Moderne Kohlekraftwerke senken den CO2-Ausstoß
VDI nachrichten, Düsseldorf, 19. 10. 07, mg – Kohle wird weiterhin eine dominante Rolle bei der Stromerzeugung spielen. Aber dies ist mit CO2-Emissionen verbunden. Daher sind die Kraftwerksbauer immer stärker gefordert, diese Emissionen zu begrenzen. Eine kurzfristige CO2-Minderung bei Kraftwerksneubauten ist durch eine Erhöhung des Wirkungsgrads zu erreichen.
Der Kraftwerksmarkt boomt. Nach einer Übersicht des Bremer Marktforschungsunternehmens Trendresearch sind allein in Deutschland derzeit rund 50 Neubauprojekte in der Diskussion, die jeweils mehr als 400 MW Leistung haben sollen. „Auch weltweit bleiben fossil gefeuerte Kraftwerke dominant, für 2020 rechnen wir mit einem Anteil von 60 % bis 75 % je nach Brennstoffpreisszenario bei der Stromerzeugung – trotz der deutlichen Zunahme der erneuerbaren Energien und gegebenenfalls auch nuklear“, erklärt Lothar Balling, bei Siemens Power Generation für Dampfkraftwerke und Emerging Business verantwortlich. Dabei wird Kohle mit 25 % bis 45 % Anteil ein wesentlicher Energieträger bleiben, dessen Einsatz sich bei entsprechender CO2-Besteuerung langfristig auf Anlagen mit CO2-Abscheidung verschieben wird.
Gerade vor diesem Hintergrund einerseits und der bedrohlichen Klimasituation andererseits sind die Kraftwerksbauer immer stärker gefordert, die Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe zu begrenzen. Gemäß dem Cooretec-Programm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit ist eine kurzfristige CO2-Minderung durch Kraftwerksneubauten nur durch eine Erhöhung des Wirkungsgrads zu erreichen. Cooretec steht für CO2-Reduktions-Technologien. Beteiligt an dieser Initiative sind vier Arbeitsgruppen aus Forschung und Industrie.
Entscheidende Einflussfaktoren für bessere Wirkungsgrade von Kohlekraftwerken sind dabei höhere Werte bei Dampfdruck und -temperatur. Bei konsequenter Nutzung der Optimierungspotenziale ließe sich weltweit rund ein Drittel der Emissionen aus Kohlekraftwerken einsparen – etwa 1,8 Mrd. t CO2. Das entspricht immerhin rund 7,5 % des heute anthropogen verursachten Kohlendioxidausstoßes.
Die derzeitige Strategie sieht kurz- und mittelfristig eine konsequente Weiterentwicklung der Prozessführung und Anhebung der Prozessparameter, eine Verbesserung der Kraftwerkskomponenten und die Verwendung neuer hochwarmfester Werkstoffe vor, die eine Anhebung des Wirkungsgrads auf 50 % für Kohlekraftwerke ermöglichen. Dadurch ließen sich im Vergleich zur heute in Deutschland installierten Technik etwa 30 % CO2-Emissionen einsparen.
Mittel- und langfristig sollen verschiedene Verfahren zur Kohlendioxid-Abtrennung und -Speicherung umgesetzt werden. In Japan und den USA bestehen bereits umfangreiche Aktivitäten zur Entwicklung hocheffizienter CO2-armer bzw. CO2-freier fossil befeuerter Kraftwerke, die in erheblichem Maße staatlich gefördert werden. Ähnliche Diskussionen sind auch in der EU im Gange, wobei es ein definiertes Ziel ist, dass bis 2015 circa zehn bis zwölf Demonstrationsanlagen mit entsprechender Förderung gebaut werden.
Die Bestwerte bei Dampfkraftwerken liegen heute bei 48,5 % für Steinkohle (Kraftwerk Boxberg) und 43 % für Braunkohle (Kraftwerk Niederaußem). Durch konsequente Weiterentwicklungen in den Bereichen Strömungsmechanik, Thermodynamik, Werkstofftechnik und neue Kohletrocknungstechnologien lässt sich der Wirkungsgrad bei Steinkohleblöcken auf über 50 % steigern.
Die benötigten Werkstoffe für Wirkungsgrade über 50 % werden im Projekt Comtes700 erprobt, das im Block F des Kraftwerks Scholven, Gelsenkirchen, realisiert wird. Hier werden Bauteile und Komponenten getestet, die einer Frischdampftemperatur von 700 °C und einem Druck von 350 bar standhalten. „Für diese Bedingungen benötigen wir hoch spezialisierte nickelbasierte Stähle, die also einen hohen Nickelanteil haben“, erklärt Ludger Mohrbach, Forschungsleiter beim Verband für Strom- und Wärmeerzeugung VGB Power Tech in Essen.
Einziger Nachteil dieser Werkstoffe: Sie sind nahezu um den Faktor 10 teurer als bisher verwendete Chromstähle. Comtes700 ist durch die Europäische Union gefördert und durch ein internationales Firmenkonsortium realisiert. Der Energieversorger E.on hat bereits angekündigt, das erste Kraftwerk auf dieser Basis zu bauen und bis 2015 ans Netz zu bringen.
Eine Alternative stellen Kombiprozesse auf Kohlebasis dar, bei denen Gas- und Dampfturbinen in einem gemeinsamen Prozess arbeiten. Voraussetzung dafür ist eine integrierte Kohlevergasung, die in mehreren Demonstrationsanlagen auch schon im großen Maßstab realisiert wurde. Im Hinblick auf CO2-Problematik besitzt dieser so genannte IGCC-Prozess (Integrated Gasification Combined Cycle) aufgrund der großtechnisch erprobten Abscheidung aus dem Synthesegas vor der Verbrennung und unter Druck Vorteile gegenüber anderen Verfahren.
Der nächste Entwicklungsschritt besteht in einem oder mehreren Demo-Kraftwerken, die zwischen 2010 und 2015 gebaut werden sollen und die bereits einen hohen Wirkungsgrad, reduzierte Kosten und eine hohe zeitliche Verfügbarkeit aufweisen. Mit weiter gesteigerten Gasturbinentechnologien und Prozessoptimierung könnten dann Anlagen mit einem Wirkungsgrad deutlich über 40 % inklusive CO2-Abtrennung zu erwarten sein. „Ein wichtiges Zwischenziel stellt dabei die Entwicklung von hoch effizienten Gasturbinen für die Verwendung von Synthesegas dar“, so Balling. KLAUS JOPP
Vier Arbeitsgruppen haben sich zu einer Initiative vereint
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