Corporate Venture Capital: Konzerne investieren in Start-ups
Corporate Venture Capital etabliert sich. Mittlerweile investieren hierzulande Dutzende Automobil-, Energie-, Chemie-, Pharma-, Medien- und IT-Konzerne in Start-ups. Experten schätzen die Zahl der Großunternehmen, die sich weltweit in die Gründungsfinanzierung einklinken, gar auf über 500. Danach fließt jeder zehnte Euro Risikokapital aus Konzernschatullen.
Nun auch Evonik. Ende März wurde bekannt, dass sich der Konzern als 13. Industriepartner im Hightech-Gründerfonds II engagiert. Und dabei will es der Chemieriese nicht belassen. Er baut derzeit eine global ausgerichtete Corporate-Venture-Sparte auf, die mittelfristig bis zu 100 Mio. € in vielversprechende Start-ups und spezialisierte Venture Capital-Fonds investieren soll.
„Corporate Venturing ist eine ideale Ergänzung zu den bestehenden Innovationsprozessen und -strukturen unseres Konzerns“, begründet Evonik-Vorstand Patrik Wohlhauser diese Pläne und gibt drei zentrale Ziele aus: Technologiekompetenzen stärken, neue Wachstumsfelder erschließen und die Entwicklung neuer Geschäfte beschleunigen. Investitionsschwerpunkte will der Essener Konzern vorerst in den Bereichen Ressourceneffizienz, Gesundheit und Ernährung setzen. Es sollen aber auch „weitere strategisch relevante Sachgebiete“ geprüft werden, so Chief Innovation Officer Peter Nagler.
Die Aussagen Wohlhausers und Naglers offenbaren, warum immer mehr Konzerne Risikokapital in Start-ups investieren. Schon bei der global ausgerichteten Suche nach Kandidaten bekommen sie Einblicke in Technologie- und Marktentwicklungen. Fallen ihnen dabei vielversprechende Technologieschmieden auf, nehmen sie diese meist in Form von strategischen Minderheitsbeteiligungen (10 % bis 20 %) in Schlepptau – wobei das Geld und der klangvolle Name des Investors den Gründern die Geschäftsentwicklung erleichtert. Im Gegenzug behält der Platzhirsch im Blick, was der Neuling so treibt. Stellt sich Erfolg ein, sind die CVCs auf jeden Fall beteiligt – durch den steigenden Wert ihrer Beteiligung, den Imagegewinn und nicht zuletzt durch die Möglichkeit, ihr Engagement in folgenden Finanzierungsrunden bis hin zu einer Mehrheitsbeteiligung zu erhöhen.
550 Unternehmen weltweit verfolgen Coporate Venture Capital-Strategie
Weltweit 550 Unternehmen verfolgen laut Markus Thill, Managing Director der Robert Bosch Venture Capital (RBVC) GmbH, bereits diese nicht ganz uneigennützige Strategie. Hierzulande sind es Dutzende – wobei der Markt unübersichtlich ist. Viele CVC-Sparten agieren eher aus dem Verborgenen, screenen dabei die Märkte und gehen im Fall der Fälle von sich aus auf die Gründer zu. Und das sehr dosiert. So schaffen es bei RBVC zwar jährlich 1000 Start-ups auf den Radarschirm, doch 90 % davon bleiben dort nur kurz. Die Verbleibenden schauen sich die CVC-Experten genauer an, wobei ihrer Prüfung ebenfalls kaum 10 % standhalten. Nach der anschließenden Due Dilligence bleiben laut Thill weniger als 1 % der zunächst gescreenten 1000 Gründungen übrig.
Branchenschwerpunkte sind kaum auszumachen: CVC ist ein branchenübergreifendes Phänomen. Während Medienkonzerne wie Holtzbrinck, Bertelsmann, Springer oder DuMont vornehmlich auf Internet-Start-ups schielen, haben Chemie- und Pharmakonzerne wie Evonik, Bayer, BASF, Altana, Merck Serono, Novartis, Pfizer, Roche, Johnson & Johnson oder GlaxoSmithKline vor allem Chemie- und Biotech-Gründungen auf dem Radar.
IT-Riesen wie Google, Apple, Microsoft, IBM, Intel, Texas Instruments und SAP halten ebenso wie die Telekom oder die DHL Schatullen bereit, um sich an Start-ups zu beteiligen.
Corporate Venture Capital-Investoren verdienen mit Facebook Milliarden
Für Microsoft hat sich die Strategie gerade erst beim Börsengang von Facebook bezahlt gemacht. Der Softwarekonzern erwarb im Herbst 2007 exakt 1,6 % Anteil an Mark Zuckerbergs Start-up. Kostenpunkt: 270 Mio. $. Inzwischen ist der Wert dieser Beteiligung um satte 615 % auf 1,66 Mrd. $ gestiegen. Die russische Internetfirma Digital Sky Technologies – der größte Corporate Investor bei Facebook, hält gar 5,4 %, die heute 5,6 Mrd. $ wert sind.
Solche finanziellen Erfolge sind für CVCs nicht alltäglich. Teils heften die Konzerne ihre Risikokapital-Sparten bewusst an Töchter an, die riskante neue Geschäftszweige erschließen. So auch der Autokonzern BMW, der die Zukunftsmärkte Elektromobilität und Carsharing in seiner eigens dafür gegründeten Marke BMW i angeht. Quasi als Radarschirm richten die Münchener die ebenfalls neu gegründete BMW i Ventures auf diese hoch dynamischen Märkte aus und fordern Start-ups auf, Geschäftskonzepte einzureichen. Schwerpunkt ist hier das weite Feld ortsbezogener Mobilitätsdienstleistungen. Die CVC-Sparte bietet Gründern langfristige, strategische Partnerschaften an und wirbt damit, dass sie sich damit einen direkten Draht zur BMW Group verschaffen. Für Start-ups sicherlich nicht der schlechteste Start in den Mobilitätsmarkt. PETER TRECHOW
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