Neuer Werkstoff aus Papier ideal für leichte und stabile Produkte
Es klingt ein wenig exotisch, ist aber durchaus ernst gemeint. Fraunhofer-Forscher haben einen Fahrradsattel aus Papier hergestellt. Der neue Composite-Werkstoff hat das Potential, ganze Branchen mit neuem Input zu füllen.
Gute Nachrichten für fahrradfahrende Veganer: Schon in Kürze können sie sich auf einen Sattel aus Papier schwingen, wenn sie auf ihren Touren in die Pedale treten. Herkömmliche Ledersättel sind für diese Menschen ja tabu, weshalb sie auf Sätteln aus Plastik Platz nehmen.
Jetzt könnten Fahrradsitze aus Papier die Alternative sein. Möglich macht diese Innovation eine Entwicklung des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF mit Sitz in Darmstadt.
Papier-Composite als neuer Werkstoff mit viel Potential
Die Forscher haben ein völlig neues Materialfeld mit enorm hohen Entwicklungspotential aufgetan: Papier-Composite. Dabei wird Papier mit einer duroplastischen Matrix kombiniert, welches danach mit Papier nicht mehr viel gemeinsam hat. Es ist ein neuer Werkstoff entstanden. Hergestellt hat diesen neuen Werkstoff das Fachgebiet Papierfabrikation und mechanische Verfahrenstechnik (PMV) der TU Darmstadt.
Dieses vom PMV gelieferte Papier-Composite unterzogen die LBF-Forscher aufwändigen Prüfungen, um Aussagen über die Materialeigenschaften des neuen Werkstoffes treffen zu können. Jetzt sind sie sicher: Mit diesem Papier-Composite geht einiges – von Freizeitartikeln über Möbel und Innenausbau bis zur Automobil- und Elektroindustrie. Die Wissenschaftler des LBF sehen den neuen Werkstoff auch in Sportartikeln wie Skiern und Fahrrädern.
Der neue Verbundwerkstoff lässt sich auch bei der Fertigung von Möbeln oder Türen, Paneelen, Leichtbauwänden und Bodenplatten einsetzen. Hinzu kommen noch so exotische Anwendungen wie Lkw-Aufbauten, Innenausbau, Bodengruppen, Interieur oder gar Leiterplatten und Gehäuse in der Elektroindustrie. Es ist ganz offenbar ein Multitalent, das neuartige Papier-Composite.
Ein Segen für die darbende Papierindustrie
Für die Papierindustrie ist die Entwicklung aus Darmstadt ein Segen, denn deren Verkaufszahlen sinken angesichts schrumpfender Printauflagen. Noch ist das Papier-Composite aus Darmstadt allerdings nicht marktreif, es befindet sich vielmehr auf dem Weg dorthin. Eine Marktanalyse des neuen Werkstoffes ist noch nicht möglich, betonen die Forscher. Zum Vergleich des Markvolumens können allerdings schon existierende Naturfaser-Composite oder einfache Naturfasern herangezogen werden, da sie mit dem Papier-Composite ersetzbar wären.
Erste Vergleiche mit kommerziell verfügbaren Papieren wie Teebeutel-Papier und Papier der Neenah Lahnstein GmbH sowie Naturfaservlies hat das Composite bereits gut bestanden. Die statische Zugfestigkeit des Papier-Composite liegt deutlich oberhalb der von Proben aus Teepapier, Flachs oder Viskose, die unter gleichen Prozessbedingen hergestellt wurden.
Jetzt werden Flammbeständigkeit und Isolationsvermögen untersucht
Damit ist die erste Hürde des völlig neuen Werkstoffes genommen. Jetzt geht die Prüfung des Papier-Compositen in die zweite Runde. Es gilt, die weiteren Materialeigenschaften wie die Flammbeständigkeit, das Isolationsvermögen die Feuchtigkeitsaufnahmen zu untersuchen. Die Forscher am LBF sind jedoch sicher: Papier-Composite könnten mit Hilfe entsprechender Modifikationen alle diese hohen Anforderungen erfüllen und sind daher eine entsprechende Alternative zu Naturfaser-Compositen.
Einer der ganz entscheidenden Vorteile dieser neuen Papier-Compositen ist der Preis. Das neue Material als Substitut für Naturfaser-Compositen wäre wohl wesentlich billiger. Dazu kommt die bezogen auf die Dichte verhältnismäßig hohe Festigkeit. Das Papier-Composite kann zudem problemlos dem Recycling zugeführt werden. Auch auf der Materialeingangsseite punktet der neue Werkstoff: Die Ausgangsstoffe für die Papierherstellung sind nachhaltig und somit umweltfreundlich.
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