Lernen von der Natur 13.06.2024, 09:24 Uhr

Zementverbundstoff mit Perlmutt-Effekt ist super dehnbar und rissfest

US-Forschende haben einen neuartigen Zementverbundstoff entwickelt, der wesentlich rissfester und dehnbarer ist als herkömmlicher Zement.

Muschel mit Perlmutt

Perlmutt sieht nicht nur schön aus, sondern hat auch einige interessante Eigenschaften, die Zement besser machen könnten.

Foto: PantherMedia / PiLens

Ingenieure der Princeton University haben sich von den Materialien der Austern- und Abalonenschalen inspirieren lassen und einen neuen Zementverbundstoff entwickelt. Genauer gesagt, haben sie sich das in den Schalen enthaltene Perlmutt einmal ewas genauer angeschaut. Der daraus entstandene Zementverbundstoff ist 17-mal widerstandsfähiger gegen Risse als herkömmlicher Zement und kann sich 19-mal mehr dehnen und verformen, ohne zu brechen. Diese Entdeckung könnte die Rissfestigkeit vieler spröder keramischer Materialien, wie Beton und Porzellan, erheblich verbessern.

Von der Natur inspirierte strukturelle Festigkeit

Zement ist im Gegensatz zu Materialien wie Glas, Holz und Stahl von Natur aus spröde und ohne Fasern oder Verstärkungen nicht sehr flexibel. Diese Eigenschaften begrenzen seine Einsatzmöglichkeiten in tragenden Strukturen.

Es gibt jedoch Methoden, um die geringe Bruchzähigkeit und Duktilität von Zement zu verbessern, indem man Polymer-, Glas- oder Metallverstärkungen hinzufügt. Ein bekanntes Beispiel ist Stahlbeton, bei dem Stahleinlagen dem Beton ermöglichen, Zugkräfte aufzunehmen. Laut Forschungsteam steigern diese Techniken jedoch die Energieabsorption und Bruchfestigkeit nur geringfügig, etwa um das Doppelte, und verändern meist die Mikrostruktur der Materialien.

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Verbundwerkstoff nach Vorbild von Perlmutt

Das Team der Princeton University entdeckte, dass das abwechselnde Schichten von dünnem Polymer und gemustertem Zementstein die Duktilität – also die Fähigkeit, sich zu biegen, ohne zu brechen – erheblich verbessert.

Inspiriert von biologischen Materialien, entwickelte die Gruppe einen Verbundwerkstoff, der dem Perlmutt nachempfunden ist. Perlmutt ist eine natürliche Substanz, die in bestimmten Muscheln vorkommt und für ihre bemerkenswerte Stärke und Flexibilität bekannt ist.

So funktioniert Perlmutt

Das Biomineral Perlmutt ist ein Verbundmaterial aus Calciumcarbonat und organischem Material, welches den Tieren als Schutz gegen Fressfeinde dient. Perlmutt besteht zu über 95 % aus dem Mineral Calciumcarbonat und bis zu 5 % aus organischer Materie. Calciumcarbonat wiederum liegt bei Muscheln in der Modifikation Aragonit vor.

Das Aragonit ist in den Muscheln in sechseckigen Plättchen angeordnet, die auf mikroskopischer Ebene durch ein weiches Biopolymer miteinander verbunden sind. Die 3D-Ziegelmörtelstruktur ermöglicht es den Plättchen zu gleiten und das Biopolymer zu verformen, wodurch Energie absorbiert und die Zähigkeit erhöht wird.

Diese Mechanismen, zusammen mit den Nano-Perlen und der Verzahnung der Plättchen, machen Perlmutt trotz seiner spröden Bestandteile widerstandsfähig. „Diese Synergie zwischen den harten und weichen Komponenten ist entscheidend für die bemerkenswerten mechanischen Eigenschaften von Perlmutt“, so Shashank Gupta, Doktorand am Fachbereich für Bau- und Umwelttechnik der Princeton University, in einer Erklärung.

So funktionieren die neuen Zementverbundstoffe

Die Forschenden an der Princeton University nutzten gängige Baumaterialien wie Portlandzement und eine geringe Menge Polymere, um innovative Verbundwerkstoffe nach dem Vorbild von Perlmutt herzustellen. Sie schichteten Zementleimplatten mit Polyvinylsiloxan, einem sehr flexiblen Polymer, und kombinierten so dünne Polymerschichten mit Zementplatten zu mehrschichtigen winzigen Balken.

Um die Rissfestigkeit (auch Bruchzähigkeit genannt) dieser Balken zu testen, führten sie einen gekerbten Dreipunkt-Biegetest durch. Die Forschenden stellten drei verschiedene Arten von Balken her: Erstens solche mit abwechselnden Schichten aus Zementsteinplatten und dünnem Polymer, zweitens solche mit sechseckigen Rillen, die per Laser in die Zementplatten graviert wurden, und drittens Balken mit vollständig getrennten sechseckigen Zementplatten, die durch Polymer verbunden sind und Perlmutt nachahmen. Diese wurden mit einer Referenz aus massivem gegossenem Zementstein verglichen.

Vielversprechende Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigten, dass diese Verbundwerkstoffe die Gleit- und Energieabsorptionsmechanismen von Perlmutt nachahmen. Die Perlmuttnachbildungen erreichten eine 17-mal höhere Bruchzähigkeit und eine um 1791 Prozent höhere Duktilität im Vergleich zu festem Zement.

Diese Zähigkeit resultierte aus der Verformung zwischen den Schichten, der gewundenen Rissausbreitung und dem Gleiten der Plättchen. Durch den Einsatz von Laserbearbeitung und elastomeren Zwischenschichten wurden die mechanischen Eigenschaften des Zements erheblich verbessert und das Ausfallrisiko gesenkt.

Die Forschenden sehen zukünftige Arbeiten darin, verschiedene weiche Materialien für widerstandsfähigere Infrastrukturen zu erkunden, die Rillenformen für eine bessere Defektintegration zu optimieren und die Produktionsmethoden durch integrierte Laminierungs-Laser-Verfahren oder additive Fertigung zu rationalisieren.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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