Passiv- und Plus-Energie-Häuser nutzen PMMA bereits in der Gebäudehülle oder als Oberlicht. Für Resch ist klar: „Der Kunststoff muss verstärkt in Neu- und Altbauten eingesetzt werden.“ Der relativ leichte Kunststoff erlaube zudem Einsparungen bei der Trägerkonstruktion.
Das stabile UV- und witterungsbeständige PMMA könne auch den Leichtbau von Fahrzeugen voranbringen, ergänzt Resch. Zum Teil geschieht das bereits: Der Kunststoff wird bereits in Verkehrs- und Segelflugzeugen, in U-Booten, Wohnwagen und als Windschutz von Motorrädern eingesetzt.
Eine 5 mm dicke und kratzfest beschichtete Platte erhielt auch bereits die Zertifizierung für Seiten-, Heck- und Dachverscheibungen von PKW. Diese Scheiben werden in einem Rennwagen der Firma RED-Motorsport aus Mettmann getestet, der seit kurzem auch mit einer Frontscheibe aus PMMA ausgestattet ist. „Der Einsatz als Frontscheibe in PKW ist in der gültigen Norm aber noch nicht vorgesehen“, erklärt Petri. Es besteht Nachbesserungsbedarf. „Hier liegen Potenziale brach, um bei künftigen Elektrofahrzeugen, aber auch konventionell angetriebenen Fahrzeugen Gewicht einzusparen“, so Resch.
PMMA ist aber nicht gleich PMMA. Evonik Röhm patentierte Anfang der 90er-Jahre Plexiglas mit einer sehr hohen Schlagfestigkeit. Dies schlagzähe „Plexiglas resist“ mit einem zugesetzten Elastomer wird als Eishockeyschutzwand und Maschinenschutzgehäuse eingesetzt. Ein weiteres Beispiel ist „Plexiglas POQ66“, das aufgrund einer besonders hohen optischen Reinheit Licht nahezu verlustfrei auch über lange Strecken leitet. Das Ergebnis ist ein gleichmäßig ausgeleuchtetes Display. Hersteller superflacher LED-Fernseher mit großen Bildschirmdiagonalen, bei denen das Licht durch LEDs seitlich eingekoppelt wird, greifen darauf zurück.
„Das Polymer wird auch bereits im industriellen Maßstab vollständig rezykliert“ , so Petri. Abfälle, die bei Herstellung oder Zuschnitt anfallen, werden sortenrein gesammelt, zermahlen und in die Extrusion neuer Platten eingearbeitet. Einige Recycler wie die Firma Krall im fränkischen Elsenfeld sammeln sogar PMMA-Abfälle aus ganz Europa und zermahlen sie zu Granulat. Krall unterscheidet zwischen fünf PMMA-Arten: extrudierte und gegossene, beide jeweils farblos oder eingefärbt. Getrennt arbeitet die Firma das wertvolle schlagzähe PMMA auf. „Wir liefern sortenreines Mahlgut und keine Down-Recycling-Kunststoffe“, sagt Geschäftsführer Markus Krall, „aus dem sich wieder neue Acrylglasplatten herstellen lassen.“ Ein Teil des Granulats kauft Evonik Röhm und setzt es wieder ein. Hier habe sich ein Stück Kreislaufwirtschaft etabliert, freut sich Umweltschützer Resch. Und er ist sich sicher, nur solche Produkte werden künftig das Prädikat „Ökologisch vorteilhaft“ erhalten und entsprechende Marktvorteile erlangen.
RALPH AHRENS
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