Mit hochpräzisen Radarmessungen gegen den Verschnitt im Stahlwerk
ArcelorMittal hat keine Lust mehr auf Verschnitt in den Walzstraßen: Der Stahlgigant experimentiert deswegen mit einem Radarsystem, das die Breite der Stahlbänder auf den tausendstel Millimeter genau misst. Walzen lassen sich dann in Sekundenschnelle nachjustieren.
Die Bleche, aus denen später Autokarosserien geformt werden, sind anfangs 20 Zentimeter dicke, rot glühende Blöcke. Diese Brammen werden von einem Walzensystem geplättet, bis die Enddicke erreicht ist. Die Ränder werden anschließend begradigt, das Blech zu tonnenschweren Coils aufgerollt. Das Material, das beim Begradigen verloren geht, ist Stahlwerken ein Dorn im Auge. Es verringert die Ausbeute, kostet also unnütz Geld.
Der Ausschuss ließe sich verringern, wenn ein System die Breite des Stahlbandes kontinuierlich messen und Daten zur Walzensteuerung in Echtzeit liefern würde – was gar nicht so einfach ist. Optische Messsysteme beispielsweise fallen deswegen aus, weil in der Luft meist viel Staub ist und beim Kühlen der Walzen kontinuierlich Dampf entsteht. Was also tun?
Stahlband lässt sich mit Radarstrahlen vermessen
Professor Nils Pohl und sein Team im Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik (FHR) fanden eine Lösung, die selbst unter widrigen Umweltbedingungen auf tausendstel Millimeter genau arbeitet: Radarsender. „Unser Radar sendet durchgehende elektromagnetische Signale aus, die von der rechten und linken Bandkante reflektiert werden“, erklärt Pohl. „Sende- und Empfangssignal werden mithilfe numerischer Algorithmen miteinander verglichen. Anhand dieses Vergleichs lässt sich die Breite des Blechs berechnen.“
Das System arbeitet mit einer Präzision von nur einem Mikrometer. Im Prinzip lässt es sich mit dem Ortungsverfahren der Fledermaus vergleichen. Die Ultraschall-Laute, die Fledermäuse ausstoßen, werden von Mauern, Ästen, Drähten und Mücken echoartig zurückgeworfen. An diesen Echos hören die Säugetiere, was sich vor ihnen befindet und unterscheiden Beute von Hindernissen.
ArcelorMittal testet Radarsystem in Eisenhüttenstadt
Pro Sekunde misst der Sensor 5000 Mal. Läuft das Band aus dem Ruder, lassen sich die Walzen so regeln, dass die Wunschbreite relativ genau eingehalten werden kann. Im Eisenhüttenstädter Stahlwerk des Branchenprimus ArcelorMittal wird das System derzeit getestet. Die Hoffnung ist, den Verschnitt und somit den Materialverlust reduzieren zu können.
Das Radarsystem lässt sich angeblich problemlos in bestehende Walzstraßen integrieren. Die Sendeleistung ist so gering, dass das Radarmesssystem, das bei einer Frequenz von 30 Gigahertz arbeitet, zudem ohne zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen betrieben werden kann. Auch die Kunststoffbranche könnte von dem System profitieren, etwa um die Dicke von Rohren mikrometergenau zu vermessen.
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