„Arroganz und Ignoranz“ führten zur Atomkatastrophe in Fukushima
Design- und Regulierungsfehler, ungenaue Gefahrenanalyse sowie „Arroganz und Ignoranz“ haben 2011 zur Katastrophe in Fukushima Daiichi geführt. Zu diesem harten Urteil kommt eine neue Studie, die sich mit der Vorgeschichte des japanischen Atomkraftwerkes beschäftigt. Viele Fehler seien vermeidbar gewesen.
Das größte nukleare Desaster seit der Kernschmelze in Tschernobyl 1986 wäre vermeidbar gewesen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die sich mit der Vorgeschichte, dem Design und den Sicherheitsmaßnahmen des Atomkraftwerks Fukushima Daiichi beschäftigt. 2011 hatte ein Tsunami, ausgelöst durch ein schweres Erdbeben, die Küsten im Nordosten Japans überschwemmt. In Fukushima war das Kühlsystem ausgefallen, woraufhin drei der Reaktorblöcke überhitzten und eine Kernschmelze begann.
Dieselgeneratoren waren der Dreh- und Angelpunkt in der Katastrophe
Die beiden Wissenschaftler Costas Synolakis von der Viterbi School of Engineering der Universität Südkaliforniens und Utku Kânoğlu von der Technischen Universität in Ankara haben sich nun ausführlich mit der Vorgeschichte des Atomkraftwerks beschäftigt. Sie studierten Hunderte von Prüfberichten der Regierung und des Betreibers Tepco sowie Nachrichtenmeldungen nach der Katastrophe. „Die meisten Studien legen den Fokus auf die Reaktion nach dem Unfall und was dann mechanisch passiert ist“, sagt Umwelt-Ingenieur Synolakis. „Wir haben uns mit dem Design des Atomkraftwerks befasst und festgestellt, dass die Diesel-Generatoren der Dreh- und Angelpunkt des Desasters waren. Fukushima war eine sitzende Ente, die auf ihre Flutung wartete.“
Eine „Kaskade von industriellen, regulatorischen und technischen Fehlern“ habe schließlich zu der Situation geführt, in der kritische Infrastruktur in Gefahr war. Im Fall der vier vom Tsunami betroffenen Atomkraftwerke waren das vor allem die Dieselgeneratoren, die bei einem Stromausfall die Anlagen kühlen sollten. In Fukushima Daiichi waren 12 von 13 Dieselgeneratoren weggespült worden. Von den 33 Notleitungen, die zu Generatoren außerhalb der Anlage führten, wurden alle außer zwei zerstört. Eine Kühlung der Reaktoren war nicht mehr möglich.
Tepco hat mögliche Höhe eines Tsunami dramatisch unterschätzt
Der entscheidende Fehler im Design, so die Forscher, sei die Höhe gewesen, in der die Notfallgeneratoren gebaut worden waren. Ein Generator befand sich im Untergeschoss, während die anderen bei 10 und 13 m Höhe über dem Meeresspiegel standen. Außerdem war beim Bau des Atomkraftwerks ein Teil der Klippen abgetragen worden, was die gesamte Anlage näher ans Meer gebracht hatte.
Tepco habe die potenzielle Höhe eines Tsunami dramatisch unterschätzt und sich dabei auf falsche interne Daten verlassen. Frühzeitige Warnungen japanischer Wissenschaftler, die größere Tsunamis für möglich hielten, seien ignoriert worden.
Dabei hatte Tepco selbst 2008 Kalkulationen auf der Basis verschiedener Quellen durchgeführt und war zu dem Schluss gekommen, dass ein Tsunami über 8,4, möglicherweise bis zu 10 m hoch werden könnte. Diese Berechnung war in einer internen Studie 2010 ignoriert und auf 5,7 m reduziert worden. Tepco ging dabei von einer maximalen Erdbebenstärke von 7,5 aus, obwohl es an dieser Küste Japans bereits Beben mit der Magnitude von 8,6 gegeben hatte. Während der Katastrophe 2011 hatte der Tsunami dann schätzungsweise eine Höhe von bis zu 13 m. Hoch genug, um die Dieselgeneratoren und Notleitungen zu überfluten.
Tsunami-spezifisches Training für Ingenieure fehlt
„Das Problem ist, dass alle Studien von Tepco intern durchgeführt wurden“, beanstanden die Forscher Synolakis und Kânoğlu. „Es gab weder Sicherheitsfaktoren in der Analyse, noch wurde sie in den korrekten Kontext gestellt.“ Das sei durchaus ein weltweites Thema, befinden die Autoren der Studie. „Es gibt keine globalen Standards für ein Tsunami-spezifisches Training und keine Zertifizierung von Ingenieuren und Wissenschaftlern, die Risikostudien durchführen.“
Das gelte auch für diejenigen, die aufgrund der Studien die Entscheidungen über notwendige Änderungen träfen. Das Potenzial für ähnliche Fehler bei Atomkraftwerken in Küstennähe sei vorhanden, sagte Synolakis. Kürzlich angefertigte Studien hätten gezeigt, dass mangelnde Erfahrung und fehlende Zusammenhänge dazu führten, dass mögliche Überschwemmungen nach einem Tsunami stark unterschätzt würden.
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