100 Prozent Recycling 01.09.2023, 10:04 Uhr

Vom Reißen bis zum Spinnen: Hochwertige Garne aus alten Textilien

In der Textilbranche herrscht häufig Skepsis, ob geschlossene Kreisläufe, also cradle to cradle, machbar sind. Eine Forschungsarbeit des Deutschen Instituts für Textil- und Faserforschung zeigt jedoch, dass es durchaus möglich ist, aus gebrauchten Textilien hochwertige Garne herzustellen.

Garn und Gestrick aus 100 Prozent recyceltem Aramid

Garn und Gestrick aus 100 Prozent recyceltem Aramid.

Foto: DITF

Um die Kreislauffähigkeit der Textilindustrie zu erhöhen, sollen aus Alttextilien hochwertige Garne gewonnen werden, die wiederum in ebenso hochwertige Produkte einfließen. Doch das ist nicht einfach. Die Herausforderung besteht darin, für jedes Material die optimale Aufbereitungstechnik zu finden, angefangen vom Faseraufschluss bis hin zum Spinnprozess. Um diese komplexe Aufgabe zu lösen, haben die Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf (DITF) gemeinsam mit dem Sächsischen Textilforschungsinstitut e.V. (STFI) eine neue Prüfroutine entwickelt.

Zerkleinern der Alttextilien durch mechanisches Reißen

Der erste Schritt beim Recycling von Textilien ist das mechanische Zerreißen, bei dem die Alttextilien in kleinere Stücke zerlegt werden. Dieser Prozess kann jedoch die Textilfasern beschädigen, und einige Fasern werden so kurz, dass sie den anschließenden Spinnprozess erschweren. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, haben die Forschenden eine Prüfroutine entwickelt. Mit einem speziellen Messgerät werden die Fasern nach dem Zerkleinern klassifiziert.

Die Faserlänge ist ein entscheidender Faktor sowohl für die weitere Verarbeitung als auch für die Qualität des am Ende aus Recyclingfasern hergestellten Garns. Ein Problem beim Messen der Faserlänge ist das Vorhandensein von Garnstücken im zerkleinerten Material, die in der Regel länger als die einzelnen Fasern sind und somit die Messergebnisse verfälschen können. Mit dem neu entwickelten Versuchsaufbau ist es nun möglich, diese Garnstücke nahezu ohne weitere Kürzung der Fasern zu entfernen. Dadurch kann die Faserlängenverteilung im Rezyklat exakt gemessen werden.

Auf Basis der gewonnenen Prüfergebnisse lassen sich die Parameter des Reißprozesses nun genauer auf das jeweilige Ausgangsmaterial abstimmen. Das Ergebnis ist eine geringere Faserkürzung, was wiederum die Herstellung von qualitativ höherwertigen Garnen ermöglicht. Um die optimalen Bedingungen für den Recyclingprozess zu ermitteln, wurden statistische Methoden eingesetzt. Diese Analyse lieferte wertvolle Kennzahlen für das ideale Recyclingmaterial und half auch, die besten Einstellungen und Hilfsmittel für den Spinnprozess zu ermitteln.

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Eingelegte Fasern in der Klemme die in das Messgerät eingelegt wird

Eingelegte Fasern in der Klemme, die in das Messgerät eingelegt wird.

Foto: DITF

Herstellen von neuen Garnen aus Recyclingmaterialien

Nach der Aufbereitung wurden die Recyclingmaterialien zu Ring- und Rotorgarnen verarbeitet. Für die Herstellung von Ringgarn hat sich das Kompaktspinnverfahren als besonders geeignet erwiesen. Dieses Verfahren bindet die oft schon verkürzten Recyclingfasern besser ein, wodurch das fertige Garn an Festigkeit gewinnt. Mit den neuen Prüfroutinen und den daraus resultierenden optimierten Verarbeitungsprozessen gelang es, reine Garne aus 100 Prozent recycelten Aramidfasern herzustellen.

Diese Garne wurden dann zu Strickwaren weiterverarbeitet. Angesichts der hohen Kosten für Aramidfasern bietet dieses Verfahren den Vorteil der Kosteneffizienz und erhöht zudem die Nachhaltigkeit durch Ressourceneinsparung. Der Begriff „Aramid“ setzt sich aus den Wörtern „aromatische Polyamide“ zusammen und bezeichnet eine Kategorie technischer Textilien. Diese sind insbesondere für ihre außergewöhnliche Festigkeit und Wärmebeständigkeit bekannt. Aus dem Material werden zum Beispiel Schusswesten, Membrane oder feuersichere Schutzkleidung hergstellt.

Kein hundertprozentiges Recycling erreichten die Forschenden bei Baumwolle. Bei Baumwollfasern konnte anfänglich eine Mischung aus 80 Prozent Primärfasern und 20 Prozent recycelten Fasern versponnen werden. Am Ende des Projekts wurde der Anteil der recycelten Fasern bei Baumwolle sogar auf bis zu 70 Prozent gesteigert. Ein Recyclen ist somit auch bei „Alltagskleidung“ wie Hosen, T-Shirts oder Pullovern möglich.

Aus Stroh lässt sich kein Gold spinnen

In der Textilindustrie wird oft bezweifelt, dass geschlossene Kreisläufe realisierbar sind. Es wird sogar die Frage gestellt, ob die Verbrennung von Alttextilien zur Energiegewinnung nicht ebenso nachhaltig sei. Forschungsarbeiten der DITF und des STFI zeigen jedoch, dass eine 100-prozentige Wiederverwertung von Recyclingmaterialien durchaus möglich ist.

Wichtig ist dabei der anwendungsorientierte Einsatz der Garne. Das bedeutet, dass nicht jedes Garn aus Recyclingfasern universell einsetzbar ist, zumal der Reißprozess zwangsläufig zu Qualitätseinbußen, z.B. bei der Garnfestigkeit, führt. Ein weiterer entscheidender Faktor für die Qualität des Recyclinggarnes ist die Beschaffenheit des Ausgangsmaterials. Besteht das Alttextil aus einer Vielzahl unterschiedlicher Materialien, muss zunächst ein aufwändiger Trennprozess durchgeführt werden.

Mit anderen Worten: Auch in der Textilrecyclingbranche kann aus minderwertigen Materialien kein hochwertiges Endprodukt hergestellt werden. Aus Stroh lässt sich immer noch kein Gold spinnen. „Die Recyclingquote ist ein wichtiges Kaufkriterium, aber man muss die Qualität des Produkts und die Anwendung im Blick behalten“, ist das Fazit von wissenschaftlicher Markus Baumann, Mitarbeiter im Projekt.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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