Preisschmelze durch Salzschmelze
Ein britisches Unternehmen will die Eier legende Wollmilchsau der Metallurgie gezüchtet haben. Auf der Liste der Metalle, deren Preise purzeln könnten, findet sich von Titan über Wolfram bis hin zu Seltenerd-Metallen das Who“s who der teuren Industrierohstoffe. Ein großer Bergbaukonzern überwacht nun höchstpersönlich den Fortschritt der Technik.
Wenn der französische Kaiser Napoleon III für seine am höchsten geschätzten Gäste den Tisch decken ließ, musste es schon das edle Aluminiumbesteck sein.
Um anzugeben, krönten auch die Baumeister das Capitol in Washington mit einer Haube aus – natürlich – Aluminium.
Teurer als Gold war das Leichtmetall und zum Repräsentieren bestens geeignet. Den Siegeszug des Aluminiums ermöglichten erst Charles Hall und Paul Heroult, indem sie entdeckten, dass es noch einen preiswerteren und dazu umweltfreundlicheren Weg zum Aluminium gibt. Sie erschmolzen das Metall elektrisch und setzten den zuvor praktizierten chemischen Verfahren ein Ende.
Neues Verfahren zur Gewinnung von Seltenerd-Metallen und Stahlveredlern
Auf eine ähnlich revolutionäre Entwicklung hofft die junge Metalysis Ltd. für ihr Verfahren zur Gewinnung von Seltenerd-Metallen wie Neodym und Terbium, besonders teuren Stahlveredlern, wie Vanadium und Wolfram, sowie Tantal und Titan.
Das Unternehmen ist eine Ausgründung aus der Universität Cambridge in Großbritannien. Dort hatten Forscher entdeckt, dass sich bestimmte Oxide direkt in das jeweilige Metall konzentrieren lassen, wenn man sie in bei 1000 °C flüssiges Salz einbettet und Strom hindurchleitet. Das spart laut Vorstandschef Guppy Dhariwal bei allen bisher getesteten Metallen mehrere Produktionsstufen und damit Energie, Zeit und Geld zugleich sinkt die Umweltbelastung.
Titanpulver zu einem Zehntel des bisherigen Preises
Titan, ein für den Flugzeugbau und medizinische Implantate nahezu ideales Metall, kann nach Angaben von Metalysis bislang noch bis zu 50-mal so viel wie Edelstahl kosten. Mit dem neuen Verfahren lasse sich Titanpulver aber zu einem Zehntel des bisherigen Preises herstellen.
Ähnlich wie einst Aluminium wird Titan heute noch in einem Verfahren gewonnen, das nach seinem Erfinder – dem Luxemburger William Kroll – Kroll-Prozess heißt. Dieser basiert darauf, zuerst aus dem zu geringen Kosten erhältlichen Titanoxid (beliebt bei Malern als strahlendes Weiß) mittels Chlor den Sauerstoff herauszulösen, anschließend über eine chemische Reaktion mit flüssigem Magnesium oder Soda das Chlor zu entfernen und schließlich den verbleibenden Titanschwamm zu vermahlen und in einem Vakuumofen das eigentliche Metall zu erschmelzen. Die übliche Gewinnung von Tantal läuft bisher ähnlich aufwendig.
Mit verflüssigtem Metall arbeiten
Metalysis ahmt die Elektroschmelze von Aluminium bei anderen Metallen nach – allerdings mit einem großen Unterschied: Das Verfahren von Hall und Heroult beim Aluminium arbeitet mit verflüssigtem Material. Der relativ niedrige Schmelzpunkt macht es möglich.
Bei Titan und Tantal liegt der jeweilige Schmelzpunkt deutlich höher. Das würde ein Verfahren mit vorheriger Verflüssigung unwirtschaftlich machen. Im Prozess von Metalysis ist eine Verflüssigung aber weder für Titan noch für Tantal nötig.
Der Gewinnungsprozess im Metalysis-Verfahren beginnt mit dem pulverisierten Metalloxid. Dieses dient als Kathode; die Anode besteht aus Kohlenstoff. Die Salzschmelze mit einer Temperatur von 1000 °C dient als Elektrolyt, das den Sauerstoff-Ionen erlaubt, von der Kathode zur Anode wandern. Dort entsteht Kohlenstoff-Dioxid, während an der Kathode langsam das Metalloxid zum reinen Metall reduziert wird.
Vorläufiges Ziel: Jährlich 2500 Tonnen Tantal produzieren
In einem ersten Werk am Firmensitz in Wath-upon-Dearne hofft Dhariwal, zunächst 3 % bis 4 % des Weltbedarfs an Tantal von jährlich 2500 t zu produzieren. Damit will er die Basis zum Aufbau einer Titanproduktion verdienen.
Sobald Metalysis damit in einer größeren Fabrik begonnen hat – der Elektroingenieur Dhariwal sucht dafür eine ältere, ausgediente Aluminiumhütte – soll ein weiteres Produktionsfeld folgen: Seltenerd-Metalle. Im Labor hat Metalysis schon Ende 2012 mit seinem Verfahren erfolgreich Neodym und Terbium produziert und zum ersten Mal eine Nickel-Terbium-Legierung hergestellt, die in Dauermagneten und Katalysatoren verbaut wird.
Quasi-Monopol der Chinesen brechen
Die Gewinnung solcher Seltenerd-Metalle mit dem Metalysis-Verfahren könnte helfen, die Preise zu senken und das bisher nur sehr langsam abbröckelnde Quasi-Monopol der Chinesen zu brechen. China besitzt zwar nur ein Drittel der Weltreserven an Seltenerd-Metallen, deckt aber derzeit – nach über 90 % im Jahr 2011 – immer noch gut 85 % des insgesamt auf 110 000 t geschätzten jährlichen Weltbedarfs.
Bei so viel Zukunftsmusik stellt sich natürlich die Frage, warum sich das Metalysis-Verfahren nicht noch viel schneller auf breiter Front durchsetzt. Am mangelnden Kapital kann es wohl kaum liegen. Denn zu den zahlreichen Geldgebern, die sich bisher bei Metalysis engagiert haben, zählt auch BHP Billiton, der größte und reichste Bergbaukonzern der Welt.
BHP Billiton sieht sich mit dem Metalysis-Verfahren auch schon an der Spitze des metallurgischen Fortschritts. Dabei betont der australisch-britische Rohstoffgigant allerdings, dass stets viel Zeit ins Land geht, ehe ein Verfahren, wie Metalysis es gefunden hat, vom Pilotprojekt zur großtechnischen Anlage gereift ist.
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