Nutzerinterfaces 24.06.2011, 12:10 Uhr

PC per Touch steuern

Die Berührungssteuerung im Bildschirm von Smartphones und Tablets ist heute selbstverständlicher Komfort. Doch die Industrie denkt über neue Nutzerinterfaces nach, die auch eine Gestensteuerung beinhalten sollen.

Berührungssteuerung per Finger am Bildschirm von Smartphones und Tablets ist heute ein selbstverständlicher Komfort. Auch hier ist Apple mit seinem ungebrochen technophilen Gründer Steve Jobs wieder der Pionier, zumindest was die einfache und intuitive Benutzerführung angeht. So gelten iPhone und iPad geradezu als Basisinnovation für zukünftige, weitaus komplexere, visuell-haptische Interfaces für anschaulich präsentierte digitale Daten.

Auf den Industrieforen wird das deutlich. So widmete die Jahreskonferenz Displayweek der SID (Society for Information Display) in Los Angeles dem Thema Ende Mai unter dem Titel „The Future of Touch and Interactivity“ einen ganzen Tag. Die Visionäre kamen dabei voll auf ihre Kosten.

Touch-Steuerung seit einigen Jahren integraler Teil des Display-Ökosystems

Berührungssteuerung durch gestische Interaktion – so ein Credo der Konferenz – ist der richtige kreative Impuls, um die Innovation der Datentechnik hochtourig in Schwung zu halten. „Seit fünf Jahren“, sagte Analyst Mark Fihn in seinem Insider-Newsletter „Verias et Visus“, „gilt Touch als integraler Teil des Display-Ökosystems.“ Und wird damit zu einem ebenso schnell wachsenden Marktsegment: Laut Marktforscher Displaysearch werden in diesem Jahr 60 Mio. Touch-Tablets abgesetzt. In weiteren fünf Jahren sollen daraus 260 Mio. Stück pro Jahr werden. Für 2011 schätzt IHS iSuppli den Markt auf 10 Mrd. $.

Mit dem zehnfingrigen Multitouch wird allerdings auch die Eingabe per Stift wieder aktuell. Sie hatte schon in den 90er-Jahren eine kurze Blüte: in Apples „Newton“ und im „Gridpad“ – damals zu umständlich und zu teuer, weil ohne angemessene Apps.

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Ein starker Befürworter von „pen and touch“ ist heute Rick Seger von N-trig, einem renommierten Touch-Entwickler für die Windows-Welt („Windows 8“): „Apple hat nicht alle unsere Erwartungen erfüllt.“ Der Formfaktor der Tablets, so Seger, verlange nach der Stifteingabe „aber nicht nach Fingermalerei“. Schulkinder müssten sich im Unterricht Notizen machen können – wie später in der Team-Kollaboration am Arbeitsplatz.

„pen and touch“ kämpft nach wie vor mit dem Problem der Schrifterkennung

Mit der Stifteingabe kehren natürlich die früheren Probleme der Schrifterkennung zurück. Und damit sie auf der glatten Glasoberfläche der Schirme angenehm und ergonomisch günstig ist, muss die Spitze des Stifts den richtigen Radius haben. Und es muss eine künstliche Reibung erzeugt werden, die dem Kratzen eines Schreibstifts auf Papier entspricht, sagte Francois Jeanneau vom Multitouch-IP-Vermarkter Stantum.

Außerdem, so Jeanneau, gelten enge Toleranzen für die räumliche und zeitliche Auflösung der eingegebenen Zeichen und deren simultane Darstellung im Schirm. „Der Nutzen der Stifteingabe liegt im Ansprechverhalten.“ Etwas, was man heute bei Fahrkartenautomaten mit simpler Berührung von Tastenfeldern und rigider sequenzieller Auswahllogik frustriert vermisst.

Für die Berührungssteuerung in Smartphones und Tablets, als Funktionsschicht in den LCD-Bildschirm integriert, hat sich ein Kanon von Technologien etabliert – ausgehend von resistiven über optische, akustische bis zu den heute favorisierten kapazitiven Sensoren. Ihre Einsatzgebiete sind nach Komfort-, Komplexitäts- und Kostenmodellen weitgehend festgelegt, wie Bob Mackey vom Touch-Pionier Synaptics ausführte.

Kapazitive Sensoren für den Touch-Screen der Zukunft

Die kapazitiven Sensoren gelten als zukunftsfest, weil sie, anders als die resistiven, in der Sensitivität (auch als Annäherungsschalter) einstellbar sind. Und weil sie Multitouch mit den beliebten Fingergesten „Zoom“, „Flick“ und „Scroll“ erlauben. Außerdem sind sie dünn und optisch transparent. Die aktuelle Designerdiskussion kreist somit um ihre Integration: direkt unter dem Deckglas des LCD-Schirms, auf dem Polarizer oder dem Farbfilter etc. Stichwort: „on-cell“ oder „in-cell“.

Diese Diskussion wird umso intensiver, je leichter und dünner die Schirme werden. Und wenn es um Alternativen zu den gebräuchlichen transparenten ITO-Elektroden (indium tin oxide) geht, etwa mit extrem dünnen leitfähigen Polymerfolien mit einem aufgedruckten, praktisch unsichtbaren metallischen Gittermuster. Sie werden in künftigen flexiblen Schirmen (ohne die starren Glassubstrate) gebraucht. Außerdem als beliebig gekurvte Bedienoberflächen an allen möglichen (auch lebenden) Objekten, wie Kunihara Takei von der kalifornischen Universität in Berkeley ausführte – im Endeffekt also als künstliche elektronische Haut.

Auch eher passive TV-Zuschauer, meinte Iris Finkelstein von PrimeSense, ließen sich vielleicht mobilisieren, wenn sie ihren Bildschirm als überdimensionales iPad betrachteten. Und durch mehr oder weniger imperatives Winken, Wischen und Wedeln (ohne das traditionelle Fernbedienungskästchen) klar machen, was sie sehen und nicht sehen möchten.

Ein Beitrag von:

  • Werner Schulz

    Freier Fachjournalist in München. Schwerpunktthemen: Mikroelektronik, Solartechnik, Displaytechnologie.

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