Neuer Kunststoff passt sich wie ein Lebewesen an
Amerikanische Forschende haben sich einmal mehr von der Natur inspirieren lassen und ein ganz neues Material entwickelt. Es ist hart und flexibel zugleich und könnte zu ganz neuen Möglichkeiten in der Robotik und in der Elektronik führen.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der University of Texas in Austin hatten sich eine große Aufgabe gestellt: Sie haben verschiedene Lebewesen betrachtet, etwa Bäume und Muscheln, und wollten einen Kunststoff entwickeln, der vielen verschiedenen Lebensformen ähnelt, der also an manchen Stellen hart und starr sein kann, dafür an anderen weich und dehnbar. Was unmöglich klingt, ist ihnen gelungen. Ganz ohne Einwirkung von außen verändert sich der Kunststoff aber natürlich nicht. Licht und ein Katalysator sind nötig, um wesentliche Eigenschaften wie Härte und Elastizität des Kunststoffs zu beeinflussen.
Endlich nachhaltiger Kunststoff in Sicht
Kunststoff mit unterschiedlichen Eigenschaften, aber aus einem Material
Es ist nicht neu, dass Forschende versuchen, Eigenschaften lebender Strukturen mit synthetischen Materialien nachzuahmen. Das ist in der Regel sehr anspruchsvoll, weil lebende Organismen komplex aufgebaut sind. Wer Muskeln betrachtet, sieht zum Beispiel, dass sie flexibel und anpassungsfähig sind, gleichzeitig eine hohe Zugkraft haben, aber im Verhältnis dazu nicht viel wiegen. Das ist möglich, weil die Strukturen aus vielen verschiedenen „Materialien“ gebildet werden, die bekanntermaßen miteinander verwachsen sind – was die Natur kann, kann die Wissenschaft noch lange nicht. Denn diese Strukturen lassen sich theoretisch zwar problemlos nachbauen, in der Praxis versagen sie jedoch meistens. Das Zusammenspiel funktioniert nicht richtig, Materialien brechen oder die Verbindungsstellen halten den Kräften, die auf sie einwirken, nicht stand.
„Wenn man Materialien zusammenbringt, vor allem wenn sie sehr unterschiedliche mechanische Eigenschaften haben, passiert es oft, dass sie sich voneinander lösen“, sagt Zachariah Page, Assistenzprofessor für Chemie an der University of Texas. Seinem Team ist es jedoch gelungen, einen Kunststoff zu entwickeln, dessen Struktur sie kontrolliert verändern können – und somit auch seine Eigenschaften.
Licht und Katalysator verändern den Kunststoff
Die Chemiker begannen ihre Arbeit mit einem Monomer, also einem kleinen Molekül, das sich mit anderen ähnlichen Molekülen verbindet, um die Bausteine für größere Strukturen, sogenannte Polymere, zu bilden. Sie ähneln dem Polymer, das wiederum in vielen herkömmlichen Kunststoffen steckt.
Im nächsten Schritt testeten sie Katalysatoren. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler suchten einen Weg, ihr Monomer kontrolliert so zu verändern, das aus ihm ein halbkristalliner Polymer wurde. Er sollte den Polymeren ähneln, die in synthetischem Gummi zu finden sind. Dafür bestrahlten sie Monomer und Katalysator mit sichtbarem Licht. Tatsächlich fanden sie einen Katalysator, der zu dem gewünschten Effekt führte. In den Bereichen, auf die das Licht fiel, bildete sich ein härteres und steiferes Material, während die unbeleuchteten Bereiche ihre weichen, dehnbaren Eigenschaften behielten.
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Da dieser neue Kunststoff aus einem einzigen Material mit unterschiedlichen Eigenschaften besteht, ist er stärker und kann weiter gedehnt werden als die meisten Kombinations-Materialien.
Nachhaltiges Herstellungsverfahren
Dabei ist es nach Angabe der Forschenden keineswegs so, dass dieser Effekt nur unter aufwendigen Laborbedingungen erreicht werden könne. Die Reaktion funktioniert bei Raumtemperatur, sowohl das Monomer als auch der Katalysator sind im Handel erhältlich. Als Lichtquelle verwendete das Team preiswerte blaue LEDs, die zudem als sehr energieeffizient gelten. Die Reaktion dauert weniger als eine Stunde, und es fallen kaum Abfälle an, sodass das Verfahren schnell, kostengünstig und verhältnismäßig nachhaltig sei.
Unterm Strich soll das neue Material etwas zehnmal so hart sein wie Naturkautschuk. „Dies ist das erste Material seiner Art“, sagt Page. „Die Fähigkeit, die Kristallisation und damit die physikalischen Eigenschaften des Materials mit Hilfe von Licht zu steuern, könnte unter anderem für tragbare Elektronik oder in der Soft-Robotik von großer Bedeutung sein.“
Die Forschenden wollen nun konkrete Objekte aus dem Kunststoff herstellen, um seine Einsatzfähigkeit genauer zu untersuchen.
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