Autoindustrie in der Krise: Gehen noch mehr Jobs verloren?
Die deutsche Autoindustrie durchlebt einen dramatischen Wandel, der viele Arbeitsplätze gefährdet. Während die Branche mit schwacher Nachfrage, hohen Kosten und dem Verschwinden wichtiger Märkte kämpft, droht der Jobabbau in den kommenden Jahren weiter zuzunehmen.

Stellenstreichungen in der Autoindustrie – Der Anfang einer größeren Welle?
Foto: PantherMedia / ilixe48
Die schwierige Lage der deutschen Autoindustrie wirkt sich deutlich auf die Beschäftigten aus. Laut einer aktuellen Analyse der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY gingen im vergangenen Jahr fast 19.000 Arbeitsplätze verloren. Am Jahresende waren noch etwas mehr als 761.000 Menschen in der deutschen Automobilbranche tätig, während es ein Jahr zuvor noch rund 780.000 waren.
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Wie die dpa berichtet, hat EY für die Studie nach eigenen Angaben aktuelle Daten des Statistischen Bundesamts und der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet. Untersucht wurden dabei Unternehmen in Deutschland mit mindestens 50 Beschäftigten.
„Die deutsche Automobilindustrie steckt in einer massiven und umfassenden Krise“, wird der EY-Autoexperte Constantin Gall zitiert.
Die Autoindustrie kämpft mit mehreren Problemen: Die Nachfrage ist wegen der Wirtschaftskrise schwach, die Kosten sind hoch, und die parallele Produktion von Verbrennern und Elektroautos ist teuer. Besonders die Investitionen in Elektromobilität haben viel Geld gekostet, brachten aber nicht den erhofften Erfolg. Zudem bricht der wichtige chinesische Markt weg.
Erhebliche Einschnitte bei den Arbeitsplätzen
Laut Gall stehen die Autohersteller derzeit vor zahlreichen Herausforderungen, von denen sie nur einige eigenständig bewältigen können. Er erwartet, dass die Unternehmen in diesem Jahr massiv an den Kosten sparen werden, um widerstandsfähiger zu werden. Dies werde unweigerlich zu erheblichen Einschnitten bei den Arbeitsplätzen führen. Der vergleichsweise geringe Stellenabbau im vergangenen Jahr sei erst der Beginn eines schmerzhaften, aber unvermeidlichen Schrumpfungsprozesses.
Wie Gall erklärte, seien größere Produktionsverlagerungen in die USA oder nach China aufgrund der aktuellen geopolitischen Entwicklungen durchaus denkbar. Dies könnte den Stellenabbau in Deutschland erheblich beschleunigen.
Die Unternehmen sind sich ihrer Probleme inzwischen bewusst. Daher gibt es Hoffnung, dass die Autohersteller in Zukunft wieder höhere Gewinne erzielen. Allerdings reichen Kostensenkungen allein dafür nicht aus.
Sparprogramme angekündigt
Angesichts der zuletzt schlechten Lage der Zulieferer erwartet der Experte einen deutlichen weiteren Stellenabbau. „Für viele Zulieferer wird die Luft immer dünner, gerade der stockende Hochlauf der Elektromobilität belastet die Marge erheblich“, sagte Gall.
Laut der Studie sank der Umsatz der deutschen Autoindustrie im vergangenen Jahr um fünf Prozent, nachdem er zuvor drei Jahre in Folge gestiegen war. 2024 lag er bei 536 Milliarden Euro.
Viele bekannte Hersteller und Zulieferer haben inzwischen Sparprogramme angekündigt. In den nächsten Jahren sollen zehntausende Arbeitsplätze wegfallen – sowohl bei Autobauern wie Mercedes-Benz, Porsche und VW als auch bei Zulieferern wie Bosch, ZF, Schaeffler und Continental.
Stellenstreichungen bei Bosch
Angesichts der schwierigen Marktlage plant der Bosch-Konzern weitere Stellenstreichungen an bestimmten Standorten. Bosch-Chef Stefan Hartung erklärte, dass ein weiterer Stellenabbau wohl unvermeidlich sei. Er begründete dies mit der schwachen Weltwirtschaft im Automobilsektor, der zunehmenden Konkurrenz aus China und der Verunsicherung der Verbraucher. Dies sagte er in einem Interview mit der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“.
