Wie ein Chamäleon: Nanopartikel passen auf Befehl die Struktur an
Forschende entwickeln Nanopartikel, die wie Chamäleons auf äußere Reize reagieren und je nach Bedarf optische, mechanische oder elektronische Eigenschaften annehmen.
Eine der faszinierendsten Eigenschaften der Natur ist ihre Fähigkeit, sich an wechselnde Umgebungen anzupassen. Ein herausragendes Beispiel ist das Chamäleon, das seine Farbe ändert, um sich zu tarnen oder zu kommunizieren. Diese beeindruckende Fähigkeit haben Forschende nun auf die Nanotechnologie übertragen. Sie haben Nanopartikel entwickelt, die auf äußere Reize reagieren und ihre Struktur anpassen können – eine Entdeckung, die die Materialforschung verändern könnte.
Nanopartikel reagieren auf äußere Reize
Forschenden der University of Michigan (U-M) und der Indiana University (IU) ist es gelungen, Nanopartikel so zu modifizieren, dass sie auf äußere Reize wie Licht oder pH-Änderungen reagieren und ihre Struktur umorganisieren. Dies eröffnet die Möglichkeit, intelligente Materialien zu entwickeln, die ihre optischen, mechanischen oder elektronischen Eigenschaften je nach Bedarf verändern können.
„Eines meiner Lieblingsbeispiele für dieses Phänomen in der Natur sind Chamäleons“, sagt Tobias Dwyer, U-M-Doktorand in Chemieingenieurwesen und Mitautor der in Nature Chemical Engineering veröffentlichten Studie. „Chamäleons ändern ihre Farbe, indem sie die Abstände zwischen den Nanokristallen in ihrer Haut verändern. Wir träumen davon, ein dynamisches und multifunktionales System zu entwickeln, das so gut ist wie einige der Beispiele aus der Biologie“.
Die Nanopartikel sind kleiner als Bakterienzellen und wurden in einer speziellen mikrofluidischen Durchflusszelle untersucht. Diese Zelle ermöglicht es, verschiedene Flüssigkeiten in das System einzubringen und gleichzeitig die Reaktion der Partikel in Echtzeit zu beobachten. Das Besondere: Die winzigen Bausteine können sich je nach äußeren Bedingungen von einer geordneten Struktur in ein chaotisches Muster verwandeln – und umgekehrt.
So funktioniert die Chamäleon-Nanotechnologie
Um das Phänomen der sich ändernden Strukturen zu untersuchen, kombinierte das Forschungsteam ein Elektronenmikroskop mit einem speziellen Probenhalter, der mikroskopisch kleine Kanäle enthält. Durch diese Kanäle konnten die Flüssigkeiten manipuliert und die Reaktion der Nanopartikel genau beobachtet werden. Dank dieser Technik konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beobachten, wie sich die würfelförmigen Goldnanopartikel in Abhängigkeit von den Eigenschaften der umgebenden Flüssigkeit strukturiert oder unstrukturiert anordneten.
Ein Schlüsselelement dieser Technologie ist die Fähigkeit, die Partikel durch leichte elektrostatische Abstoßung zu steuern. Diese Abstoßung sorgt dafür, dass sich die Partikel nicht sofort anziehen und verklumpen, sondern in geordnete Strukturen übergehen können.
„Bisher konnte man die Partikel zwar in neue Flüssigkeiten bewegen, aber man konnte nicht in Echtzeit beobachten, wie sie auf ihre neue Umgebung reagieren“, sagt Xingchen Ye, außerordentlicher Professor für Chemie an der IU, der die experimentelle Technik entwickelt hat und der Hauptautor der Studie ist. „Wir können mit diesem Werkzeug viele Arten von Objekten im Nanomaßstab abbilden, z. B. Molekülketten, Viren, Lipide und zusammengesetzte Partikel“.
Zusätzliche Simulationen
Neben den Experimenten führten die Forschenden auch Computersimulationen durch, um die physikalischen Kräfte zu verstehen, die für die Selbstorganisation der Teilchen verantwortlich sind. Diese Simulationen liefern wertvolle Erkenntnisse darüber, wie sich verschiedene Partikel in unterschiedlichen Umgebungen verhalten könnten. Sie bilden die Grundlage für zukünftige Entwicklungen in der Materialwissenschaft.
Durch die Kombination von realen Experimenten und Simulationen hat das Forschungsteam eine Plattform geschaffen, die es ermöglicht, neue dynamische Materialien zu entwerfen und ihre Eigenschaften präzise vorherzusagen. Diese Materialien könnten nicht nur in der Industrie, sondern auch in der Medizin, etwa bei der Entwicklung neuer Medikamente, eine Schlüsselrolle spielen.
„Wir glauben, dass wir jetzt ein ausreichendes Verständnis aller physikalischen Zusammenhänge haben, um vorhersagen zu können, was passieren würde, wenn wir Partikel mit einer anderen Form oder aus einem anderen Material verwenden würden“, so Tim Moore, Mitautor der Studie. Er hat die Computersimulationen zusammen mit Dwyer und Sharon Glotzer entwickelt. „Die Kombination von Experimenten und Simulationen ist aufregend, weil wir jetzt eine Plattform haben, um gemeinsam mit unseren IU-Partnern neue, morphbare Materialien zu entwerfen, vorherzusagen, herzustellen und in Echtzeit zu beobachten“, sagte Glotzer
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