Mobile Payment: Zahlen mit dem Handy
2012 soll endlich den Durchbruch für das Handy als Geldbörse bringen. Banken, Finanzdienstleister und Mobilfunkcarrier stehen jetzt in den Startlöchern, müssen aber mit aggressiver Konkurrenz von Google & Co. rechnen.
„Die Entwicklung des Mobile Payment ist ausschlaggebend für die Zukunft der Kommunikationsbranche. 83 % der Experten, die der Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco) im Rahmen einer Studie befragt hat, sehen im Bezahlen per Handy einen Schlüsselfaktor für den Erfolg des Mobile Business. Vier Interessengruppen konkurrieren um den Markt: Banken, Netzbetreiber, Serviceprovider und spezialisierte Diensteanbieter.“
Was wie das Aufbruchssignal einer aktuellen Mobile-Payment-Initiative klingt, ist in Wahrheit eine Meldung vom Januar 2002. Seit einem knappen Jahrzehnt hat sich beim mobilen Payment nicht viel getan – abgesehen von zahllosen Pilotprojekten und regelmäßig wiederkehrenden Milliardenmarktprognosen.
Mobile Payment weckt bei Deutschen nur verhaltenes Interesse
Doch nun soll alles besser werden: Seit Google Ende Mai seinen Bezahldienst Google Wallet gestartet hat, scheint die digitale Geldbörse auch hierzulande zum Greifen nah. Dabei wird gern übersehen, dass der Payment-Service des Internetgiganten vorerst nur mit dem hauseigenen Android-Smartphone Nexus S funktioniert. Das von Samsung gebaute Gerät versteht sich als erstes massenhaft produziertes Smartphone mit der RFID-ähnlichen Nahfunktechnik Near Field Communication, kurz NFC. Die Abrechnung erfolgt über den Kreditkartenanbieter Mastercard. Der Marktstart in Europa ist noch offen.
Besonders eilig müssen es Unternehmen wie Google oder Apple – in Cupertino wird angeblich an einem NFC-iPhone gearbeitet – nicht haben: Einer aktuellen Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zufolge stößt das Bezahlen per Handy nur bei jedem zweiten Deutschen auf Interesse, während es z. B. in China 82 % sind.
Auf die Frage, welchem potenziellen Dienstleister sie beim Mobile Payment am ehesten vertrauen würden, nannten 86 % der befragten Bundesbürger ihre Bank. Immerhin: 74 % könnten sich auch mit einer Kooperation von Banken und Mobilfunk-Netzbetreibern anfreunden.
Diese Nachricht wird man in Bonn und Düsseldorf gerne hören: Die Telekom und Vodafone repräsentieren zusammen rund 70 Mio. Handykunden, an deren Einkäufen per Datenfunk sie künftig kräftig mitverdienen wollen. Dazu soll der mäßig gefragte gemeinsame Bezahldienst „mpass“ schnellstmöglich um eine Funkvariante ergänzt werden. „Wir werden das Bezahlen über NFC im stationären Handel in der ersten Jahreshälfte 2012 anbieten – mit innovativen Payment- und Ticketing-Services“, bestätigt Vodafone-Pressesprecherin Carmen Hillebrand
Telekom wird in Sachen Mobile Payment aktiv
Bei der Telekom mag man zwar keinen Termin für den Startschuss nennen, ist man aber auch nicht untätig: Der Münchner Technologiekonzern Giesecke & Devrient hat unlängst bekannt gegeben, dass er für die Bonner eine NFC-fähige SIM-Kartenlösung entwickelt. „Technisch gesehen steht der zeitnahen Einführung dieser Technologie nichts im Wege“, erklärt Willem Bulthuis, Cheftechniker bei G&D. „Bisher ist der breite Praxiseinsatz an der kritischen Masse verfügbarer Mobiltelefonen gescheitert.“
Als einer der Vorreiter in Sachen NFC hat die deutsche Firma mehr als 25 Pilotprojekte von Oslo bis Istanbul betreut. In den meisten Fällen war dabei eine bestimmte Anwendung gefragt, beispielsweise das kontaktlose Bezahlen in Cafés oder öffentlichen Verkehrsmitteln.
Besonders zukunftsträchtig ist aber die Integration eines kompletten Alltagsszenarios. So verfügt die SIM-Karte, die G&D für den spanischen Kommunikationsmulti Telefónica entwickelt hat, neben der Payment-Applikation von Visa über eine automatische Zugangskontrolle zum Firmengebäude.
Mancher Branchenexperte bezweifelt freilich, dass es die Mobilfunkbetreiber im Ernstfall mit der Dynamik von Google & Co. aufnehmen können. Auch Kreditinstitute könnten ins Hintertreffen geraten.
Olympia 2012 soll Mobile Payment in Großbritannien auf die Beine helfen
„Ich habe das Gefühl, dass in der Bankenwelt die Bedrohung durch E-Wallets wie PayPal oder Google unterschätzt wird“, kritisiert Jens Lütcke, Chief Financial Officer des Zahlungssystemspezialisten Payment Network. Als Hemmschuh betrachtet er die klassische Henne-Ei-Problematik: „Neben den hardwaretechnischen Voraussetzungen auf der Endkundenseite brauchen wir genügend Akzeptanzstellen beim Handel. Der wird aber erst dann investieren, wenn die Systeme einen gewissen Verbreitungsgrad besitzen.“
Womöglich braucht Deutschland aber auch nur ein kommerzielles Großereignis, um der funkenden Geldschatulle Beine zu machen. In Großbritannien sollen es 2012 die Olympischen Sommerspiele sein. Rund 60 000 mit NFC-Terminals hochgerüstete Taxis, Shops oder Restaurants warten zum Kick-off in London auf zahlungswillige Kundschaft – vom Touristen bis zum Medaillenanwärter: Olympia-Sponsor Samsung will sämtliche Athleten mit einem Handy-Portemonnaie beglücken.
Die Technologie des Mobile Payment im Jahr 2018
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