Böse Bier-Bakterien enttarnt
Zwei ehemalige Humangenetikerinnen entwickeln Verfahren zur Früherkennung verdorbener Getränke.
Was wäre ein gemütlicher Grillabend ohne das eine oder andere kühle Bierchen? Vermutlich langweilig. Doch wenn man Pech hat, schmeckt das Bier muffig und stinkt. Schuld daran sind Bakterien, die den Gerstensaft bereits während der Produktion verunreinigen und schimmeln lassen. Die Brauereien bemerken das Missgeschick häufig erst dann, wenn sich Kunden beschweren. Denn die Keime schleichen sich an verschiedenen Braustationen ein und können teilweise frühestens ein bis zwei Wochen nach der Entnahme von Proben entdeckt werden.
Doch jetzt kann die Firma „Gen-ial – Institut für angewandte Laboranalyse“ aus Troisdorf, die auf molekulargenetische Analysen in Lebens- und Futtermitteln spezialisiert ist, Verunreinigungen in Bier an jeder Stelle des Produktionsprozesses schnell und sicher nachweisen. Dazu werden zunächst Proben aus Braukesseln genommen. All die darin enthaltenen Bakterien – also auch die „guten“ – werden isoliert. Ihre DNA wird geknackt. Unter Zugabe von Nukleinsäuren und bestimmten Enzymen setzt nun im ungünstigen Fall eine Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR) ein: Bestimmte Gene im Erbgut bierschädigender Bakterien vermehren sich rasant. Die „Bösewichter“ werden also enttarnt. Mit dem Verfahren kann selbst die verschwindend geringe Zahl von fünf Keimen in einem Liter Bier nachgewiesen werden. „Bereits in den kommenden Wochen wollen wir mit unserem Partner beginnen, das Produkt weltweit zu vermarkten“, sagt Gabriele Mücher, Geschäftsführerin von Gen-ial. Zahlreiche große Brauereien hätten bereits Interesse gezeigt. Auch offiziell wird das Produkt hoch geschätzt. Vergangenes Jahr zeichnete das Land NRW Mücher und ihre Geschäftspartnerin Jutta Schönling mit einem Innovationspreis aus. „Super Werbung“, kommentiert Mücher trocken.
Der“First-Bier Universal-Bakterien-Nachweis“ – so der offizielle Name des Bier-Bakterien-Tests – ist die erste Innovation der Mitte 1998 gegründeten Firma Gen-ial. Bevor sich Mücher und Schönling selbstständig machten, arbeiteten sie als Humangenetikerinnen an der Universität Köln. Mücher beschäftigte sich schon damals mit PCR, allerdings nicht bei Lebensmitteln, sondern im Zusammenhang mit vorgeburtlicher Diagnose. Vor drei Jahren stand die damals 41-jährige Mücher und die 35-jährige Schönling beruflich an einem Scheideweg. „Unsere Verträge liefen bald aus und es war an der Zeit, sich beruflich neu zu orientieren. Da bot sich der Schritt in die Selbstständigkeit an“, so Mücher. Doch in der Humangenetik sahen die Frauen keine Perspektive. „Dieser Markt war bereits abgegrast“, ist sich Mücher sicher.
In den folgenden Monaten ließen sich die beiden Wissenschaftlerinnen bei der IHK beraten, besuchten Existenzgründer-Messen und Marketing-Seminare. Um ihr Geschäftskonzept unter Anleitung zu formulieren, nahmen sie an einem Start-up-Wettbewerb teil. Mücher rutschte sogar in ein Programm des Landes NRW, das Gründern aus Hochschulen für zwei Jahre eine halbe Stelle an der Universität finanziert und zusätzlich „Beratungs-Cheques“ ausstellt. Mit denen leistete sie sich unter anderem Fortbildungen in Telefon-Marketing und Mailing-Aktionen. „Die Landesförderung hat mir sicherlich einige tausend Mark gespart.“
Finanziert haben die Gründer ihre Firma bisher mit einem Kredit der Deutschen Ausgleichsbank und eigenen Ersparnissen. Wagniskapital kam und kommt für sie nicht in Frage. „Wir fürchten den Einfluss, den Dritte auf die Firma nehmen könnten.“ Außerdem sind beiden die astronomischen Summen nicht geheuer, mit denen in der Branche gehandelt wird. So ist Gen-ial auch nach drei Jahren noch ein Winzling. Außer den Gründerinnen arbeitet nur eine weitere Wissenschaftlerin sowie einige studentische Hilfskräfte in der Firma. Mücher findet diese Entwicklung nicht beängstigend. „Wir bleiben lieber klein, aber solide.“ Angst, bald nicht mehr mithalten zu können, hat sie nicht. „Unsere Kunden können sich sicher sein, dass Gen-ial nicht plötzlich vom Markt verschwindet.“
Mittlerweile ist die Analyse von Lebensmitteln mit Hilfe von PCR ein umkämpfter Markt. Gen-ial muss sich auch gegen wesentlich größere Konkurrenten durchsetzen. „Man hat auch schon versucht, uns aufzukaufen. Aber das kommt zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Frage“, sagt Mücher.
Bestehen kann die Firma durch neue Dienstleistungen, wie den Bier-Bakterien-Test. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. „Man kann sich nicht darauf verlassen, dass man sich mit nur einem Produkt lange halten kann, sondern muss immer wieder neu innovieren. Das war uns aber auch von Anfang an klar.“, so Mücher. An der nächsten Idee arbeiten sie und Schönling bereits. Demnächst soll der Bakterien-Test auch bei Cola und Saft funktionieren. SILKE LINNEWEBER/sta
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