Dem Ingeniör ist nichts zu schwör
Der Ingenieur zwischen Genie und Wahnsinn, berauscht von der Machbarkeit des Utopischen, ohne an die möglichen Folgen seiner Geistesblitze zu denken.
Niemand hat das Bild des besessenen Technik-Tüftlers mehr geprägt als Gyro Gearloose – oder Daniel Düsentrieb, wie die Comicfigur im Deutschen heißt. Seit ihn 1951 Walt-Disney-Zeichner Carl Barks zum Leben erweckte, gilt das Düsentrieb´sche Motto für eine ganze Berufssparte: „Dem Ingeniör ist nichts zu schwör.“
Dass längst nicht alle Innovationen von großem Nutzwert sind, ist für Düsentrieb zweitrangig, denn an finanzieller Bereicherung ist der Entenhausener nicht interessiert. Hauptsache, die technische Umsetzung stellt eine Herausforderung dar. So etwa das Gerät zum Weiten von Briefkästen, der Rückenkratzer mit Dampfantrieb oder der Tassenhebekran. Mit einigen seiner Erfindungen hat Düsentrieb auch die Frage nach den ethischen Grenzen technischer Innovationen aufgeworfen, schließlich lässt sich über das Gerät zur drahtlosen Übertragung von Materie, den Gedankenleser oder die Zukunftskamera trefflich streiten, insbesondere, wenn sie in die Hände der ruchlosen Panzerknacker oder des Geld gierigen Dagobert Duck zu fallen drohen. Die liebenswerte, wenn auch rigorose Oma Duck verbannte Düsentrieb gar von ihrem Bauernhof, als er sich anschickte, durch technische Experimente Arbeitskräfte überflüssig zu machen.
Das Außenseiter-Dasein stört Düsentrieb allerdings nicht, im Gegenteil: Abgeschieden und ohne zwischenmenschliche Bindungen lebt der 50-Jährige in einer kombinierten Wohn- und Forschungsstätte, in der ihm einzig sein treues „Helferlein“, ein Glühlampenmännchen, als Freund und Ratgeber zur Seite steht. Aus Ruhm macht er sich nichts, von wirtschaftlichen Prozessen und Marketing hat er ebenso wenig Ahnung wie von Soft skills oder Modetrends.
Als Vorbild für junge ambitionierte Ingenieure taugt das schlaksige Genie also nur bedingt, etwa, was Talent, Ideenreichtum, Fleiß und Leidenschaft angeht. Auch die sehr eigentümliche Art, verzwickte Probleme mit Hilfe eines Hammers zu lösen, ist nicht empfehlenswert, wirkt sie doch nicht bei jedem: Mit einem Schlag auf den Kopf kommt der Erfinder-Ente stets die rettende Idee. Er ist eben ein seltsamer Vogel. Wo seine Mitbürger, wie der aalglatte und chamäleonartige Gustav Gans, mit Opportunismus den Erfolg anpeilen, ist Düsentrieb immer nur Düsentrieb. So ist es seit fünf Jahrzehnten und so soll es bleiben. Alles Gute zum 50. Geburtstag, lieber Daniel! ws
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