Shell darf in der Arktis nach Öl bohren
Eine US-Behörde hat Shell Probebohrungen in der arktischen Tschuktschensee genehmigt. Umweltschützer sind darüber empört: Sie werfen der US-Regierung vor, ihre eigene Einschätzung der großen Gefahren für die Umwelt zu ignorieren.
In der Arktis lagern nach Schätzung der wissenschaftlichen Behörde US Geological Survey fast ein Drittel der noch unentdeckten Gasvorräte der Welt und immerhin 13 Prozent des Erdöls. Kein Wunder also, dass Konzerne wie Shell diese Vorkommen ausbeuten wollen. Doch wegen der rauen Wettbedingungen gilt das Risiko für schwere Unfälle als besonders hoch.
Das sehen nicht nur Umweltschützer so, sondern auch die US-Behörden, die für einen Großteil der Region, um die es geht, zuständig sind. Auf 75 Prozent schätzt eine Studie die Wahrscheinlichkeit für einen oder mehrere schwere Unfälle, wenn tatsächlich systematisch Öl in der arktischen Tschuktschensee gefördert wird.
Noch ist es nicht so weit, aber Shell hat einen entscheidenden Schritt dahin getan. Die Plattform Polar Pioneer und das Bohrschiff Noble Discoverer sind schon auf dem Weg in die Region. Und das Bureau of Ocean Energy Management (BOEM), das dem US-Innenministerium untersteht, hat nun die geplanten Probebohrungen etwa 120 Kilometer vor der Küste Alaskas tatsächlich genehmigt. Unter Bedingungen zwar, aber die sind nach Ansicht von Umweltschützern sinnlos.
Erinnerung an die Exxon Valdez
Das BOEM hat die Erlaubnis vor allem an eine Voraussetzung geknüpft: Die Auswirkungen auf Tier- und Pflanzenwelt, besonders auf bedrohte Arten, müssen vorher genau untersucht worden sein. Wie das zu geschehen hat, ist allerdings unklar. Shell seinerseits versichert, dass man besondere Anstrengungen unternehme, um die Exploration zu sichern. 50 Jahre Erfahrung bei Bohrungen auf See würden hier einfließen, erklärt der amerikanisch-niederländische Konzern.
Auf Erfahrungen verweisen indes auch Umweltschützer. Aber eben schlechte: Schon die Havarie der Öltankers Exxon Valdez im Jahr 1989, bei der 37.000 Tonnen Rohöl ausliefen und mehr als 2.000 Kilometer Küste verseuchten, habe gezeigt, wie gefährlich die Bedingungen vor Alaska seien. Und: „Im Jahr 2012 havarierten ein Bohrschiff sowie eine Bohrplattform von Shell – nur mit Glück kam es nicht zu großflächigen Verschmutzungen“, sagt Larissa Beumer, Arktis-Expertin von Greenpeace. Sechs Aktivisten der Umweltorganisation besetzten im April eine Woche lang die Polar Pioneer, bevor sie die Plattform wegen schlechten Wetters aus Sicherheitsgründen wieder verlassen mussten.
Bohrungen auch vor Grönland, Russland und Norwegen
Genau solch schweres Wetter ist das Hauptrisiko bei Bohrungen in der Tschuktschensee. Das US-Innenministerium hat deshalb im Februar besondere Regelungen für diese Region angekündigt. „Diese Regeln vertiefen den wohlüberlegten Zugang der Regierung zu einer ausgewogenen Öl- und Gasgewinnung in der Arktis“, sagte damals Innenministerin Sally Jewell. Greenpeace und andere Organisationen nennen das schlicht unverantwortlich.
Shell seinerseits schielt nicht nur auf die Vorkommen vor Alaska. Auch in arktischen und subarktischen Gebieten vor Grönland, Norwegen und Russland laufen Probebohrungen und teilweise schon systematische Gasförderung. Langfristig können auch die riesigen Vorkommen an anderen Rohstoffen in der Arktis, wie Metalle und so genannte Seltene Erden, für die Ausbeutung interessant werden. (LINK)
Eisdecke nimmt immer mehr ab
Eines der größten Probleme dabei sehen Umweltschützer darin, dass es keine Methode gebe, um ausgelaufenes Erdöl aus eisbedeckter See zu bergen. Bei einem Unfall müsse man womöglich monatelang zusehen, wie die Natur verseucht wird. Die Frage nach dem Eis wirft allerdings noch ein anderes Schlaglicht auf das Thema: Erst in den vergangenen Jahren ist die Arktis für Öl- und Gaskonzerne wieder interessant geworden – gerade weil sie, bedingt durch den Klimawandel, in den Sommermonaten immer länger eisfrei ist. Nach Berechnungen des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung hat die Eisbedeckung in der Arktis – gemessen jeweils im September – seit 1978 pro Jahrzehnt um jeweils elf Prozent abgenommen.
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