Bunker heizt ab März Hamburger Stadtteilen ein
In Hamburg dient künftig ein Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg als Energiespeicher. Gespeist aus einer Mischung von Industrieabwärme, Biogas, Solarthermie und Holz soll er ab Ende März rund 3000 Haushalte beheizen und ihnen Warmwasser liefern.
Es riecht nach frischem Zement. Grauer Staub liegt in der Luft. Eine Betonsäge frisst sich kreischend in die 4 m dicke Decke hinein. „Hier kommt der Schornstein rein“, erklärt Axel Dette von der Projekt-Realisierungsgesellschaft (ReGe), die im Auftrag der Hansestadt Hamburg den Umbau des Flakbunkers zum Energiespeicher betreut. „Spannend, wahrlich kein alltägliches Ding“, sagt Dette auf dem Dach des Bunkers im Stadtteil Wilhelmsburg, der sich martialisch inmitten des früheren Arbeiterviertels erhebt, das heute ein multikulturelles Quartier ist.
Damit der Betonklotz überhaupt zum Wärmespeicher umfunktioniert werden konnte, mussten aus dem Gebäude, das die Alliierten nach dem Krieg im Innern sprengten, rund 25 000 t Bauschutt abgefahren werden. Ein aufwendiges und teures Vorhaben. Doch Hamburg wollte im Zuge der Internationalen Bauausstellung (IBA) und der im Frühjahr startenden Internationalen Gartenschau (igs) mit der Umwidmung des vormals nutzlosen Objektes nationalsozialistischen Größenwahns ein Zeichen setzen: Geht es doch mit der von der IBA proklamierten „neuen Stadt“ im Stadtteil Wilhelmsburg auch darum, zu zeigen, wie innerstädtisches Wachstum klimaneutral und nachhaltig gelingen kann.
So bringt der Hochbunker die erneuerbaren Energien sichtbar in die Stadt hinein. Photovoltaikmodule sind an der Südwand der Betonplombe installiert. Zudem fängt auf dem Bunkerdach eine Vakuumröhren-Kollektoranlage von Ritter XL Solar die Sonnenwärme auf einer Fläche von 1350 m2 ein. Damit ist diese solarthermische Anlage momentan die größte ihrer Art in Deutschland.
Energieversorgung für 3000 Wohnungen
Das Innenleben hat es in sich: Ein 2000 m3 großer Pufferspeicher ist im Bunker installiert worden betrieben wird er vom städtischen Versorgungsunternehmen Hamburg Energie, das damit rund 3000 Wohneinheiten im benachbarten Reiherstieg-Quartier mit Wärme versorgen will. Dabei wird die Anlage aus einer Mischung von Energiequellen gespeist. Die Hauptlast trägt ein mit Holzhackschnitzeln befeuerter Kessel, der eine Leistung von 2000 kW thermisch aufweist und knapp die Hälfte der benötigten Energie aufbringt.
Ein Gaskessel, der in der Grundlast mit Biomethan aus dem von Hamburg Wasser betriebenen Klärwerk Dradenau versorgt wird, steuert weitere 17 % des Wärmebedarfs bei. Schließlich soll in der Spitzenlast, an besonders kalten Wintertagen, Erdgas eingesetzt werden.
Ein ähnlich großer Anteil wie auf Biomethan entfällt auf industrielle Abwärme, die zu „günstigen Konditionen“, so die ReGe, von den benachbarten Norddeutschen Ölwerken über eine extra neu verlegte Wärmeleitung in den Bunker geführt wird. Geplant ist, dass diese Abwärme 18 % der Energie liefert. „So wie in diesem Fall bin ich davon überzeugt, dass noch an vielen anderen Stellen Hamburgs Potenziale bestehen, industriell und gewerblich anfallende Abwärme sinnvoll zu nutzen“, erklärt Joel Schrage, Projektleiter Contracting bei der Hamburg Energie. Zu guter Letzt rundet mit einem Anteil von rund 3 % die Solarthermie auf dem Dach das Wärmekonzept ab.CO2-Einsparungen von über 90 Prozent
Nach Aussage der IBA erreicht man mit dem Vorhaben eine CO2-Einsparung in Höhe von 90 % bis 95 % gegenüber der bisherigen Wärmeversorgung. Obgleich die Umwidmung des 1943 erbauten Flakbunkers nach den Worten von Schrage „ein Unikum“ ist und nicht ohne Weiteres auf andere Orte übertragbar sei, sieht er in der Reaktivierung des Bauwerks als Kraftwerk einen „wichtigen Baustein für die nachhaltige Zukunft“ der Energieversorgung Hamburgs.
Die Gesamtkosten des Projekts belaufen sich auf 26,7 Mio. €, wovon rund 11,7 Mio. € auf die Energiezentrale im Bunker und das umliegende Nahwärmenetz entfallen. Diese werden von der Europäischen Union mit ca. 3,1 Mio. € aus dem Fonds für regionale Entwicklung gefördert.
Doch geht es beim Energiebunker auch um einen Ort der Erinnerung. So laden in Zukunft ein Café und ein Dokumentationsraum Besucher ein, mehr über den historischen Kontext des Gebäudes zu erfahren. „In diesem Zusammenhang war uns die Einbindung der Anwohnerinnen und Anwohner sehr wichtig“, erklärt IBA-Mitarbeiterin Simona Weisleder den Ansatz, über den Energieaspekt hinaus die sozialhistorische Dimension zu vermitteln.
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