Anleger lieben noch die Megatrends
Krise? Welche Krise, werden sich Anleger von Adyen, Beyond Meat, Netflix, Ocado, Tesla und Twilio fragen. Unternehmen, die heute noch geringe Umsätze haben, aber für die Zukunft möglicherweise gut positioniert sind, werden von Anlegern an der Börse geliebt und erzielen Höchstpreise. Dies ist konträr zu früheren Rezessionen, wo Anleger in bewährten Branchen Zuflucht suchten.
An der Börse wird klar getrennt zwischen Unternehmen, deren Geschäftsmodelle durch den Corona-Lockdown negativ betroffen sind und solchen, die zu den Krisengewinnern zählen können. Während altehrwürdige Automobilhersteller, Einzelhändler und Ölkonzerne noch allerorten Wunden lecken, die der Nachfrageschwund mit sich bringt, befinden sich auf der „Gewinnerseite“ vielfach noch recht junge Unternehmen, die schon vor Corona sportlich bewertet wurden.
Adyen, ein Konkurrent von Wirecard, sollte als Online-Zahlungsanbieter mit starker Technologie intuitiv tatsächlich vom stärkeren Trend nach Online-Handel profitieren. Ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von über 100 zeigt aber auch ein starkes Zutrauen der Anleger in den anhaltend positiv gestimmten Konsumenten.
Gleiches gilt auch für Netflix. Ohne Frage eine tolle Erfolgsgeschichte, die die Fernsehgewohnheiten von Millionen Menschen verändert hat. Mittlerweile liegt Netflix bezogen auf die Marktkapitalisierung gleichauf mit Disney. Geschlossene Vergnügungsparks, verschobene Kinopremieren und fehlende Sportübertragungen bei ESPN schaden dem Disney-Konzern. Dennoch: Netflix mit knapp 200 Millionen Abonnenten muss sich gehörig vor Disney in Acht nehmen, die mit einem Kavaliersstart aktuell über 50 Millionen zahlende Abonnenten seit November 2019 gewinnen konnten.
Was haben Beyond Meat und Tesla gemein? Beide Unternehmen haben starke Marken aufgebaut in Märkten, die durchaus als umkämpft zu bezeichnen sind. Beyond Meat bewegt sich im Markt für Fleischersatz, der zunehmend von den Verbrauchern nachgefragt wird. Allerdings haben Marktgiganten wie Unilever auch schon Produkte platziert. Es wird sich zeigen, inwiefern Konsumenten bei Beyond Meat eine Markentreue aufbauen, die mit einer Bewertung von knapp dem 20-fachen Umsatz äußerst üppig von Anlegern honoriert wird.
Auch bei Tesla gilt für Anleger: Wenn schon Elektromobilität, dann nur das Original. Tesla könnte tatsächlich ein Corona-Profiteur sein, denn viele Chinesen scheuen mittlerweile den öffentlichen Nahverkehr und für Elektroautos sind Nummernschilder leichter von den Behörden zu erhalten. Dennoch stellt sich auch hier die Frage nach dem Optimismus der Anleger: Tesla ist aktuell mehr wert als BMW, Daimler und Volkswagen zusammen, die übrigens auch Elektroautos herstellen und ein nicht zu vernachlässigendes Distributionsnetzwerk haben.
Kennen Sie Ocado? Das britische Unternehmen hat sich gewandelt von einem Online-Supermarkt zu einem Technologieanbieter für klassische Supermärkte. Mit der Ocado-Technologie kann unter anderem bald der US-Supermarktriese Kroger mit Hilfe automatisierter Warenhäuser den Konsumenten ein echtes Einkaufserlebnis per Onlinekauf bieten. Allerdings: Die Nachfrage nach Online-Lebensmitteln steckt trotz Corona noch in den Kinderschuhen, so richtig scheinen sich Verbraucher noch nicht mit der Lieferung anzufreunden. Und wenn: Während Ocado noch aufgrund von Investitionen in der Verlustzone steckt und trotz Investitionsunsicherheiten mit dem 9-fachen Jahresumsatz bewertet ist, können Sie Kroger für ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 10 erwerben.
Twilio hat sich seit Jahresbeginn an der Börse knapp verdoppelt, obwohl das Unternehmen zuvor schon mit einem Umsatz-Multiple von neun bewertet wurde, was selbst für Nasdaq-erfahrene Investoren durchaus für Stirnrunzeln sorgt. Twilio nennt sich die führende Cloud-Kommunikationsplattform für Unternehmen und hatte phantastische Corona-Wochen, denn Kunden wie Essens-Plattformen nutzen Twilio für die Kommunikation mit Kunden genauso wie Dr-on-demand in den USA Online-Sprechstunden via Twilio-Technologie anbietet. Ein tolles Unternehmen, aber für den aktuellen Preis?
Fazit: Die Börse sieht die Corona-Herausforderung für einen massiven Impulsgeber des wirtschaftlichen Wandels. Hier sollten Anleger Recht behalten. Was aber in den Bewertungen der Hoffnungsträger ebenfalls berücksichtigt wird ist eine deutliche Konjunkturerholung von heute auf morgen. Hier besteht die Gefahr einer Revidierung, wenn die Verbraucher und Unternehmen bei Ausgaben vorsichtiger werden. Wenn Sie dann die Corona-Gewinner zu günstigeren Kursen angeboten bekommen, sollten Sie zweimal überlegen, ob Sie die Hoffnungsträger der Weltwirtschaft ausschlagen.
Diesen und weitere Vermögensverwalter mit Ihren Meinungen und Online-Anlagestrategien finden Sie auch hier.
Ein Beitrag von: