Happy Birthday: Das Smartphone wird 20 Jahre alt
Heute schon gewischt? Nicht über den Boden, sondern über die Glasoberfläche Ihres Smartphones? Jeder tut das im Schnitt 88 Mal pro Tag. 2,5 Stunden beschäftigt sich der Nutzer mit seinem smarten Phone, er telefoniert aber nur sieben Minuten. Das Gerät, das unseren Alltag so verändert hat, feiert heute seinen 20. Geburtstag.
Für die meisten Menschen dürfte der 9. Januar 2007 die Geburtsstunde des Smartphones markieren. An diesem Dienstag präsentierte Apple-Chef Steve Jobs auf der Macworld Conference & Expo in San Francisco das iPhone 1, ein großes Rechteck mit Glasoberfläche zum darüberwischen.
In einer legendären Präsentation versprach der charismatische Erfinder dem staunenden Publikum gleich drei neue Geräte, vereint in einem schicken Gehäuse: einen Musikplayer mit Touch-Bedienung, ein revolutionäres Telefon und einen grundlegend neu konzipierten Internet-Kommunikator. Dieses Gerät sollte wirklich unsere gesamte Kommunikation verändern.
Und doch war das iPhone nicht das erste Smartphone der Welt.
„Büro im Westentaschenformat“
Es war ein Donnerstag vor 20 Jahren, der die Geburtsstunde des Smartphones markierte. Am 15. August 1996 kam der „Nokia 9000 Communicator“ des finnischen Mobilfunkkonzerns als „Büro im Westentaschenformat“ auf den Markt. Das rund 400 Gramm schwere Gerät kostete damals stolze 2.700 DM, war also kaum für die breite Masse konzipiert.
Der Communicator konnte Faxe senden und empfangen, besaß einen elektronischen Kalender, ein digitales Adressbuch, eine Notizbuchfunktion und einen Taschenrechner. Und ganz entscheidend, weil damals wirklich neu: Das Gerät mit der aufklappbaren Tastatur konnte im Internet surfen, auf wenn dort noch deutlich weniger zu entdecken war als heute.
Nokia entwickelt jetzt digitale Gesundheitsprodukte
Die Pioniertat hat dem wandelfähigen einstigen Gummistiefelhersteller Nokia aber nichts eingebracht. Der zwischen 1998 bis 2011 weltgrößte Mobilfunkhersteller wurde im April 2014 für 5,4 Milliarden Euro an Microsoft verkauft. 2015 kündige Microsoft an, die Handysparte von Nokia vollständig aufzulösen und den Markennamen für Mobiltelefone zu streichen. Der Nokia 9000 Communicator wurde nur eine Randnotiz der Smartphone-Geschichte.
Inzwischen versucht der einstige Handygigant mit digitalen Gesundheitsprodukten zu überleben. Heute ist das „Büro im Westentaschenformat“ aus dem Alltag der allermeisten Menschen nicht mehr wegzudenken. Gewinner im Wettstreit um die Westentasche ist der Suchmaschinenkonzern Google. Knapp 294 Millionen Smartphones mit dem Google-Betriebssystem Android wurden im ersten Quartal 2016 verkauft, fast sechs Mal mehr als die 51,6 Millionen iPhones, die im gleichen Zeitraum abgesetzt wurden.
„Wer nicht wahrgenommen wird, den gibt es nicht“
Das Büro für die Westentasche dient heute eher der Selbstinszenierung, die Selfiestange ist zum Verkaufsschlager avanciert. Sie ist inzwischen so präsent, dass in Museen und beim Tennisturnier in Wimbledon Selfiestangen verboten sind.
„Wer nicht wahrgenommen wird, den gibt es nicht“, schrieb der Medientheoretiker Florian Rötzer in einem Essay bereits vor 20 Jahren. Längst verfügen Smartphones über eine Vorder- und eine Hinterkamera. Es hat das Drohpotential einer Droge, das Smartphone.
Laut einer repräsentativen Studie der Universität Mannheim im Auftrag der Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen müssen acht Prozent der jugendlichen Handynutzer als suchtgefährdet eingestuft werden, so eng sind sie mit ihrem Handy verbunden.
Das kann sogar dazu führen, dass ein Spiel wie Pokemon Go eine weltweite Sucht erzeugt. Manche Spieler waren sogar so vertieft, dass sie mitten in eine Schießübung der Bundeswehr liefen.
Das gilt aber offenbar nicht nur für die Jugend: So schaut ein typischer Smartphone-Nutzer in Deutschland im Durchschnitt 88 Mal am Tag auf sein Handy. 35 Mal checkt er nur die Uhrzeit, 53 Mal allerdings entsperrt er es, um eine Mail zu schreiben, Apps zu benutzen oder um im Internet zu surfen.
Nur sieben Minuten am Tag telefonieren
Erhoben hat diese Zahlen der Bonner Wissenschaftler Alexander Markowetz. Er hat mit Kollegen die App Menthal programmiert, die mit Einwilligung das Verhalten von Smartphone-Nutzern aufzeichnet. Gut 60.000 Profile hat Markowetz inzwischen gesammelt. Im Schnitt verbringen die Nutzer rund zweieinhalb Stunden am Tag mit ihrem Smartphone. Davon telefonieren sie gerade einmal sieben Minuten lang. Den Rest der Zeit daddeln sie herum, sind auf Facebook, WhatsApp oder spielen. Das „Büro im Westentaschenformat“ ist heute ein echter Zeitdieb.
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