„Wundermaterial“ 14.04.2025, 10:30 Uhr

MXene ungiftig herstellen – Strom ersetzt Flusssäure

MXene wird als Schmiermittel und für Batterien genutzt. Forschende der TU Wien entwickeln eine ungiftige Herstellung mit Strom.

zweidimensionales Material

MXene bestehen wie Graphen aus einer einzigen Schicht von Atomen. Forschende haben nun eine Methode gefunden, das 2D-Material ungiftig herzustellen.

Foto: PantherMedia / Paul Fleet

MXene gelten als vielversprechende Materialien für Batterien, Sensoren und Raumfahrttechnik. Ihre Herstellung war bislang jedoch gefährlich, da sie giftige Flusssäure erforderte. Forschende der TU Wien entwickelten nun eine elektrochemische Methode, die Aluminium aus der Vorstufe entfernt – ganz ohne Giftstoffe. Das Verfahren ist effizient, umweltfreundlich und könnte die industrielle Anwendung des Materials deutlich erleichtern.

Neue Herstellungsmethode für MXene

In der Materialwissenschaft gelten sogenannte 2D-Materialien als besonders spannend. Sie bestehen aus nur einer einzigen Schicht von Atomen und besitzen oft ganz andere Eigenschaften als dickere Materialien aus denselben Elementen. Der bekannteste Vertreter ist Graphen, für dessen Entdeckung es 2010 den Nobelpreis gab.

Ein weiteres Mitglied dieser Materialklasse sind die MXene. Forschende der TU Wien untersuchen sie gemeinsam mit den Unternehmen CEST und AC2T. Im Fokus stehen ihre besonderen Eigenschaften – vor allem ihre Verwendbarkeit als Festkörper-Schmiermittel und ihre Rolle bei Energiespeicherung oder Abschirmung elektromagnetischer Wellen.

Doch ein zentrales Problem bremste ihre industrielle Nutzung bisher aus: die giftige Herstellung.

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Problemkind Flusssäure

MXene entstehen aus sogenannten MAX-Phasen. Diese bestehen typischerweise aus Schichten von Aluminium, Titan und Kohlenstoff. Um aus ihnen MXene zu gewinnen, muss das Aluminium gezielt entfernt werden. Bisher geschah das mit Flusssäure – einer extrem giftigen und umweltschädlichen Substanz.

„Bisher verwendete man Flusssäure, um das Aluminium herauszuätzen, dadurch bekam man dann ein System atomar dünner Schichten, die sich mit sehr wenig Widerstand gegeneinander verschieben können. Das macht diese MXene zu einem tollen Schmiermittel“, erklärt Pierluigi Bilotto von der TU Wien.

Die Handhabung von Flusssäure ist gefährlich. Strenge Sicherheitsvorschriften, spezielle Laborausstattung und problematische Abfallprodukte machten das Verfahren für viele Firmen unattraktiv. Die Folge: MXene kamen bisher kaum über den Laborstatus hinaus.

Alternative aus der Elektrochemie

Um einen Weg aus diesem Dilemma zu finden, arbeiteten Bilotto und sein Team an einem alternativen Herstellungsverfahren. Mit dabei: Prof. Carsten Gachot und Prof. Markus Valtiner von der TU Wien sowie Industriepartner von CEST und AC2T.

Die Lösung: Elektrochemie. Dabei wird elektrische Spannung auf die MAX-Phasen angelegt. Das führt zu chemischen Reaktionen an der Oberfläche, bei denen gezielt Aluminium entfernt wird. Entscheidend ist dabei die genaue Dosierung der Spannung, um nur Aluminiumatome herauszulösen und gleichzeitig das restliche Material zu erhalten.

„Wenn man elektrische Spannung anlegt, wirkt ein elektrischer Strom auf die MAX-Phase, die chemische Reaktionen an den Oberflächen hervorrufen kann“, erläutert Bilotto. „Indem wir die Spannung genau richtig einstellen, können wir die Reaktionen so anpassen, dass nur Aluminiumatome entfernt werden.“

Was sind MXene?
MXene (ausgesprochen „Maxene“) sind eine Klasse von zweidimensionalen Materialien, die aus Übergangsmetall-Karbiden, -Nitriden oder -Carbonitriden bestehen. Sie wurden erstmals 2011 durch selektives Ätzen von sogenannten MAX-Phasen entdeckt.

Struktur
MXene besitzen die allgemeine Formel Mₙ₊₁XₙTₓ, wobei M ein Übergangsmetall (z. B. Titan, Vanadium), X Kohlenstoff und/oder Stickstoff und T Oberflächengruppen wie –O, –OH oder –F darstellt. Diese Gruppen beeinflussen die chemischen und physikalischen Eigenschaften stark.

Eigenschaften

  • Hohe elektrische Leitfähigkeit
  • Hydrophile Oberfläche
  • Gute mechanische Stabilität
  • Biokompatibilität
  • Vielfältige chemische Funktionalisierung

Anwendungen

  • Energiespeicherung (Batterien, Superkondensatoren)
  • Elektromagnetische Abschirmung
  • Sensorik und Biosensorik
  • Wasseraufbereitung
  • Schmierstoffe für extreme Bedingungen, z. B. in der Raumfahrt

Herstellung
Bisher wurde MXene meist durch das Ätzen von MAX-Phasen mit Flusssäure oder fluoridhaltigen Lösungen gewonnen. Neue Ansätze setzen auf elektrochemische Verfahren oder alternative Reaktionen ohne gefährliche Chemikalien.

Besonderheiten
MXene sind durch ihre chemische Vielfalt besonders flexibel einsetzbar. Je nach Wahl des Metalls und der Oberflächengruppen lassen sich gezielt unterschiedliche Eigenschaften erzeugen – ideal für maßgeschneiderte Anwendungen.

Strom-Pulse verbessern das Ergebnis

Ein besonderer Kniff machte das Verfahren noch effizienter: Die Forschenden setzten Strom nicht kontinuierlich ein, sondern in kurzen Pulsen. Diese erzeugen kleine Wasserstoffbläschen, die die Oberfläche der MAX-Phasen regelmäßig reinigen. Dadurch bleibt sie länger reaktiv, und die Reaktion kann über längere Zeiträume stabil laufen.

Das Ergebnis: eine größere Ausbeute an MXene – ganz ohne den Einsatz gefährlicher Chemikalien. Die Qualität des gewonnenen Materials steht dem mit Flusssäure erzeugten MXene in nichts nach.

Schritt in Richtung industrielle Anwendung

Die Forschungsergebnisse wurden inzwischen im Fachjournal Small veröffentlicht. Für Bilotto und sein Team ist das ein wichtiger Schritt in Richtung praxistauglicher MXene-Produktion. Ihr Ziel ist klar: eine Methode zu entwickeln, die nicht nur sicherer, sondern auch einfacher und günstiger ist.

„Mein Ziel ist, dass die Herstellung von MXenen extrem einfach wird. Es sollte in jeder Küche möglich sein“, sagt Pierluigi Bilotto. „Und wir sind sehr nahe dran.“

Ob es tatsächlich jemals so weit kommt, bleibt offen. Doch die neue elektrochemische Methode könnte den Weg für eine breitere Nutzung des vielseitigen Materials ebnen – sei es in Batterien, Sensoren oder als Hochleistungsschmiermittel in der Raumfahrt.

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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