Überraschende Erkenntnisse über die Belastbarkeit von Keramikbeschichtungen
Ein neues Forschungsprojekt hat gezeigt: Das Materialverhalten von Keramik lässt sich nicht mit dem von Metall vergleichen. Das gilt besonders für extrem dünne Schichten. Forschende der TU Wien fanden heraus: Materialermüdung ist bei Keramikbeschichtungen überhaupt kein Thema.
Keramik ist nicht nur ein ganz typischer Alltagsgegenstand, den man gern für Geschirr, Zahnfüllungen, Fliesen, Dachziegel oder Sanitäranlagen verwendet, sondern auch häufig genutztes Material in der Kunst. Im technischen Umfeld wird dieser Werkstoff ebenfalls sehr häufig eingesetzt, zum Beispiel in Verbindung mit Metallen. Keramik dient dann als Beschichtung und soll so das Metall deutlich widerstandsfähiger gegen Hitze oder Korrosion machen. Das ist wichtig zum Beispiel für große Schaufeln von Turbinen oder Werkzeuge in der Produktionstechnik, die ganz besonders beansprucht werden. Die Keramikschicht stellt praktisch einen zusätzlichen Schutzmantel dar. Forschende der Technischen Universität Wien (TU Wien) wollten nun wissen: Was genau macht solche Schichten eigentlich so widerstandsfähig? Gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am Synchroton DESY in Hamburg fanden sie auf diese Frage eine interessante Antwort, die so nicht zu erwarten war.
Langzeit-Werkstoffdaten für die Simulation nutzbar machen
Das Forschungsprojekt hat gezeigt, dass Materialermüdung bei Keramik keine Rolle spielt. Vielmehr sind es Belastungsspitzen, die dem Werkstoff zusetzen. Materialermüdungseffekte tauchen in der Technik immer wieder auf und sind für Forschende keine Neuigkeit. Bisher wenig erforscht sind die Auswirkungen von Belastungen auf dünne Schichten. „Keramische Beschichtungen sind oft nur wenige Nanometer dick, sie verhalten sich völlig anders als ein solides Stück Keramik“, sagt Lukas Zauner. Er gehört zur Forschungsgruppe Oberflächentechnik am Institut für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnologie der TU Wien, die sich mit dieser Frage beschäftigt.
Forschende setzten die Keramikschichten extremen Belastungstests aus
Extrem dünne Schichten, mit denen Bauteile überzogen sind, lassen sich nicht auf die bisher herkömmliche Art und Weise untersuchen. So entwickelte die Forschungsgruppe an der TU Wien neue Messmethoden. Sie testete das Keramik allein, normalerweise wird es gemeinsam mit dem Metall untersucht. Dafür stellten sie ganz besonders dünne Proben her und nutzten verschiedene keramische Materialien. Sie konzentrierten sich auf die, die in der Dünnschichttechnik hauptsächlich zum Einsatz kommen. Die Proben wurden dann diversen und vor allem sehr häufig wiederkehrenden Belastungen ausgesetzt – bis zu zehn Millionen Mal.
Da die Forschenden ganz genaue Ergebnisse erhalten wollten, zogen sie Kolleginnen und Kollegen am Synchroton des DESY in Hamburg hinzu. Denn dort gibt es Geräte mit besonders fokussierten Röntgenstrahlen. Mit diesen Geräten lassen sich die Proben während der Belastungstests bis ins kleinste Detail untersuchen. „Standard-Keramiken würden nach bestimmten Mustern ermüden, ähnlich wie man das auch von Metallen kennt. Aber diese extrem dünnen Schichten, die wir mit unserer Technik untersuchen können, zeigen dieses Verhalten nicht. Ihre Mikrostruktur ist am Ende dieselbe wie am Anfang“, sagt Helmut Riedl, Leiter der Oberflächentechnik-Gruppe an der TU Wien.
Keramikschichten altern und ermüden nicht
Aus den Ergebnissen ziehen die Forschenden folgende Schlüsse: Einzig und allein die Bruchfestigkeit bestimmt die Haltbarkeit der dünnen Schichten. Denn sobald eine für das Material charakteristische Belastungsgrenze überschritten wird, ist die Schicht kaputt. Das geschieht von einer Sekunde zur anderen und ist nicht mehr rückgängig zu machen. Bleibt man allerdings unterhalb der charakteristischen Belastungsgrenze, lassen sich die Keramikschichten praktisch unbegrenzt nutzen. Sie zeigen keine Alterungs- oder Ermüdungseffekte.
Die Forschergruppe hat mit diesem Ergebnis nach eigenen Auffassungen neue Möglichkeiten eröffnet: Nun ließe sich gezielt nach keramischen Schichten suchen. „Man muss keine langwierigen Langzeit-Tests machen, es genügt, durch einen simplen Belastungstest herauszufinden, welches Material bei welcher Krafteinwirkung zu Bruch geht. Man muss sich keine Gedanken darüber machen, wie sich eventuell Ermüdungseffekte im Material lindern lassen, man muss bloß Materialien mit möglichst hoher Bruchzähigkeit finden“, sagt Helmut Riedl. Die Gruppe hat im Rahmen ihres Forschungsprojekts sogar einen Werkstoff identifiziert, der besonders widerstandsfähig ist: Chromdiborid stach innerhalb der Testreihe deutlich hervor. Möglicherweise schließt die Forschergruppe nun weitere Tests an, um diesen Werkstoff noch eingehender zu untersuchen.
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