Seit 100 Jahren ist Edelstahl weltweit auf Erfolgskurs
Stahl hat schon lange einen hohen Stellenwert in der industriellen Entwicklung. Doch erst als es gelang, seine Widerstandskraft gegen Korrosion zu optimieren, erwies sich der Werkstoff als Multitalent für Industrie, Architektur und Medizin. Vor 100 Jahren – am 18. Oktober 1912 – erhielt der im Essener Forschungslabor von Krupp entwickelte nichtrostende Stahl Patentschutz. Bis heute hat die Edelstahlfamilie ihren hohen Stellenwert weiter ausbauen können und ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken.
Platin, Gold und Silber haben von Natur aus die Eigenschaft, korrosionsbeständig zu sein. Doch sind solche Edelmetalle auf Erden selten und entsprechend teuer. Eisenerz gab und gibt es dagegen in deutlich größeren Mengen und schon in vorchristlichen Zeiten verarbeiteten Menschen es zu Stahl. Aber dieser Werkstoff hatte einen Nachteil: Er rostet.
Damit wollten sich viele Naturwissenschaftler nicht abfinden, auch nicht der Physiker Benno Strauß und sein Mitarbeiter Eduard Maurer zu Anfang des 20. Jahrhunderts. Vier Jahre lang forschten sie im Essener Labor der Krupp-Werke nach einer Lösung und fanden endlich die Formel für nichtrostende, wasser- und feuchtigkeitsunempfindliche Stähle. Am 18. Oktober 1912 erteilte das Kaiserliche Patentamt das Patent zur „Herstellung von Gegenständen, die hohe Widerstandskraft gegen Korrosion erfordern“.
Ohne die von weiteren Naturwissenschaftlern schon zuvor im 18. und 19. Jahrhundert gewonnenen Erkenntnisse, wie etwa des schwedischen Chemikers Axel Cronstedt, der im Jahre 1751 das Element Nickel entdeckte, wäre der Durchbruch allerdings kaum gelungen. Der französische Apotheker und Chemiker Nicolas-Louis Vauquelin, kam dann 1797 dazu dem Element Chrom auf die Spur. Auch der Metallurge Leon Guillet (1873–1946) leistete mit seinen wissenschaftlichen Abhandlungen über Eisen-, Chrom- und Nickellegierungen wichtige Vorarbeit für die Erfindung des nichtrostenden Stahls. Und der Deutsche Philipp Monnartz veröffentlichte schließlich 1911 seine 34-seitige „Studie über Eisen-Chromlegierungen unter besonderer Berücksichtigung ihrer Widerstandsfähigkeit gegen Säuren“.
Strauß und Maurer gelang danach ein entscheidender weiterer Schritt: Sie senkten den Kohlenstoffanteil auf unter 1 %. Erstmals kombinierten sie Chrom und Nickel als Legierungsstoffe und entwickelten ein geeignetes Verfahren zur Wärmebehandlung, um Korrosionsverhalten und Festigkeit des Stahls zu verbessern.
„Der englische Forscher Harry Brearley hatte 1912 bei 13 %igen Chromstählen ähnliche Eigenschaften wie im Krupp-Labor festgestellt“, erläutert Ulrich Albrecht-Früh, Technikvorstand der Inoxum-Gruppe von ThyssenKrupp, deren geplante Übernahme durch den finnischen Konzern Outokumpu von der EU-Kommission gerade geprüft wird. Man habe allerdings vorher gewusst, dass reines Chrom von Wasser und Luft nicht angegriffen wird. Nun hätte sich gezeigt, dass diese Eigenschaften des Chroms auch in vielen seiner Legierungen erhalten blieben. Jedoch sei die Einführung dieser Stähle in der Praxis daran gescheitert, dass hochlegierte Chromstähle schwierig in der Weiterverarbeitung waren.
Die Innovation von Strauß und Maurer war erst der Anfang weiterer Veredlungen des Stahls. „In den vergangenen 100 Jahren gab es viele Weiterentwicklungen beim Edelstahl“ erklärt Albrecht-Früh und verweist dabei auf weitere Verbesserungen etwa hinsichtlich Korrosionsbeständigkeit, Oberflächenausprägung und Schweißeignung. „Die erste industrielle Anwendung“, so der Stahlexperte, „gab es im Bereich Chemie- und Anlagenbau, heute findet man den Werkstoff überall in unserem täglichen Leben.“
Als „Meilenstein“ betrachtet der Technikvorstand die Eintragung der Weltmarke „Nirosta“ (Nichtrostender Stahl) im Jahre 1922. „Dieser Werkstoff 1.4301 war der erste kommerziell produzierte nichtrostende Stahl und macht heute gut ein Drittel der weltweiten Edelstahlproduktion aus“, so Albrecht-Früh.
Bis heute hat Edelstahl seinen hohen Stellenwert behalten. Ein Parameter dafür ist der alljährlich vergebene Stahl-Innovationspreis. Hier ging am 27. Juni in Düsseldorf der Sonderpreis „Klimaschutz mit Stahl“ an den in Mecklenburg-Vorpommern ansässigen Pumpenhersteller Strebe, Wusterhusen, für die Entwicklung der Venturi-Edelstahlsonde für Grundwasserwärmepumpen.
Der Siegeszug des Edelstahls lässt sich auch an der weltweiten Produktion ablesen. Waren es anfangs nur ein paar Tausend Kilogramm, die jährlich hergestellt wurden, so erreichte die Produktion 1950 die 1-Mio.-t-Marke. Laut Berechnungen des International Stainless Steel Forum (ISSF) hat sich die Produktion zwischen 1970 und 2011 von 3 Mio. t/a auf über 32 Mio. t/a mehr als verzehnfacht und dabei einen neuen Rekordwert erreicht. LARS WALLERANG
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