Augen auf beim Aufhebungsvertrag
Eine Reihe von Großunternehmen haben Stellenabbau auf die Tagesordnung gesetzt. Da werden in der nächsten Zeit wieder mehr Arbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber die Empfehlung zu hören bekommen, eine Eigenkündigung oder ein Aufhebungsvertrag läge doch in ihrem ureigensten Interesse. Viele Arbeitnehmer unterschreiben. Arbeitsrechtler warnen davor.
Einen Schaden von 264 000 € hatte der Vermögensverwalter bei der Bank durch Überweisungen ohne die vorgeschriebenen Sicherheitsprozeduren angerichtet, das Geld war bei Betrügern gelandet. Die Bank erklärte ihm, sie werde entweder fristlos kündigen mit allen negativen Karrierefolgen oder er könne selbst kündigen, bekäme ein gutes Zeugnis, behielte die Betriebsrente und bliebe von Regressforderungen verschont.
Der 55-jährige Banker kündigte. Zwei Wochen später überlegte er es sich anders: Das Arbeitsgericht Berlin sollte seine Kündigung für unwirksam erklären. Das tat es. Weil – erstens – eine fristlose Kündigung wegen des ersten entschuldbaren Fehlers nach 37 Dienstjahren nicht gerechtfertigt sei und – zweitens – das dem Arbeitgeber auch klar sein musste, war – drittens – die Drohung mit der Kündigung rechtswidrig, der Mitarbeiter konnte sie anfechten (28 Ca 15060/12). Allerdings ist es noch nicht das letzte Wort in diesem Verfahren. Die Bank hat Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt, diese ist noch nicht entschieden.
Viele Unternehmen drohen mit Kündigung zur Unterschrift
Eine Reihe von Großunternehmen haben Stellenabbau auf die Tagesordnung gesetzt. Da werden in der nächsten Zeit wieder mehr Arbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber die Empfehlung zu hören bekommen, eine Eigenkündigung oder ein Aufhebungsvertrag läge doch in ihrem ureigensten Interesse. Für das Unternehmen ist es allemal die eleganteste Lösung, wenn Mitarbeiter „freiwillig“ gehen. Das erspart ihm die kaum kalkulierbaren Risiken von Kündigungsschutzprozessen. Zu diesem Schritt motiviert die Firma ihre Kündigungskandidaten mit guten Zeugnissen, Abfindungen und mehr. Und dafür macht sie auch Druck, vor allem durch die Drohung mit dem Negativ-Effekt einer Arbeitgeber-Kündigung für das Fortkommen und mit der Streichung aller Vergünstigungen. Das wirkt, viele Arbeitnehmer unterschreiben.
Der Münchner Anwalt Paul Melot de Beauregard, McDermott Will & Emery, glaubt, dass eine Kündigung im Fall des Vermögensverwalters zulässig gewesen wäre, „dann darf der Arbeitgeber auch damit drohen und die Eigenkündigung bleibt wirksam“. Trotzdem komme es immer wieder mal vor, dass Arbeitsgerichte eine Eigenkündigung oder einen Aufhebungsvertrag wegen Drohung für unwirksam erklärten. Das ist möglich – hat das Landesarbeitsgericht Berlin klargestellt – wenn der Betrieb mit fristloser Kündigung droht, obwohl diese juristisch kaum haltbar ist (24 Ta 1849/11). Das müsse er berücksichtigen, wenn er Arbeitgeber berate, sagt der Arbeitsrechtler. Er empfiehlt ihnen, den Mitarbeitern Bedenkzeit zu geben, „um den Anschein einer Drucksituation zu vermeiden“.
Doch trotz der Risiken sind „Drohungen mit allen möglichen Nachteilen in der Praxis häufig“, schätzt der Frankfurter Fachanwalt für Arbeitsrecht Ulrich Fischer. Urteile, die dagegen helfen, gibt es eher selten. Der Frankfurter Anwalt Peter Rölz, Leiter der Arbeitsrechtskanzlei Ulrich Weber und Partner, warnt vor überzogenen Erwartungen: „Wir nehmen vielleicht einen von zehn Fällen an, in denen ein Arbeitnehmer von einer Aufhebungsvereinbarung loskommen will.“ Die anderen seien aussichtslos, im Allgemeinen gelte: „Mit der Unterschrift ist das Schicksal besiegelt.“ Der Arbeitnehmer steht – da sind alle Juristen einig – vor einem oft unlösbaren Problem: Er muss die Drohung beweisen. Das scheitert meist daran, dass diese Fragen in Vier-Augen-Gesprächen ausgehandelt werden, es gibt nichts Schriftliches.
Versprechen von Vorteilen einer „Sofort-Unterschrift“ sollte skeptisch machen
Deshalb sollten Arbeitnehmer sich darauf einrichten, mit der Drucksituation anders klarzukommen. Als erstes – empfiehlt Peter Rölz – nicht alles als bare Münze zu nehmen. Das Angebot gutes Zeugnis? „Schwachsinn, der Arbeitnehmer hat sowieso Anspruch auf ein ‚wohlwollendes‘ Zeugnis, egal wer kündigt.“ Und das Versprechen von Vorteilen nur bei Sofort-Unterschrift sollte skeptisch machen. „Ein Arbeitgeber mit einem soliden Kündigungsgrund hat das nicht nötig.“
Weiterhin rät Peter Rölz dem Arbeitnehmer, deutlich zu machen, dass er den Arbeitsplatz keinesfalls aufgeben will. „Dahinter steht nämlich die Drohung, es auf einen Kündigungsschutzprozess ankommen zu lassen.“ Außerdem solle der Arbeitnehmer auf einer Begleitung bestehen. Als Unterstützung, und um einen Zeugen zu haben. Am besten einen Anwalt, sagt Rölz, aber das lasse sich nicht erzwingen, anders als die Begleitung durch einen zuständigen Personalvertreter, das könne ihm nicht abgeschlagen werden.
Und der Arbeitnehmer sollte Bedenkzeit verlangen. Jedenfalls meistens. Es gibt schon die Fälle, in denen auch der Arbeitsrechtler zur schnellen Unterschrift rät, etwa wenn der Mitarbeiter 5000 € eingesteckt hat und ihm der Verzicht auf Strafanzeige und fristlose Kündigung geboten werden. Oder wenn er für einen großen Schaden verantwortlich ist und die Firma auf Regress verzichtet. Aber auch dann nur mit schriftlicher Bestätigung dieser Zusagen. Und der Arbeitnehmer müsse wissen: Der Verzicht auf Strafanzeige hat bei den meisten Vergehen nur begrenzten Wert, zumindest wenn die Gefahr besteht, dass sie bekannt werden. Bei den sogenannten Offizialdelikten braucht die Staatsanwaltschaft nämlich keine Anzeige, um aktiv werden zu können. THOMAS MÜNSTER
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