Stellenstreichungen bei Continental
Der Zulieferer Continental plant aufgrund der Krise in der Autoindustrie weitere Stellenstreichungen. Bis Ende 2026 sollen weltweit 3.000 Arbeitsplätze in Forschung und Entwicklung wegfallen, davon 1.450 in Deutschland. Besonders betroffen sind Hessen und Bayern, wobei der Standort in Nürnberg komplett geschlossen wird.
Vor einem Jahr hatte Continental bereits angekündigt, in der Automotiv-Sparte 7.150 Stellen zu streichen, davon 5.400 in der Verwaltung und 1.750 in der Entwicklung. Diese Maßnahme sei inzwischen zu 80 bis 90 Prozent umgesetzt. Mit den neuen 3.000 Stellenabbau kommt die Zahl auf über 10.000. Continental begründete den weiteren Abbau mit der sich verschärfenden Lage in der Autobranche.
Stellenstreichungen bei Porsche
Der Sport- und Geländewagenbauer Porsche plant, rund 1.900 Stellen abzubauen. Betroffen sind das Stammwerk in Stuttgart-Zuffenhausen sowie der Standort in Weissach westlich von Stuttgart, wo sich das Entwicklungszentrum befindet. Laut Personalvorstand Andreas Haffner umfasst der Abbau alle Bereiche, von der Entwicklung über die Produktion bis hin zur Verwaltung.
Obwohl das Unternehmen, das mehrheitlich zu VW gehört, noch relativ gut dasteht, erklärte Haffner, dass es viele Herausforderungen zu bewältigen habe. Als Beispiele nannte er den langsamen Fortschritt bei der E-Mobilität sowie die schwierigen geopolitischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Jetzt sei es wichtig, frühzeitig die richtigen Entscheidungen zu treffen, um auch in Zukunft erfolgreich zu bleiben. Dazu gehörten auch die Personalkosten, fügte er hinzu.
Stellenstreichungen bei VW
Volkswagen plant, bis 2030 mehr als 35.000 Stellen sozialverträglich abzubauen. Etwa 4.000 Arbeitsplätze in der technischen Entwicklung in Wolfsburg sollen wegfallen. Zudem wird die Zahl der jährlich angebotenen Ausbildungsplätze ab 2026 von 1.400 auf 600 verringert, je nach Bedarf. Durch diese Maßnahmen will VW jährlich 1,5 Milliarden Euro bei den Arbeitskosten einsparen.
Die Gewerkschaft IG Metall hatte im Tarifstreit eine neue Beschäftigungsgarantie für die rund 130.000 Mitarbeiter gefordert. VW sicherte nun eine neue Beschäftigungssicherung bis 2030 zu. Die vorherige Garantie, die betriebsbedingte Kündigungen seit mehr als 30 Jahren ausschloss, hatte VW im September aufgehoben. Sollte nach Ablauf der neuen Garantie in sechs Jahren keine neue Regelung getroffen werden, müsste VW eine Milliarde Euro an die Mitarbeiter zahlen, teilte die Gewerkschaft mit.
Autoindustrie in Ostdeutschland besonders betroffen
Die Schwäche der deutschen Auto- und Zulieferindustrie trifft laut der Gewerkschaft besonders den Osten Deutschlands.
Jeder vierte Industriearbeitsplatz in Ostdeutschland hängt von der Autoindustrie ab, während der Anteil in Westdeutschland deutlich geringer ist. Laut einer Studie, die von IG Metall-Bezirken aus mehreren Ost-Bundesländern und regionalen Transformationsnetzwerken in Auftrag gegeben wurde, arbeiten 51.000 Menschen in ostdeutschen Autowerken und 200.000 in der Zulieferindustrie. Insgesamt hängen eine Viertelmillion Arbeitsplätze im Osten direkt oder indirekt von der Automobilbranche ab. (mit dpa)
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