Automatisierung neu gedacht: Schneider Electric setzt auf Herstellerunabhängigkeit
In der Welt der industriellen Automatisierung bahnt sich gerade ein Paradigmenwechsel an. Denn über 50 Jahre nach Richard E. Morleys Erfindung der speicherprogrammierbaren Steuerung stoßen die konventionellen Automatisierungs-Methoden allmählich an ihre Grenzen. Der Knackpunkt: Geschlossene Steuerungssysteme, wie sie für die Automatisierungsbranche charakteristisch sind, kosten viele Ressourcen, Aufwand und Zeit.
Das Thema herstellerunabhängige Automatisierung nimmt Fahrt auf. In der neu gegründeten UniversalAutomation.Org haben sich Industrieunternehmen, Hersteller, OEMs, Systemintegratoren, Start-Ups und Universitäten zusammengetan, um gemeinsam an der Referenzimplementierung einer IEC 61499-basierten Steuerungs-Runtime zu arbeiten. Das Ziel: herstellerunabhängige Interoperabilität und Portierbarkeit als Standard in der Automatisierung etablieren. Schneider Electric ist von Anfang an Teil der neuen Organisation.
Geschlossene Systeme verzögern mit ihrem Mangel an Interoperabilität und Portabilität den nächsten Entwicklungsschritt von Industrie 4.0. Zahlreiche Fortschritte in Sachen Effizienz, Flexibilität und Innovation, die auf Basis verfügbarer Technologien heute schon längst möglich wären, bleiben auf diese Weise notgedrungen gehemmt. Grund genug also, die vorherrschenden Automatisierungslogiken zu überdenken und künftig auf einen herstellerunabhängigen Ansatz zu setzen. Mit der Norm IEC 61499 wurden die dafür notwendigen theoretischen Grundlagen bereits gelegt.
Automatisieren mit IEC 61499
Mitte der 2000er Jahre entworfen, definiert IEC 61499 ein generisches Modell für verteilte Steuerungssysteme, das die bisher übliche Norm IEC 61131-3 wesentlich erweitert. Grundgedanke dabei ist ein rein softwarebasiertes – von der zugrundeliegenden Hardware abstrahiertes – Modellieren von automatisierten Anwendungen mithilfe von vorgefertigten Funktionsbausteinen. Dazu sieht IEC 61499 vor, dass die Funktionsbibliotheken von Programmierumgebungen grundsätzlich offen und ohne Herstellerbindung vorliegen müssen. Auf diese Weise spielt es für die Modellierung von automatisierten Anwendungen fortan keine Rolle mehr, welche CPU-Ressourcen als Basis zur Verfügung stehen. Die einmal softwareseitig erstellten Programmstrukturen müssen also nicht zwangsläufig auf eine SPS-Steuerung aufgespielt werden, sondern laufen ebenso gut auf einem Frequenzumrichter, einem Industrie-PC oder einem Windows/Linux-Rechner.
Hinzu kommt, dass die von IEC 61499 definierten Funktionsblöcke über Ein- und Ausgänge für Events verfügen. Damit unterstützen sie, im Unterschied zu einer zyklischen Programmbearbeitung, das aus der IT-Welt längst bekannte, ereignisbasierte Ausführungsmodell.
Mehr ingenieurstechnische Freiheiten
Die großen Vorteile, die sich auf Basis von IEC 61499 gerade für das Engineering ergeben, lassen sich anhand des EcoStruxure Automation Expert von Schneider Electric besonders gut illustrieren. Mit diesem 2020 vorgestellten und beständig weiterentwickelten Engineering-Tool können Maschinenbauer und Endanwender bereits heute von herstellerunabhängiger Automatisierung profitieren. Dazu wird innerhalb der Softwareumgebung des EcoStruxure Automation Expert eine von der Hardware unabhängige Abstraktionsschicht für das Orchestrieren automatisierter Anwendungen geschaffen. Diese macht die Entwicklung und das Testen von Anwendungen möglich, noch bevor überhaupt ein einziges Stück Hardware verbaut wurde. Um in diesem Zusammenhang komplexe Programmiervorgänge zu vermeiden, kann auf vorgefertigte Funktionsblöcke zurückgegriffen werden. Diese Softwarebausteine kapseln, wie eine Art Black Box, einzelne Anwendungen oder ganze Anlagenteile und lassen sich ganz einfach per sogenanntem „single line engineering“ rein grafisch miteinander verbinden. Ein automatischer Plausibilitätscheck sowie vielfältige Simulationsmöglichkeiten geben dann in der virtuellen Softwareumgebung sofort darüber Aufschluss, wie produktiv und effizient die real ausgelegte Anlage funktionieren würde. Die softwareseitig modellierten Programmstrukturen können dann im Anschluss frei und herstellerunabhängig auf die realen SPS- und Hardwarekomponenten verteilt werden.
Link zu Demo: https://demo.se.app/ecostruxure-automation-expert/indexGerman.html?lang=german
Die komplette Konfiguration der Querkommunikation wird dabei selbstständig durch den EcoStruxure Automation Expert übernommen. Für den Programmierer besteht innerhalb der Softwareumgebung jederzeit Klarheit über die Abhängigkeiten der verschiedenen Module und Komponenten. Auf diese Weise lässt sich das Engineering nicht nur erheblich vereinfachen und beschleunigen, der Raum für Fehler wird auch stark reduziert.
Link zu Whitepaper: „Ein quantitativer Vergleich von Systemen für digitale Industrieautomation“ https://www.se.com/de/de/download/document/998-21022781_DE/
Eine neue Kategorie für die Automatisierung
Die Mehrwerte eines herstellerunabhängigen Automatisierungsansatzes bleiben nicht auf das Engineering beschränkt. Durch die Entkopplung von Hard- und Software sowie die objektbasierte Programmierung gewinnen softwarebasierte Geschäftsmodelle erheblich an Bedeutung – etwa in Form eines App-Stores für die Automatisierung. Bereits vorgefertigte und getestete Softwareanwendungen (Funktionsblöcke) können in diesem Sinne einfach heruntergeladen und per Plug-and-Produce in die bestehende oder geplante Anlage eingefügt werden. Wie aus der IT-Welt bekannt, laufen die so erworbenen Softwareapplikationen auf praktisch jeder beliebigen, kompatiblen Hardware.
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