Anzeige gegen Daimler-Chef Zetsche wegen illegaler Arbeitnehmerüberlassung
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat bestätigt: Es liegt eine Strafanzeige gegen Daimler-Chef Zetsche, die Logistikfirma Michael Preymesser und gegen den Daimler-Gesamtbetriebsratschef Erich Klemm vor. Ihnen wird illegale Arbeitnehmerüberlassung vorgeworfen. Auslöser war die ARD-Reportage „Hungerlohn am Fließband“ über Leiharbeiter.
Zwei Wochen lang arbeitete der SWR-Reporter Jürgen Rose undercover am Fließband des Daimler- Stammwerks in Stuttgart-Untertürkheim. Er ließ sich von einer Leiharbeitsfirma anstellen, die ihn dann an die Logistikfirma Preymesser verlieh. Preymesser setzte Rose im Daimler Werk Stuttgart ein. Dort arbeitete er gemeinsam mit der Stammbelegschaft am Fließband und konnte sich ein Bild von den Menschen und deren Leben als Leiharbeiter machen.
Finanzieren Steuerzahler die Mercedes-Fahrzeuge?
Die Reportage macht deutlich, wie Menschen über Werksverträge an Firmen verliehen werden, um dort für wenig Geld an den Fließbändern zu arbeiten. Rose wurde nicht von Daimler-Kollegen angelernt, sondern von Leiharbeitern, die auch seit kurzem dort arbeiteten. In die Arbeitsabläufe wurde er nur schlecht integriert. Wo sich Sozialräume befinden, wusste er zunächst nicht. Aufgrund des komplizierten Geschäftsmodells gibt es für die Mitarbeiter keinen Ansprechpartner. Der Verdienst von 8,19 Euro Stundenlohn reicht nicht zum Leben. Sie müssen ihr Gehalt mit Hartz IV aufstocken. Diese Aufstockung ist oftmals höher als das Gehalt selbst. Im Falle des verdeckt recherchierenden Journalisten mit vier Kindern betrug die Aufstockung rund 1.550 Euro, der Bruttoverdienst brachte nur etwa 1.200 Euro auf das Konto.
Die Steuerzahler finanzieren somit die Arbeiter im Unternehmen und damit auch die Produktion der teuren Mercedes-Fahrzeuge. Betroffen von den staatlichen Zuschüssen waren im vergangenen Jahr 1,3 Millionen Menschen in Deutschland. Trotz Vollzeit- oder Teilzeitjob reichte ihnen ihr Verdienst nicht zum Leben. Insgesamt zahlte der Staat 8,7 Milliarden Euro Steuergelder im Jahr 2011 für die „Aufstocker“ im Hartz-IV-System.
Daimler dementiert ARD-Reportage
Daimler dementierte inzwischen die Darstellungen in dem 45-minütigen Filmbeitrag. Einige Stellen im Film seien sogar „fingiert“ und der Reporter habe gegenüber dem Konzern nicht mit offenen Karten gespielt, kritisiert Daimler: „Wir halten die Vorwürfe für völlig unbegründet. Wir haben bereits gestern ausführlich erklärt, dass die Sachverhalte in dem Beitrag falsch dargestellt wurden.“ Laut Daimler hat der Reporter nicht die gleichen Tätigkeiten ausgeführt, wie die festangestellten Mitarbeiter des Konzerns. In den betroffenen Bereichen seien Facharbeiter mit einer entsprechenden Ausbildung eingesetzt. Das Unternehmen betonte, dass es nur Dienstleistungen mit Werkverträgen, die nicht der eigenen Wertschöpfungskette entsprächen, einkaufe. Betroffen davon seien Logistikdienstleistungen, Gebäudereinigungen oder Malerarbeiten. Seit dem Jahr 2004 gibt es eine Betriebsvereinbarung für die Mitarbeiter in der Produktion. Danach erhalten sie das gleiche Grundgehalt wie frisch eingestellte Facharbeiter. Insgesamt dürften jedoch nur acht Prozent der Belegschaft eines Standortes Leiharbeiter sein.
Als Reaktion auf die ARD-Reportage erstatte Benjamin Frick eine Anzeige wegen illegaler Arbeitnehmerüberlassung. Frick ist Gründer des privaten Zusammenschlusses ehemaliger Leiharbeiter „Leak Leiharbeit“. „Es war bereits nach fünf Minuten des TV-Berichts klar, dass es sich um illegale Arbeitnehmerüberlassung handelt“, so Frick.
Zehn Jahre lang arbeitete Frick selbst als Leiharbeiter. Er beschloss gemeinsam mit Bekannten aktiv gegen die Leiharbeit vorzugehen. „Entweder wir gehen unter, weil wir nichts unternehmen – oder wir gehen unter, weil wir etwas unternehmen“, erklärt Frick den Grund für den Zusammenschluss.
Mit 200 E-Mails und Dutzenden von Facebook-Kommentaren erlebte Frick eine enorme Resonanz auf seine Klage.
Phänomen Leiharbeit steigt kräftig an
Daimler ist jedoch kein Einzelfall. Die Leiharbeit ist ein ansteigendes Phänomen in der Geschäftswelt. So wurde auch ein Fall von Scheinwerksverträgen in der SB-Warenhauskette Kaufland bekannt. Kaufland einigte sich jetzt mit der Staatsanwaltschaft. Für die Einstellung des Verfahrens muss Kaufland rund fünf Millionen Euro an die Staatsanwaltschaft zahlen, drei Millionen Euro gehen als Rückzahlung an die Sozialversicherungen und eine Million als Ordnungsgeld an das Hauptzollamt.
Die Gewerkschaften Verdi und NGG sind sich einig: Nur ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn kann helfen, dass Menschen wieder von ihrer Arbeit leben können und nicht zum Multijobber werden. 8,50 Euro pro Stunde könnten aber nur ein Einstieg sein. Diese reichen laut Helge Adolphs, Geschäftsführer der NGG-Region Südwestfalen, „gerade mal für ein Leben haarscharf über Hartz-IV-Niveau“.
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