Adobe kämpft um Marktanteile auf Tablet-PCs
Tablet-PCs läuten einen neuen Paradigmenwechsel im Umgang mit mobilen Computern ein. Nicht nur Tastatur und Maus, sondern auch Betriebssystem und Programme verschmelzen zu einem intuitiven Bedienkonzept. Das zwingt Hard- und Softwareanbieter zu ungewohnten Allianzen. Doch auch zu Auseinandersetzungen wie jüngst zwischen Apple und Adobe.
Wer bestimmt die Richtung auf dem lukrativen Tablet-Markt? Wer bestimmt die Produkt- und Meinungsführerschaft im milliardenschweren Geschäft mit Geräten und Anwendungen im Bereich Touchpads? Darum geht es in der gegenwärtig schwelenden Auseinandersetzung zwischen Adobe und Apple.
Das Produkt, an dem sich der Streit der beiden entzündet, ist das kostenlose Programm für ausführbare Animationen namens Flash. Die Software stammt ursprünglich vom Hersteller Macromedia, Adobe übernahm das Unternehmen im Jahr 2005 für 3,4 Mrd. $.
Auf Desktops und Laptops von Apple sind Flash-Animationen noch lauffähig, in Zukunft soll Adobe-Technologie offenbar komplett von allen Apple-Geräten verbannt werden. Auf den Apple Touch-Produkten, angefangen beim iPod Touch und aufgehört beim iPad, gehören Flash und Co. bereits heute zu den Misfits – nicht gesellschaftsfähig.
Apple kennt jeder. Und Adobe? Das Unternehmen war vor Beginn der Querelen mit Apple eher in Entwicklerkreisen und als Anbieter des Acrobat Reader und des Dateiformates „pdf“ bekannt. Weitere, aber dann schon eher in der Fachwelt wahrgenommene Produkte des Unternehmens aus dem kalifornischen San Jose sind die Bildbearbeitungssoftware Photoshop oder das Grafik- und Zeichenprogramm Illustrator. Andere Produktbereiche des Anbieters, die wichtig sind für die Positionierung im lukrativen Geschäft mit Tablets, sind Serverprodukte wie Adobe Integrated Runtime (AIR), ColdFusion oder Flex (siehe Kasten unten).
Im Jahr 2009 beschäftigte Adobe Systems etwa 8660 Angestellte, hatte einen Jahresumsatz von ungefähr 2,9 Mrd. $ und spielt somit noch in der Oberliga der Anbieter von Grafik- und Entwicklungswerkzeugen mit. Noch, denn seit die Tablets den Markt von Computeranwendungen durcheinanderwürfelten, ist der Kampf um Standards und Marktanteile offen entbrannt.
Doch woher stammt das Zerwürfnis zwischen beiden Unternehmen? In seinen „Gedanken zu Flash“ vom April dieses Jahres geht Apple-Chef Steve Jobs auf Adobes Vorwurf ein, den Anwendern den Zugriff auf 75 % aller Videoinhalte zu verweigern, die über den Flash-Player abrufbar seien. Dem setzt Jobs entgegen, dass viele Videoseiten inzwischen das modernere Format H.264 nutzen würden. Außerdem würden heute die meisten Mobilgeräte den H.264-Codec unterstützen und Videos direkt von einem Chip decodieren. Das verlängere die Laufzeit der Batterie erheblich.
Das wichtigste Argument gegen Adobe indessen ist Jobs“ Vorwurf, dass Flash den Wechsel weg von Tastatur und Maus und hin zu berührungsempfindlichen Bildschirmen mit Fingersteuerung nicht unterstützt. Flash sei für das stationäre Web entwickelt und für die Bedienung mit der Maus optimiert. Im mobilen Zeitalter aber gehe es um Geräte, die wenig Energie verbrauchen, mit Multi-Touch-Oberfläche und Beschleunigungssensorik ausgestattet sind und offene Webstandards bedienen. Dies alles seien Anforderungen, denen Flash nicht gerecht werde.
Insidern zufolge will Jobs sich schlicht eines chronisch für Angriffe offenen Players entledigen. Erst Ende Oktober musste Adobe wieder neue kritische Lücken im Flash Player einräumen. Betroffen sind laut Adobe die Flash-Player-Versionen bis hin zu 10.1.85.3 für Windows, Macintosh, Linux und Solaris. Auch die Android-Version 10.1.95.2 des Flash-Players ist anfällig. Pikant: Anwender müssen noch bis zum 9. November warten, bis ein Upgrade auf den Flash Player 10.x das Problem behebt.
Ende Oktober konterte Adobe die Apple-Angriffe auf der Entwicklerkonferenz Max 2010 in Los Angeles mit der Ankündigung einer sogenannten Multiscreen-Initiative. Hierbei geht es um die einheitliche Darstellung von Inhalten auf mobilen und stationären Geräten. Wie der Branchendienst t3n.de berichtet, setzt Adobe dabei nicht nur auf Flash, Flex und AIR, sondern auch auf HTML5, CSS und JavaScript (siehe Kasten rechts). So soll es mit einer Erweiterung zu dem Webseiten-Autorenprogramm Dreamweaver deutlich einfacher werden, Webseiten zu erstellen, die auf allen Geräten optimal dargestellt werden – Adobe tauft diesen Ansatz „Adaptive Layout“.
Ungemach droht Apple vor allem durch die Laufzeitumgebung AIR. Mit der Plattform für den Bau von Web- und Desktop-Software lassen sich Anwendungen zeitgleich in mehreren Programmiersprachen und auf mehreren Betriebssystemen entwickeln, ohne eine einzige Zeile Quellcode anpassen zu müssen. Mit der in Kalifornien angekündigten Version AIR 2.5 vergrößert Adobe das Nutzungsspektrum ganz im Sinne von „Multiscreen“. Denn zur Liste der Plattformen zählen nun auch Google Android, Apple iOS und RIMs Blackberry-Betriebssystem. Jüngste Mitspieler auf dem Feld der Tabs sind das Samsung Galaxy Tab und das PlayBook von RIM. Beide nutzen Android als Betriebssystem – und arbeiten im Bereich Applikationen mit Adobe AIR.
Aber noch ganz andere Sorgen plagen die beiden Adobe-Firmengründer John Warnock und Charles Geschke sowie den gegenwärtigen operativen Chef Shantanu Narayen: Das Unternehmen gilt als Übernahmekandidat. Als mögliche Käufer werden Microsoft und Apple selbst gehandelt. KONRAD BUCK
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