Chinas Megastädte gehen CO2-neutral in die Zukunft
In China gibt es bereits heute 175 Städte mit über 1 Mio. Einwohnern. Die Umweltfolgen dieser Urbanisierung – vor allem der hohe Energieverbrauch und damit verbunden der CO2- Ausstoß – entwickeln sich mehr und mehr zu einem negativen Wirtschaftsfaktor. Nun sollen Green-Tech-Lösungen für den Weltmarkt produziert werden.
Verkehrschaos und Smogalarm, wenig Grünfläche und emporschießende Skylines, gewaltiger Ressourcenverbrauch und ein enormes Bevölkerungswachstum – das Problem hat einen Namen: Megastädte. Sie boomen vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenländern und bereiten Megaprobleme für Klima- und Umweltschutz.
Seit 2007 lebt die Hälfte der Menschheit in der Stadt. Dabei ist China auf dem Weg zur Weltspitze der Urbanisierung. Seit Beginn der marktwirtschaftlichen Öffnung Anfang der 1980er-Jahre hat sich beispielsweise der Ballungsraum Schanghai im Zeitraffer zu einer Megametropole mit mehr als 16 Mio. Einwohnern entwickelt und gehört heute zu den zehn größten Städten der Welt.
Nach einer Studie der Beratungsgesellschaft Booz & Company im Auftrag des WWF (World Wide Fund for Nature) hat China seinen CO2-Ausstoß innerhalb der letzten 20 Jahre um 150 % erhöht. In der Region um Schanghai stieg der Stromverbrauch allein von 1990 bis 2002 um den Faktor 2,5, der Verbrauch fossiler Energie im gleichen Zeitraum um den Faktor 1,9. Ursache dafür ist neben dem Gebäudebereich vor allem der motorisierte Verkehr.
Im Rahmen des BMBF-Förderschwerpunktes „Energie- und klimaeffiziente Strukturen in urbanen Wachstumszentren” konnten für Schanghai hohe Entlastungspotenziale in den vier eng miteinander verzahnten Bereichen Stadtstruktur, Mobilität, Gebäude(-technik) und dezentrale Energieproduktion verzeichnet werden, die erst allmählich planerisch und technisch genutzt werden.
Die Lösung für das Verkehrsdilemma liegt danach in der Förderung einer energieeffizienten Mobilität. Dazu gehören die Vermeidung bestimmter Verkehrsströme, klare Prioritären für Fuß- und Radfahrwege und für öffentliche Verkehrssysteme wie Bus und Bahn sowie die energetische Optimierung der Verkehrssysteme und Fahrzeugflotten.
Die Vorbereitung zur Expo 2010 „Better City, Better Life“ in Schanghai, die am 31. Oktober endet, nahm China zum Anlass, seine Zukunftsfähigkeit unter Beweis zu stellen und Konzepte zur nachhaltigen und integrierten Stadtentwicklung vorzustellen. Dazu wurde die Infrastruktur Schanghais stark ausgebaut, sechs neue Stadtbahnlinien und 200 neue Haltestellen entstanden, das Straßenverkehrsnetz wird ständig erweitert, Bau und Sanierung von Hotels boomen.
Unweit der Megametropole entstand auf einer Insel im Yangtse-Delta der „Greenport Shanghai“, ein riesiger Agropark mit einer Fläche von 24 km², der mit Gewächshäusern, Ställen und angeschlossenen Verarbeitungsbetrieben ausgestattet ist. Mit den dort produzierten Öko-Lebensmitteln will sich Schanghai unabhängig von Importen machen. Denn bei den visionären Green-City-Pilotprojekten, die in China gefördert werden, geht es nicht nur um das bessere Leben in einer Öko-Stadt.
„Die Herausforderung liegt darin, den Einwohnern eine Infrastruktur für einen CO2-neutralen Lebensstil zu bieten und gleichzeitig eine Industrie aufzubauen, die wettbewerbsfähige Green-Tech-Lösungen für den Weltmarkt produziert“, erklärte Gregor Harter von Booz & Company den VDI nachrichten.
Dass sich beide Ziele verbinden lassen, beweist die chinesische Stadt Baoding in der Provinz Hebei, 140 km südlich von Peking. Die Vorzeigestadt liegt mit historischen Sehenswürdigkeiten in einer beeindruckenden Landschaft. Dort hat der WWF 2002 zusammen mit der regionalen Regierung eine „Low Carbon City Initiative“ gestartet. Schon 2008 bezogen 30 Gemeinden der Region Warmwasser aus Solaranlagen, Photovoltaikanlagen wurden in traditionelle chinesische Gebäude integriert.
Heute gilt Baoding als „Clean Energy Valley“ und gibt dem Label „Made in China“ ein neues Image: Über 200 hochspezialisierte Unternehmen produzieren hier Solar- und Windenergieanlagen, die den Wettbewerb auf dem Weltmarkt in kurzer Zeit aufgemischt haben. Laut Booz & Company vervierfachten sich die im Valley erwirtschafteten „grünen“ Umsätze allein zwischen 2005 und 2008 von 700 Mio. $ auf 3,5 Mrd. $.
Um den immensen CO2-Ausstoß der Megastädte dauerhaft zu senken, sind aber massive Investitionen in grüne Technologien zur Erschließung und Nutzung regenerativer Energiequellen notwendig, beispielsweise die sogenannten Smart Grids, intelligente Stromnetze, die die Vernetzung dezentraler Erzeuger und Lasten ermöglichen und den Ausbau von erneuerbaren Energien im Netz forcieren können.
Der EEC (Energy Efficiency Controller) etwa, der im Rahmen des BMBF-Projektes für Schanghai vorgeschlagen wurde, ist ein Instrument, das den dynamischen tagesaktuellen Energieverbrauch in den Sparten Mobilität und Gebäude und die Produktion von regenerativer Energie in einem Stadtteil erfassen sowie die damit verbundenen CO2-Emissionen und Kosten darstellen kann.
China will in diesem Technologiefeld an die Weltspitze. Dazu meint Harter von Booz & Company: „Die chinesische Regierung wird alleine in diesem Jahr über 7 Mrd. $ in den Ausbau von Smart-Grid-Modellprojekten investieren. Damit befindet sich China in diesem strategischen Green-Tech-Bereich auf Augenhöhe mit den USA.“
MARIANNE WOLLENWEBER
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