Sternstunden des Spezialwerkstoffs Glaskeramik
Entwickelt für die Weltraumforschung, hat Glaskeramik, wie gerade auf der Messe „glasstec“ zu sehen, unseren Alltag erobert. Dank seiner thermischen Nullausdehnung eignet sich der Werkstoff für zahlreiche Anwendungen. Etwa für Wafer-Stepper, die Nanomesstechnik oder die Spiegel astronomischer Teleskope, bei denen höchste Präzision gefragt ist. In der Solartechnik steigen die Wirkungsgrade dank innovativer Produktionstechnik.
Messe Glasstec: Der Mainzer Solarhersteller Schott Solar präsentierte auf der Düsseldorfer Messe „glasstec“ (28. 9. bis 1. 10. 10) u. a. ein neues Verfahren, für die großindustrielle Produktion multikristalliner Hochleistungssolarzellen. Diese in einem industriellen Umfeld gefertigten Solarzellen erreichen Wirkungsgrade von über 18 %. Kombiniert mit einer optimierten Modultechnologie wurde ein vom ESTI (European Solar Test Installation) unabhängig bestätigter Rekordwirkungsgrad von 17,6 % auf der Aperturfläche erreicht.
Die für das Rekordmodul verwendeten Solarzellen weisen eine Frontseite auf, die dem heutigen Standard in der industriellen Fertigung entspricht. Die Rückseite dagegen ist mit einer Kombination von unterschiedlichen dielektrischen Schichten mit lokalen Kontakten passiviert, in der Fachwelt auch bekannt als PERC-Struktur.
Ausgangsmaterial sind kommerziell verfügbare 180 µm bis 200 µm dicke multikristalline Siliciumwafer der Firmentochter Schott Solar Wafer GmbH. in der Standardgröße von 156 mm ×156 mm. Für ein konventionelles Layout mit 60 multikristallinen Zellen konnte ein weltweit bisher unerreichter Rekordwirkungsgrad von 17,6 % bestätigt werden.
Dank winzigen Keramikkristallen übersteht Glaskeramik Thermoschocks von mehreren Hundert Grad
Diese Assoziation drängt sich kaum noch auf, wenn wir das Flammenspiel durch eine große Kaminsichtscheibe aus „Robax“ beobachten. Oder wenn wir die heiße Pfanne vom glänzenden „Ceran“-Kochfeld nehmen. Und doch verdanken wir diese heute alltäglichen Produkte der Weltraumforschung. Ihre Basis bildet „Zerodur“, eine Glaskeramik, die der Mainzer Technologiekonzern Schott 1968 zur Herstellung großer Spiegelträger für Astronomieteleskope entwickelte.
Charakteristisch für Glaskeramiken ist, dass sie einen Wärmeausdehnungskoeffizienten von nahezu null besitzen. Bei sehr guter mechanischer Festigkeit übersteht das Material selbst Thermoschocks von mehreren Hundert Grad. Seine einzigartige Eigenschaft verdankt der hybride Werkstoff winzigen Keramikkristallen. Sie ziehen sich bei Erwärmung zusammen und wirken so der Wärmeausdehnung des Glases entgegen. Die Mischung aus Glas und Kristall kann im Produktionsprozess exakt eingestellt werden.
Großteleskope setzen auf Glaskeramik-Eigenschaften
„Zerodur“ ist bei hochpräzisen Anwendungen in der Astronomie, Lithografie, Messtechnik, Mechanik sowie in optischen Systemen im Einsatz. Durch CNC-Bearbeitung lassen sich komplexe Geometrien und Leichtgewichtsstrukturen erzielen. Das Material wird in höchster Qualität im industriellen Maßstab hergestellt. Das ist besonders bei den Spiegelträgern für die nächste Generation von Großteleskopen relevant, bei denen es auf höchste Homogenität und Reproduzierbarkeit der Glaskeramikeigenschaften ankommt.
Das Thirty Meter Telescope (TMT) und das European Extremely Large Telescope (E-ELT) sollen 2018 den wissenschaftlichen Betrieb aufnehmen. Beim TMT auf Hawaii setzt sich der Hauptspiegel aus 492 aktiv steuerbaren Glaskeramik-Hexagonen mit je 1,4 m Durchmesser zusammen. Beim E-ELT in Chile sollen 1148 Hexagone einen Spiegel mit einem Durchmesser von gigantischen 42 m formen.
Ein Beitrag von: