Wie beim Menschen: Maschinen bilden Schmierstoff künftig selbst
Forschende der TU Wien haben einen High-Tech Schmierstoff entwickelt, der sich bei Bedarf von selbst bildet. Spezielle 2D-Materialien funktionieren auch dort, wo flüssige Schmierstoffe versagen. Maschinen können sich dadurch künftig ganz allein schmieren.
Wir Menschen haben bewegliche Gelenke, die geschmiert werden müssen, damit sie nicht verschleißen. Die erforderlichen Schmierstoffe produziert der Körper auf natürliche Weise und bei Bedarf. Ähnliches ist nun auch bei Maschinen möglich, das hat die Technische Universität (TU) Wien gezeigt.
2D-Materialien funktionieren dort, wo flüssige Schmierstoffe versagen
An der TU Wien wurde erfolgreich eine Methode entwickelt, um die Reibung in mechanischen Systemen durch spezielle 2D-Materialien effektiv zu reduzieren. Dieser Durchbruch ist insbesondere für die Weltraumtechnik von großer Bedeutung.
Ähnlich wie unser Körper benötigen auch Maschinen geeignete Schmierstoffe, um die Bewegung ihrer Gelenke reibungsarm und verschleißfrei zu halten. Bisher war es jedoch schwierig, für bestimmte Anwendungen im Weltraum geeignete Schmiermittel zu finden, da herkömmliche flüssige Schmierstoffe versagen und eine Wartung nicht möglich ist.
Durch die gezielte Auswahl spezieller Materialien ist es nun möglich, dass sich bei mechanischer Belastung automatisch Schmierstoffe bilden, die die Reibung signifikant reduzieren. Interessanterweise entstehen diese Schmierstoffe genau an den Stellen, an denen die Reibung am höchsten ist. Es handelt sich also um ein selbstregulierendes System, bei dem hohe Reibung zu einer natürlichen Verringerung der Reibung führt.
Die Theorie hinter 2D-Schmierstoffen
Die Tribologie, ein wissenschaftlicher Zweig, der sich mit Reibung und Verschleiß beschäftigt, arbeitet seit einigen Jahren intensiv an der Erforschung von sogenannten 2D-Materialien. Genauer gesagt gehet es um winzige Partikel, die lediglich aus einer oder wenigen Atomschichten bestehen. Beispiele für solche Materialien sind Molybdändisulfid oder Molybdändiselenid, bei denen eine Schicht aus Molybdän-Atomen von Schwefel- oder Selen-Atomen umgeben ist.
Dr. Philipp Grützmacher vom Institut für Konstruktionswissenschaften und Produktentwicklung an der TU Wien erklärt: „Solche ultradünnen Plättchen können mit sehr wenig Widerstand übereinander gleiten. Daher sind diese Materialien ein hervorragender Schmierstoff.“ Grützmacher ist Teil des Teams von Prof. Carsten Gachot, der die Tribologie-Forschung an der TU Wien leitet.
Im Gegensatz zu herkömmlichen flüssigen Schmierstoffen wie Öl können 2D-Materialien in Pulverform verwendet werden. Dies bietet einen großen Vorteil in Situationen, in denen Maschinen bei hohen Temperaturen oder im Vakuum betrieben werden, wo Flüssigkeiten schnell verdampfen würden. „Deshalb spielen solche Schmierstoffe ganz besonders in der Weltraumtechnik eine wichtige Rolle, sie wurden etwa beim James-Webb-Weltraumteleskop verwendet“, sagt Carsten Gachot.
Allerdings sind solche Materialien unter normalen Bedingungen auf der Erde schwer zu handhaben, da sie mit Sauerstoff oder Luftfeuchtigkeit in Kontakt kommen und oxidieren können, wodurch sie unbrauchbar werden. Philipp Grützmacher erklärt: „Optimal ist also ein 2D-Material, das genau dort erst entsteht, wo es gebraucht wird.“ Und genau das ist den Forschenden nun gelungen.
So funktionieren die 2D-Schmierstoffe
Um ein mechanisches Bauteil aus Stahl mit einem wirksamen Schmierstoff zu versehen, bedient man sich einer einfachen Methode: Eine dünnere Schicht aus Molybdän wird aufgetragen, gefolgt von der Zugabe von Selen in Pulverform. Dr. Grützmacher erklärt: „Bei mechanischer Beanspruchung, etwa wenn zwei solche Bauteile aneinander reiben, kommt es zu einer tribochemischen Reaktion, Selen und Molybdän verbinden sich zu Molybdändiselenid-Flakes, die dann als Schmierstoff wirken.“
Dr. Grützmacher weiter: „Unsere Messungen zeigen: Sobald starke Reibung auftritt, wird der Schmierstoff produziert, die Reibung nimmt sofort drastisch ab und sinkt im Verlauf des Experiments weiter.“ Durch spezielle bildgebende Verfahren konnte nachgewiesen werden, dass dieser Effekt tatsächlich durch die Bildung von ultradünnen Molybdändiselenid-Schichten verursacht wird.
Im Unterschied zu Beschichtungen aus vorab synthetisierten 2D-Materialien (z. B. MoS2) zersetzen sich die Ausgangsmaterialien, nämlich Molybdän und Selenpulver, bei Kontakt mit Sauerstoff oder Luftfeuchtigkeit nicht. Dadurch erweitert sich der Anwendungsbereich dieses Schmierstoffsystems erheblich. Es hat sich herausgestellt, dass die Technologie nicht nur für Weltraum-Anwendungen interessant ist, sondern auch für zahlreiche andere Einsatzbereiche, in denen flüssige Schmierstoffe Probleme verursachen können. Solche Probleme können zum Beispiel hohe Temperaturen oder potenzielle Verunreinigungen bei Verwendung von Ölen sein. Vorteile haben die 2D-Materialien auch, wenn Prozesse im Vakuum stattfinden.
Ein weiterer wesentlicher Vorzug besteht darin, dass der Schmierstoff genau dort entsteht, wo er benötigt wird, und dies kann jederzeit durch einfaches Zuführen von Pulver wiederholt werden. Dadurch wurde ein deutlich effizienteres Schmierstoffsystem mit längerer Lebensdauer geschaffen.
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