Neue Metamaterialien 25.03.2025, 12:55 Uhr

Twist statt Knick für bessere elastische Energieaufnahme

Neue Metamaterialien speichern elastische Energie deutlich effizienter – möglich macht das ein spiralförmiger Verformungsmechanismus.

Metamaterial

Das Modell zeigt die spiralförmige Verformung des Metamaterials. Dank dieses Mechanismus lässt sich eine große Menge Energie speichern, ohne dass es zu Brüchen kommt.

Foto: IAM, KIT / Collage: Anja Sefrin, KIT

In vielen technischen Anwendungen spielt die Speicherung mechanischer Energie eine entscheidende Rolle. Ob als Puffer bei Kollisionen, als Feder in Maschinen oder als flexibles Element in Robotiksystemen – immer geht es darum, Bewegungsenergie so aufzunehmen, dass sie später kontrolliert wieder abgegeben werden kann. Dafür müssen Materialien elastisch verformbar und gleichzeitig stabil sein. Genau hier liegt die Herausforderung: Eine hohe Steifigkeit zu erreichen, ohne die Rückverformbarkeit zu verlieren.

Ein Forschungsteam unter Leitung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) hat nun Metamaterialien entwickelt, die genau diese Eigenschaften vereinen. Möglich wird das durch eine spezielle Struktur mit spiralförmig verformten Stäben.

Widersprüchliche Anforderungen in Einklang bringen

Peter Gumbsch, Professor für Werkstoffmechanik am KIT, beschreibt das Grundproblem so: „Die Schwierigkeit besteht darin, widersprüchliche Eigenschaften zu kombinieren: hohe Steifigkeit und große rückstellbare Verformung bei limitierter Festigkeit.“ In der Praxis bedeutet das: Das Material muss stark belastbar sein, darf sich aber unter dieser Belastung nicht dauerhaft verformen oder sogar brechen.

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Die neuen Metamaterialien basieren auf einem Mechanismus, der gezielt Torsion – also Verdrehung – nutzt, um Energie zu speichern. Diese Methode unterscheidet sich deutlich von klassischen Biegesystemen, wie sie etwa in herkömmlichen Federn zum Einsatz kommen.

Twist statt Biegung

Klassische mechanische Strukturen speichern Energie durch Biegung oder Kompression. Dabei entstehen an den Außenseiten hohe Spannungen, während das Innere des Materials kaum beansprucht wird. Diese ungleichmäßige Belastung führt schnell zu Materialversagen oder dauerhafter Verformung.

Das Forschungsteam hat deshalb einen anderen Ansatz gewählt: Wird ein Stab verdreht statt gebogen, entsteht eine spiralförmige Verformung. Die Spannungen verteilen sich gleichmäßiger über das gesamte Material. Dadurch kann mehr Energie aufgenommen werden – ohne die Struktur zu überlasten.

Die Forschenden integrierten diese verdrehten Stäbe in ein größeres Gefüge: ein sogenanntes Metamaterial. Dabei handelt es sich um künstlich aufgebaute Werkstoffe, deren Eigenschaften sich nicht aus dem Basismaterial allein ergeben, sondern aus der gezielten Anordnung ihrer Bausteine.

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Chirale Metamaterialien mit hoher Enthalpie

Im Zentrum stehen sogenannte chirale Metazellen – Struktureinheiten, bei denen zwei Ringe durch schräg verlaufende Verbindungsstäbe verbunden sind. Diese „chiral arms“ verdrehen sich bei Belastung und erzeugen dabei eine komplexe Kombination aus Torsion, Biegung und Kompression.

Das Ergebnis: Die Energie verteilt sich über mehrere Verformungsmodi, was die speicherbare Energiemenge erheblich erhöht. In Simulationen und praktischen Versuchen zeigte sich: Die Enthalpie – also die gespeicherte Energiedichte – liegt zwei- bis 160-mal höher als bei herkömmlichen Materialien ähnlicher Bauart.

Praktischer Nachweis durch Experimente

Um die theoretischen Modelle zu überprüfen, stellten die Forschenden 3D-gedruckte Prototypen her – aus Gummi und aus Titan. Diese testeten sie in einfachen Druckexperimenten. Das Ergebnis war eindeutig: Selbst bei zyklischer Belastung – also bei wiederholtem Zusammendrücken und Entlasten – behielten die Strukturen ihre Form und Leistung.

Im Vergleich zu konventionellen Gittersystemen wie Prisma- oder Tensegrity-Strukturen ergab sich eine deutlich höhere Buckling-Festigkeit. Das bedeutet: Die neuen Metamaterialien widerstehen dem typischen seitlichen Ausknicken unter Druck wesentlich besser.

Mögliche Anwendungen: Von Robotik bis Luftfahrt

Der Einsatzbereich für solche Materialien ist vielfältig. Überall dort, wo mechanische Energie aufgenommen und kontrolliert wieder freigesetzt werden soll, könnten sie zum Einsatz kommen. Denkbar sind etwa:

  • Stoßdämpfer in Fahrzeugen
  • Elastische Gelenke in Robotersystemen
  • Federsysteme in energieeffizienten Maschinen
  • Vibrationsisolatoren mit hoher Tragfähigkeit
  • Leichtbaustrukturen in der Luft- und Raumfahrt

Peter Gumbsch betont: „Unsere neuartigen Metamaterialien mit hoher elastischer Energiespeicherkapazität könnten in Zukunft in verschiedenen Bereichen zum Einsatz kommen, in denen eine effiziente Energiespeicherung und zugleich außergewöhnliche mechanische Eigenschaften gefragt sind.“

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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