Nationen stecken Tiefsee-Claims ab
Stollen, Schächte und Gruben zerfurchen die Kontinente. Aber der Rohstoffhunger der Menschheit wächst und wächst. Forscher erkunden nun die größte Mine von allen: die Tiefsee. Sie stoßen dort auf riesige Vorräte seltener und begehrter Metalle. Und auch wenn eine Förderung noch fern ist – die Nationen sichern sich schon heute die meistversprechenden Abbaugebiete.
Russland und Deutschland sind Nachbarn, Frankreich grenzt an Japan. Wenn schon nicht auf dem Festland, dann wenigstens im Zentralpazifik. Dort herrscht Goldgräberstimmung: Führende Industrienationen haben bereits ihre Claims abgesteckt. Sie wollen die Ersten sein, wenn es daran geht, wertvolle Metalle aus der Tiefsee zu holen.
Auf dem Grund der Ozeane schlummern Metalle, die die Hightechindustrie heiß begehrt: in Massivsulfiden, kobaltreichen Eisen-Mangankrusten und Manganknollen. Diese polymetallischen Knollen versprechen die größten Erträge – und könnten eine Multimilliarden-Rallye auslösen. „Zusammen mit den Manganerzkrusten beinhalten die Knollen allein an Kobalt die 21- bis 23fache Reserve im Vergleich zu den kontinentalen Vorkommen“, schätzt Peter Halbach, emeritierter Rohstoffgeologe der Freien Universität Berlin.
Geschätzter Wert der Metalle auf dem Meeresgrund: 33 Billionen Dollar
Den Wert der verborgenen Metalle auf dem Meeresgrund schätzen Experten auf 33 Billionen $ längst hat das Wettrennen von Staaten und finanzstarken Konzernen um marine mineralische Rohstoffe begonnen. China, Japan und Südkorea haben laut Halbach die Nase vorn. In knapp zehn Jahren könnten sie mit dem Abbau von Manganknollen starten.
Auch Deutschland ist mit dabei – liegt technisch aber noch zurück. 2006 hat die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Hannover, eine Lizenz zur Exploration für Manganknollen im Zentralpazifik gekauft. Sie soll das 75 000 km2 große Gebiet im Auftrag der Bundesregierung erkunden, Proben sammeln und dreidimensionale Karten des Meeresbodens erstellen.
Gleich daneben haben Südkorea, Russland, China, Japan, ein osteuropäischer Staatenverbund und Frankreich ihre Claims abgesteckt. Voraussichtlich im Jahr 2014 beantragt die BGR eine zweite – 500 000 $ teure – Lizenz zur Erkundung von Massivsulfiden im Indischen Ozean.
BMWi setzt mittelfristig auf Tiefseebergbau
Industriell schürfen darf Deutschland damit aber noch lange nicht. Darüber wacht die Internationale Meeresbodenbehörde ISA mit Sitz in Kingston auf Jamaika. Sie verwaltet die Tiefen der Ozeane und deren Rohstoffe außerhalb der staatlichen Hoheitsgewässer als Erbe der Menschheit.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) ist davon überzeugt, dass mineralische Rohstoffe aus der Tiefsee mittelfristig einen soliden Beitrag zur Versorgungssicherheit bei Rohstoffen leisten und hat den Tiefseebergbau im Nationalen Masterplan Maritime Technologien als wichtiges strategisches Feld ausgewiesen.
Laut der Berliner Fachvereinigung Auslandsbergbau und internationale Rohstoffaktivitäten könnten auch deutsche Unternehmen profitieren. „Der Tiefseebergbau“, sagt Geschäftsführer Martin Wedig, „würde einen Schub für den Hightechstandort Deutschland bringen.“ Technologieunternehmen könnten etwa die Technik für den Abbau von Kobalt, Nickel, Mangan und Seltenen Erden in den Tiefen der Weltmeere liefern. Von diesen Metallen gibt es laut Wedig zwar noch reichlich auf dem Weltmarkt. Aber: „Seit 2003 haben sich die Preise für metallische Rohstoffe vervierfacht.“
Zudem sinkt die Ausbeute. Beim Kupfer etwa ist der Gehalt von 2 % im Roherz auf mittlerweile unter 1 % geschrumpft. Nicht nur, dass die Anteile in einer Manganknolle fast doppelt so hoch sind. Im Gegensatz zu den Vorkommen an Land enthalten die marinen mineralischen Rohstoffe auch keine radioaktiven Elemente, erklärt der Geologe Peter Halbach.
Experten beziffern die Investitionskosten für den Abbau mariner Rohstoffe mit 1 Mrd. € bis 1,5 Mrd. €. Der Umfang mariner Rohstoffvorkommen lässt sich bisher zwar nur grob abschätzen, erste Ergebnisse sind aber vielversprechend. Die Wissenschaftler der BGR entdeckten allein in einem 2000 km2 großen Areal des deutschen Lizenzgebiets ein Vorkommen von rund 30 Mio. t Manganknollen. Darin sind rund 1 Mio. t Nickel, Kupfer und Kobalt enthalten. Weltmarktpreis: 334 Mio. $. „Neben diesem Areal gibt es noch mindestens sechs weitere interessante Gebiete, die großflächig dicht mit Manganknollen belegt sind“, sagt Expeditionsleiter Carsten Rühlemann.
Noch ist Tiefseebergbau Pionierarbeit
Längst nicht alle Vorkommen liegen in den Tiefseeebenen fernab der Küsten: Massivsulfide etwa befinden sich auf „Schwarzen Rauchern“ – Geysiren in 1000 m bis 5000 m Wassertiefe. Das kanadische Unternehmen Nautilus Minerals hatte es auf die „Ausschließliche Wirtschaftszone“ – ein 200 Seemeilen breites Gebiet rings um alle Küsten – vor Papua-Neuguinea abgesehen. Mit riesigen Fräsen wollte der Bergbaukonzern „Schwarze Raucher“ mitsamt Untergrund zerkleinern und zu einem Schiff an die Oberfläche pumpen. Ein Streit mit der Regierung brachte die Planungen Ende 2012 ins Stocken.
Tiefseebergbau ist noch Pionierarbeit. Und die Herausforderungen sind enorm. Schließlich muss in bis zu 4000 m Tiefe unter Drücken von bis zu 400 bar ohne Licht und bei Temperaturen um die 2 °C gearbeitet werden. Erste Versuche startet etwa Aker Wirth aus Erkelenz. Im Auftrag der BGR entwickeln die Zerspanungsexperten ein Konzept für einen Kollektor, der per Fernsteuerung die lose auf dem Meeresgrund liegenden Knollen einsammelt.
Sind die Knollen an der Meeresoberfläche, gibt es die nächsten Probleme. Weltweit wird daran gearbeitet, die kostbaren Metalle aus dem Stein zu gewinnen. Ein wirtschaftliches Verfahren gibt es bisher nicht.
Knackpunkt Umweltschutz
Knackpunkt der Technologie ist aber der Umweltschutz. Dass die Ökologie Schaden nimmt, ist allen Experten klar. Wenn auch die komplexen Auswirkungen nicht abschließend untersucht sind. „Es gibt keinen Bergbau ohne eine Umweltbeeinflussung“, so Sven Petersen, Mineraloge am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel, kurz Geomar.
Ein bergmännischer Abbau der Manganknollen verbraucht geschätzte 120 km2 Meeresboden pro Jahr, wobei gewaltige Mengen an Sediment, Wasser sowie zahllose Lebewesen mitgefördert werden. Der Eingriff in den Lebensraum Tiefsee ist nach Ansicht der Geomar-Wissenschaftlers erheblich. Man müsse sich überlegen, ob der Einfluss an Land oder im Meer geringer und was schützenswerter sei. Petersen ist aber überzeugt: „Wildwest auf dem Meeresgrund wird es mit dem ISA-Recht nicht geben.“
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