Innovative Kombination bringt Durchbruch 06.08.2024, 07:00 Uhr

Neuer Weltrekord beim Röntgen!

Forschende am Paul Scherrer Institut haben einen neuen Weltrekord in der Röntgenmikroskopie aufgestellt. Mit einer bahnbrechenden Auflösung von vier Nanometern konnten sie erstmals hochauflösende 3D-Bilder von Computerchips erzeugen. Diese Innovation verspricht bedeutende Fortschritte.

Struktur eines Computerchips in 3D

Mit ihrem neuentwickelten Ptychografieverfahren konnten die Forschenden erstmals die dreidimensionale Struktur eines Computerchips abbilden.

Foto: Tomas Aidukas, Paul Scherrer Institut PSI

Ein internationales Forscherteam unter Leitung des Paul Scherrer Instituts (PSI) revolutioniert die Mikrochip-Untersuchung. Sie entwickelten eine innovative Röntgentechnik, die es ermöglicht, Computerchips mit einer nie dagewesenen Präzision zu untersuchen. Das PSI-Team arbeitete seit über einem Jahrzehnt daran, Mikroskopie-Methoden zur Erzeugung dreidimensionaler Nanostrukturen zu verfeinern. In Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten der EPFL, ETHZ und der University of Southern California gelang ihnen nun der Durchbruch.

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Sie nutzten die sogenannte Ptychografie, eine computergestützte Methode, die mehrere Einzelaufnahmen zu einem hochauflösenden Gesamtbild kombiniert. Durch die Optimierung der Belichtungszeit und des Algorithmus konnten sie ihren eigenen Weltrekord aus dem Jahr 2017 deutlich verbessern. Für ihre bahnbrechenden Experimente setzten die Forschenden das Röntgenlicht der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS ein.

Röntgens Erbe: Zwischen Elektronenmikroskopie und Tomografie

Moderne Computerchips stellen wahre Meisterwerke dar. Heutige Technologien ermöglichen es, über 100 Millionen Transistoren auf einem einzigen Quadratmillimeter unterzubringen – mit steigender Tendenz. Die Herstellung dieser komplexen Schaltkreise erfordert hochpräzise Optikanlagen in Reinräumen. Der Produktionsprozess umfasst zahlreiche Schichten, die aufgetragen und wieder abgetragen werden, bis der fertige Chip entsteht. Am Ende landen diese Chips in Smartphones und Computern.

Die Visualisierung und Charakterisierung dieser winzigen Strukturen stellen jedoch eine enorme Herausforderung dar. Zwar liefern Rasterelektronenmikroskope detaillierte zweidimensionale Oberflächenbilder, doch für dreidimensionale Aufnahmen müssen die Chips schichtweise zerstört werden. Die Röntgentomografie bietet hier eine zerstörungsfreie Alternative, ähnlich wie bei medizinischen Untersuchungen. Allerdings mangelte es bisher an geeigneten Röntgenlinsen, um die erforderliche Auflösung zu erreichen.

Ptychografie revolutioniert die Röntgen-Bildgebung

Die von den PSI-Forschenden entwickelte Methode überwindet diese Grenze. Sie kombiniert die Vorteile der Röntgentomografie mit der hohen Auflösung der Elektronenmikroskopie. Durch den Einsatz der Ptychografie umgehen sie das Problem fehlender Röntgenlinsen und erzielen eine bisher unerreichte Detailgenauigkeit. Diese bahnbrechende Technik ermöglicht es, die innere Struktur von Computerchips dreidimensional und zerstörungsfrei zu untersuchen.

Die Ptychografie verzichtet auf die Bündelung des Röntgenstrahls im Nanometerbereich. Stattdessen bewegt sie die Probe präzise in winzigen Schritten. „Wir navigieren die Probe so, dass der Strahl einem exakten Raster folgt, ähnlich einem Sieb. An jedem Punkt des Rasters erfassen wir ein Streubild“, erläutert Mirko Holler, Physiker an der SLS. Die Rasterpunkte überlappen sich, da ihr Abstand geringer ist als der Strahldurchmesser. Diese Überlappung liefert genügend Daten, um mittels eines Algorithmus ein hochauflösendes Bild zu rekonstruieren. Der Rekonstruktionsprozess fungiert quasi als virtuelle Linse. Seit 2010 optimierten die Forschenden ihren Versuchsaufbau kontinuierlich, ebenso die Präzision der Probenpositionierung. 2017 gelang ihnen schließlich ihr erster Rekord: die räumliche Abbildung eines Computerchips mit einer Auflösung von 15 Nanometern. Doch danach ging es einfach nicht weiter, die Auflösung ließ sich nicht weiter verbessern.

Röntgens Technik neu gedacht: Die Suche nach dem limitierenden Faktor

2021 startete dann ein vom Schweizerischen Nationalfonds gefördertes Projekt, das die Ursache erforschen sollte. Das Team um Mirko Holler und Manuel Guizar-Sicairos erweiterte sich um Tomas Aidukas, der mit seiner Programmiererfahrung einen entscheidenden Algorithmus entwickelte. Ein erster Hinweis ergab sich, als die Forschenden die Belichtungszeit verkürzten – die Beugungsbilder gewannen plötzlich an Schärfe. Dies deutete darauf hin, dass der Röntgenstrahl nicht gleichmäßig auf die Probe trifft, sondern minimal vibriert. Guizar-Sicairos vergleicht es mit der Fotografie: „Bei Nachtaufnahmen wählt man wegen der Dunkelheit eine lange Belichtungszeit. Ohne Stativ überträgt sich jede Bewegung auf die Kamera, was zu unscharfen Bildern führt.“ Eine kurze Belichtungszeit kann dieses Problem lösen, birgt aber die Gefahr, zu wenig Licht einzufangen.

Den Forschenden erging es ähnlich: Die scharfen Bilder enthielten zu wenig Information für eine vollständige Rekonstruktion des Computerchips. Um dieses Dilemma zu überwinden, integrierten sie einen schnelleren, am PSI entwickelten Detektor. Dieser ermöglichte die Aufnahme vieler Bilder mit kurzer Belichtungszeit pro Rasterpunkt. „Stellen Sie sich den Röntgenstrahl als Punkt auf der Probe vor. An diesem Punkt nehmen wir zahlreiche Einzelbilder auf“, sagt Aidukas. Die leichten Veränderungen zwischen den Bildern erlauben es, die tatsächliche Position des vibrierenden Strahls zu verfolgen. Der neue Algorithmus vergleicht und gruppiert die Strahlpositionen der Einzelbilder. „Übereinstimmende Positionen werden in derselben Gruppe summiert“, erläutert Aidukas. Dieses Verfahren erhöht den Informationsgehalt der niedrig belichteten Bilder und ermöglicht die Rekonstruktion eines scharfen Ergebnisses mit hohem Lichtanteil aus der Flut kurzbelichteter Aufnahmen. Diese bahnbrechende Ptychografie-Methode ist nicht auf Computerchips beschränkt, sondern lässt sich auch in anderen Bereichen wie den Material- oder Biowissenschaften einsetzen.

Ein Beitrag von:

  • Nina Draese

    Nina Draese hat unter anderem für die dpa gearbeitet, die Presseabteilung von BMW, für die Autozeitung und den MAV-Verlag. Sie ist selbstständige Journalistin und gehört zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Automobil, Energie, Klima, KI, Technik, Umwelt.

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