Ein Baukasten-Smartphone von Motorola
Wer mit Onscreen-Tastaturen auf dem Kriegsfuß steht, steckt sich eine Tastatur ans Smartphone. Wer will, dass es länger durchhält, nimmt einen besseren Akku oder verzichtet zugunsten eines Zweit-Akkus auf Kamera oder GPS oder eine andere Komponente. So stellt sich Motorola die Zukunft von Smartphones vor: Die Google-Tochter versucht sich jetzt an einem Handy nach dem Baukastenprinzip.
Die Idee ist nicht ganz neu: Schon im September schlug der niederländische Designer Dave Hakkens ein Smartphone vor, bei dem man sich die Einzelteile selbst zusammenstecken kann.
Eine Basisplatte hält alle Komponenten wie Display, Tastatur oder Batterie zusammen. Der Anwender entscheidet, welche Bauteile in sein Smartphone kommen. Auf diese Weise sollen sich auch defekte Module ohne Probleme austauschen oder neue, innovative Module nachträglich einsetzten lassen. Das soll im Vergleich zu heutigen Geräten eine erheblich längere Nutzungsdauer ermöglichen.
Wer viel fotografieren möchte, bestückt sein Smartphone mit einer großen Kamera. Wer eine lange Akkulaufzeit braucht, nimmt eine kleinere Kamera und füllt den frei gewordenen Platz mit einem besseren Akku aus. Jeder soll bekommen, was ihm wichtig ist. Das ist die Idee hinter Hakkens‘ Phonebloks.
Jetzt versucht sich Motorola an einem solchen Handy nach dem Baukastenprinzip und stellt sein Projekt „Ara“ vor. Damit will die Google-Tochter bei der Hardware der Smartphones das schaffen, was Googles Mobilbetriebssystem Android bei der Software der Mobiltelefone zum Marktführer gemacht hat.
Der niederländische Designer Dave Hakkens soll dazu mit ins Boot geholt werden, denn sein vor ein paar Wochen veröffentlichtes Projekt „Phonebloks“ hat seither schon fast eine Million Menschen als Unterstützer gewonnen – und jetzt offensichtlich mit Motorola auch einen der großen Hersteller.
Konzeptbedingte Nachteile minimieren
Schon Hakkens hatte bei seinem Projekt die Nachteile klar genannt: Wenn die einzelnen Komponenten eines Smartphones weiter auseinander liegen, könnten elektrische Signale nicht mehr so schnell übertragen werden. Jedes einzelne Modul – Prozessor, Speicher, Akku, Kamera, Sensoren –bräuchte ein eigenes Gehäuse. Dadurch würde das Telefon insgesamt größer und schwerer und die Materialkosten würden steigen. Zusätzliche präzise Steckverbindungen und eine Art Bus müssten zusätzlich verbaut werden, um die Modularisierung zu ermöglichen – auch das geht auf die Kosten.
Die Auswahl optimaler Materialien kann hier helfen, Größe und Gewicht durch die von der Modularisierung erzwungenen Kapselungen gering zu halten. Und der Leistung solcher Geräte können stärkere Prozessoren und schnellere Speicherbausteine auf die Sprünge helfen.
Das Potential des modularen Smartphones
Schaut man sich die ersten Konzeptmuster auf den Fotos an, kann man nachvollziehen, warum Google seine Tochter Motorola hier einsteigen lässt. Man spürt bei diesem modularen Konzept etwas von der Innovation, die bei Apple seit dem Tod von Steve Jobs so sehr vermisst wird.
Die Grundidee ist genial – das zeigen schon die über 900 000 Unterstützer des niederländischen Designers. Dem Kunden gibt das modulare Konzept eine bei Smartphones bisher ungekannte Wahlfreiheit bei den Komponenten. Wer nur einen neuen Akku, mehr Speicher oder mehr Rechenleistung braucht, kann sein Ara-Smartphone auch noch im Nachhinein aufrüsten.
Sollte der Akku seine Kapazität verlieren oder das Display einen Farbfehler oder einen Riss bekommen haben oder irgendeine andere Komponente einen Defekt aufweisen, muss nur das betroffene Teil ausgetauscht werden.
Die Chancen auf dem Markt
Der Erfolg eines solchen Smartphones ist nicht leicht einzuschätzen. Er hängt unter anderem direkt davon ab, wie gut die technische Umsetzung des modularen Konzepts realisiert wird. Besonders die Qualität der Steckverbindungen und der mechanischen Rastung der einzelnen Komponenten erfordert eine ausgereifte Konstruktion.
Wenn das aber konstruktiv gut gelingt, findet ein solches Baustein-Smartphone wohl auch seine Käufer – sogar auf einem höheren Preisniveau wie dem von Apple. Das wiederum könnte Motorolas und damit auch Googles Position im Markt deutlich verbessern.
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