Banken rechnen mit Ingenieuren
Konkurrenz und Kostendruck bestimmen den Alltag in der Bankwirtschaft. Die Folge: In den Chefetagen der Banken breitet sich industrielles Denken aus.
Die neuen Ziele lesen sich so: „Mit weniger Aufwand mehr erreichen“, wie die DZ Bank in ihrem Geschäftsbericht 2002 schreibt, oder „Banken werden künftig die Vorteile der Massenproduktion stärker nutzen“, wie Oskar Betsch, Prof. für Bankbetriebslehre an der TH Darmstadt, der Branche ihre Zukunft aufzeigt.
All das sind Denkweisen, die bislang eher in der Autoindustrie denn in der Bankwirtschaft zu Hause waren. Aber das ändert sich. Denn: Banken können sich dem, was um sie herum längst passiert ist, nicht länger verschließen. Sie müssen ihre Wertschöpfungsketten überprüfen, ihre Prozesse optimieren, Produktionskosten senken – alles Dinge, die etwa die Automobilbranche seit 20 Jahren tut.
Bei der DZ Bank – der Zentralbank der Volks- und Raiffeisenbanken in Frankfurt – wird Ingenieurwissen bereits genutzt, etwa im Vorstand: Dietrich Voigtländer hat an der TH Karlsruhe studiert und ist heute verantwortlich für das Personalressort sowie für Prozess-, Risikomanagement und IT. Von den 3900 Mitarbeitern der DZ Bank AG sind 50 % Akademiker – der Anteil der Ingenieure und Naturwissenschaftler an den Mitarbeitern mit Hochschulabschluss beläuft sich auf 20 %.
Ingenieure arbeiten in der DZ Bank heute z. B. an der Optimierung von Fabrikprozessen, im Risikomanagement oder im Engineering von Finanzprodukten. „Mittelfristig wird der Anteil der Ingenieure und Naturwissenschaftler an der Belegschaft weiter steigen“, sagt Voigtländer: Die Bank brauche Mitarbeiter, die Methodenwissen mit technischem Hintergrund mitbringen.
Die Strukturen zeigen, dass sich die Bankwirtschaft den anderen Industrien annähert. Ein großes Thema ist etwa Outsourcing. Bisher im Haus erledigte Aufgaben werden an spezialisierte Unternehmen ausgelagert – was die Autoindustrie schon lange kann, darin üben sich jetzt auch die Geldhäuser. Beispiel DZ Bank: Hier wurden in den letzten Jahren drei spezialisierte Betriebe gegründet, z. B. die Deutsche Wertpapier Service-Bank. Sie beschäftigt sich nur mit der Abwicklung des Wertpapierhandels und tut das, wie ein richtiger Zulieferer, für mehrere Banken gleichzeitig. „Hier sind die Prozesse optimiert und gebündelt, wir nutzen die Vorteile der Massenproduktion“, beschreibt Voigtländer das Vorgehen: Durch die Auslagerung konnten die Stückkosten deutlich gesenkt werden. Interessant ist die Personalseite: Als Controller etwa beschäftigt die Service-Bank einen Experten, der früher für die Autoindustrie gearbeitet hat.
„Banken müssen lernen, wie sie ihre Geschäfte standardisieren“, beschreibt Wolfgang König, Prof. für Wirtschaftsinformatik an der Universität Frankfurt/Main und Leiter des E-Finance Lab, einen weiteren Punkt auf der Agenda: Bislang werden viele Aufgaben noch wie in einer Manufaktur erledigt – aus jedem Kredit etwa entsteht ein individueller Vorgang. „Zu teuer, zu viel Kommunikations- und Steuerungsaufwand“, kritisiert König diese Praxis. Auch dabei sei Ingenieurwissen gefragt, um die Vorgehensweisen in einen stromlinienförmig gestalteten Prozess einzubetten.
„Hier kommt uns die analytische Denkweise zugute“, preist DZ Bank-Vorstand Voigtländer die Vorzüge dieser Profession, „Ingenieure können eine Kette von Aufgaben in handhabbare Teilprozesse zerlegen und in eine sinnvolle Struktur einbringen“.
Freilich ist die Arbeit in der Bank noch nicht der Berufsweg der Wahl für die meisten Ingenieure: Auf der Hitliste der beliebtesten Arbeitgeber stehen nach wie vor die Klassiker. DaimlerChrysler, BMW und Porsche schneiden bei Befragungen unter Ingenieuren der Fachrichtung Maschinenbau regelmäßig als die beliebtesten Arbeitgeber ab. So wie in der Studie „Access Survey 2002“. Nur vier der befragten 1000 Absolventen bekundeten Interesse für einen Arbeitsplatz in der Bankwirtschaft. „Hier haben wir noch Erklärungsbedarf“, sagt Dietrich Voigtländer: Bis massenhafte Bewerbungen von Ingenieuren bei den Banken zum Alltag gehören, wird es noch einige Zeit dauern. AXEL GLOGER
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