Kunststoffe aus der Holz- und Algenraffinerie
Nachwachsende Rohstoffe sind heute eher als Energieträger in der Diskussion. Dabei wäre das reine Verbrennen im Vergleich zur stofflichen Nutzung eigentlich eine Verschwendung. Im Chemiepark Leuna entsteht jetzt eine Bioraffinerie, in der Biomassebestandteile künftig in großtechnischem Umfang in Ausgangsstoffe für die chemische Industrie überführt werden sollen.
„Das neue Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP schließt eine Lücke zwischen Labor und Industrie, wir werden hier Bioreaktoren mit einem Volumen von bis zu 10 000 l nutzen können“, so Prof. Thomas Hirth, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB, an das das CBP angeschlossen sein wird.
Ziel der Forschung ist die Überführung der bislang nur im Labormaßstab erprobten Verfahren in die Industrie: In drei bis fünf Jahren sollen hier chemische Grundstoffe wie Ethylen, Olefine und Aromate sowie technische Gase und Enzyme aus Holz, Algen oder pflanzlichen Ölen hergestellt werden.
„Wir können durch die stoffliche Nutzung von Biomasse einen ganz wesentlichen Beitrag zur Reduktion von CO2-Emissionen leisten und zudem die Energie- und Ressourceneffizienz erhöhen“, versicherte Hirth den VDI nachrichten. Zudem würden Teile des Erdöls ersetzt, wobei die eingesetzte Biomasse in der Regel nicht für die Nahrungs- oder Futternutzung in Frage komme.
In das neue Forschungszentrum fließen bis zur Fertigstellung 2012 mehr als 45 Mio. €, der größte Teil davon in die technische Ausstattung wie Fermenter und kontinuierliche Anlagen, die bei Prozessdrücken bis 250 bar und Temperaturen bis zu 750 °C arbeiten können.
Bereits jetzt sind rund 30 Partner aus Industrie und Forschung in die Projekte des neuen Zentrums eingebunden. So übernimmt etwa eine Tochter der Linde-Group als Generalunternehmer das Engineering der verfahrenstechnischen Einheiten. „Wir werden als offene Plattform auch weitere Projekte aufgreifen“, versprach Hirth.
Bereits erforscht wird der Aufschluss von Lignocellulose aus Holz, wobei – anders als in der Papierindustrie – nicht nur ein Bestandteil stofflich genutzt werden soll. „Bei der Papierherstellung interessierte zunächst nur die Cellulose. Lignin, Glukose und Xylose werden thermisch für die Erzeugung der Prozesswärme genutzt“, berichtete Projektleiter Gerd Unkelbach.
Doch was zunächst sehr effizient klang, ist es keineswegs: Aus den bislang verheizten Komponenten können zum Beispiel Phenole gewonnen werden, die laut Unkelbach rund vier Mal mehr einbringen, als der Einsatz anderer Energieträger kosten würde.
Bei Holz und Stroh lassen sich die einzelnen Bausteine so aufschließen, dass sie anschließend als biobasierte Synthesebausteine und Polymere genutzt oder zu Kunststoffen weiterverarbeitet werden können. Favoriten sind dabei Laubhölzer – und hier vor allem die Buche, für deren Holz es sonst eine nur vergleichsweise geringe Nachfrage gibt.
Die Ausgangsstoffe – Holzhackschnitzel, Rinde, Späne oder Schwachholz – werden im CBP nicht mit Natriumverbindungen, sondern mit organischen Lösungsmitteln bei etwa 200 °C und 20 bar aufgeschlossen. Die gewonnenen Kohlehydratfraktionen dienen dabei als Kohlenstoffquelle für Fermentationen im Maßstab von bis zu 10 m3.
Auch Mikroalgen sollen künftig Rohstoff sein, aus dem sich Kunststoffe oder technische Enzyme herstellen lassen. Katja Patzsch von der Bioverfahrenstechnik am IGB erklärt, dass im neuen Forschungszentrum eine Kultivierungsanlage für solche Mikroalgenarten entsteht, die sich durch Robustheit und starkes Mengenwachstum auszeichnen. „Das wird wie ein Wald aus großen Platten aussehen, die von Rohrleitungen durchzogen sind“, so Patzsch. Im darin langsam strömenden, nährstoffreichen Wasser gedeiht die Biomasse, die nach dem Entzug von Wasser relativ problemlos im Fermenter weiterverarbeitet wird.
Besonders zuversichtlich, was die Potenziale der Biochemie betrifft, ist derzeit Andreas Hiltermann, Geschäftsführer der Standortentwicklungsgesellschaft Infra-Leuna GmbH. „Als hier 1920 erstmals großtechnisch die Hochdrucksynthese installiert wurde, war das eine Hochburg der Technologie. Wir werden uns heute Gedanken machen müssen, wie wir Schritt für Schritt den Hauptrohstoff der Petrochemie ersetzen, und dabei wollen wir wieder vorn sein“, so Hiltermann, der als einer der Hauptinitiatoren des neuen Forschungszentrums gilt.
Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen seien derzeit zwar sicher noch teurer als ölbasierte, doch sei das nicht nur eine Frage der umgesetzten Mengen. „Die Kunden werden auch bereit sein, für ein Bioprodukt etwas mehr zu zahlen, zumal es in der Regel um Spezialitätenchemie gehen dürfte“, ist sich Hiltermann sicher.
Für ihn ist Nutzung der Verfahren aus der Bioraffinerie der Anfang des Umdenkens. Auch Braunkohle will man künftig stofflich in Leuna nutzen. Hierfür sind bereits 13 Partner aus der Industrie zusammen gekommen, dessen Förderung vom Bundesforschungsministerium jetzt die Zusage für eine Förderung erhielt. Doch das sei „noch ein etwas weiteres Ziel, als die nachwachsenden Rohstoffe in einen Raffinerieprozess zu bringen“, so Hiltermann. M. SCHULZE
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