Die Batterie-Checker
Die Lion Smart GmbH ist darauf spezialisiert, Lithium-Ionen-Batterien zu messen, zu testen und zu modulieren. Daneben stehen die Gründer Autoherstellern und Zulieferern mit ihrem Know-how zur Seite und bauen Prototypen sowie Managementsysteme für die Batterien. Gerade hat der TÜV Süd ein Joint Venture mit dem Start-up gegründet. Mittelfristig kann sich das junge Team den Einstieg eines strategischen Geldgebers vorstellen.
„Wochenende und Urlaub sind aus unserem Wortschatz gestrichen“, so Daniel Quinger. Der Ingenieur baut gerade mit fünf Partnern die Lion Smart GmbH auf. Obwohl das Münchner Start-up schon auf zwölf Köpfe angewachsen ist, kommt es der Nachfrage kaum nach. Denn Lion Smart ist auf die Technologie spezialisiert, die künftig die Mobilität elektrisieren soll: Lithium-Ionen-Batterien.
Quinger hat als Maschinenbaustudent der TU München drei Jahre im Bereich Elektromobilität bei BMW mitgearbeitet, davon sechs Monate in den USA. Seine Diplomarbeit schrieb er in Japan beim Lithium-Ionen-Pionier Enax, ehe er bei einem Entwicklungsdienstleister in den Bereich Battery-Testing einstieg. Hier reifte der Gedanke, selbst ein auf Tests und Entwicklung von Lithium-Ionen-Batterien spezialisiertes Unternehmen zu gründen.
Passende Mitstreiter hatte der Ingenieur dabei schon im Kopf. Mit Michael Geppert, Tobias Mayer und Andreas Rozankovic kannte er ausgewiesene Batteriespezialisten von der TU München. Und für den betriebswirtschaftlichen Part sprach er seine Freunde Winfried Mundl und Harald Seemann an, die als Asset Manager und Investment Banker bei Großbanken tätig waren. Sie alle waren von der Idee, im Zukunftsmarkt E-Mobility zu gründen, angetan. Mitte 2008 begannen die konkreten Vorbereitung. Kurz danach stürzten Auto- und Finanzsektor ab. „Wir haben uns gesagt: Jetzt erst recht. Die Autoindustrie muss etwas verändern – und die Richtung wird E-Mobility sein“, so Quinger.
Doch auf Kapitalsuche gingen sie gar nicht erst. Aus Ersparnissen legten sie 100 000 € zusammen, bestellten Geräte und richteten Anfang 2009 ihr Batterie-Labor ein. Seither haben sie ihre Kapitalbasis auf über 300 000 € aufgestockt. Private Geldgeber aus dem Bekanntenkreis halfen dabei, doch das Team hält weiterhin 80 % der Anteile. „Um Venture Capital oder Bankkredite haben wir uns bislang nicht bemüht“, so Mundl. Einerseits ging es ohne. Andererseits wissen sie die Unabhängigkeit beim Ausrichten ihres Unternehmens zu schätzen.
Lion Smart ruht auf drei Säulen. Für Kunden aus Industrie und Forschung messen die Gründer Zellen und Module oder unterstützen Entwickler beim Auslegen von Batteriesystemen. Zusätzlich bauen und vertreiben sie Batterieprototypen und entwickeln mit Förderung des Bundeswirtschaftsministeriums ein Batteriemanagementsystem, das Ende 2011 serienreif sein soll. Zielgruppe: Forschungsinstitute und Hochschulen. Solche Systeme für Forschung und Entwicklung sind ebenso gefragt, wie Schulung und Beratung zur Lithium-Ionen-Technologie, die Lion Smart als drittes Standbein aufbaut.
Schwerpunkt sind aber Batterietests und -simulation. Autohersteller und Zulieferer müssen in Zukunft sicherstellen, dass Batterien ihrer Elektrofahrzeuge Frost und Hitze ohne Leistungseinbuße überstehen, ein Autoleben lang verschiedensten Fahrern standhalten und bei Fehlanwendungen oder Unfällen weder explodieren noch Rettungskräfte mit Starkstrom gefährden. Und das ist erst der zweite Schritt. Denn um elektrische Antriebe auszulegen, brauchen die Entwickler exakte Daten und Funktionsmodelle der jeweils verwendeten Batterien. Hintergrund: „Lithium-Ionen-Batterie“ ist ein Sammelbegriff, hinter dem sich unterschiedliche Zell-Chemikalien, Anoden-, Kathoden- und Seperator-Materialien verbergen. „Lion Smart hatte von Lithium-Mangan über Lithium-Eisen-Phosphat, Lithium-Kobaldoxid bis hin zu diversen Nickel-Mangan-Kobalt-Zusammenstellungen schon vieles im Labor“, sagt Quinger.
Um sich in der Vielfalt von Aufbauten, chemischen Zusammensetzungen und Schichtdicken der Zellen zurechtzufinden, ist neben Expertise gute Vernetzung wichtig. Denn genaue Daten dazu sind schwer zugänglich. Für Quinger & Co. reicht oft der Griff zum Telefonhörer. Sie kooperieren mit Herstellern in aller Welt. Beim Entwickeln von thermischen und elektrischen Simulationsmodellen oder Auslegen von Steuerungs- und Kühlsystemen ist das ein großer Vorteil. Denn je mehr über die Eingangsparameter bekannt ist, desto schneller nähern sich Modelle der Realität an. Der Abgleich findet im eigenen, mit individuell angefertigten Messgeräten und Klimakammern statt. Hier prüfen die Spezialisten, wie sich Ladezustände, Ladeprozesse und Temperaturschwankungen auf die Zyklenfestigkeit, Lebensdauer und Leistungsfähigkeit der Zellen auswirken.
Künftig werden die Gründer zusammen mit dem TÜV Süd auch Sicherheitstests anbieten. Im Rahmen eines Joint Venture soll in Garching bei München ein neues Batterielabor für mehrere Mio. € entstehen. „Ab Mitte 2011 werden wir dort Fehlanwendungen wie Zerbrechen, Durchstechen, Kurzschließen oder Überladen testen“, so Quinger. Weil dabei explosive, giftige Gase frei werden können, sind Schutzräume und Entlüftungen vorgesehen. Zudem wird das Labor mit Hightech-Sensorik ausgestattet, um die Tests exakt zu dokumentieren.
Lion Smart wird sich auch finanziell einbringen. „Aus unseren Kundenprojekten haben wir einen ordentlichen Cash-Flow“, so Seemann. Allerdings wird das Start-up spätestens beim Schritt ins Ausland Kapital brauchen. Ob von Banken oder Investoren, ist noch offen. Mundl und Seemann feilen noch an der Strategie. „Für Gespräche mit Investoren sind wir aber immer offen, wobei uns Markt-Know-how und langfristiges Interesse an Lion Smart wichtig sind“, so Mundl. Das klingt wählerisch. Doch die Jungunternehmer können es sich leisten. Ihr Know-how ist gefragt – und rar. „Der Markt für Batterieexperten ist von Industrie und Forschung leergefegt. Fürs Testing bleiben da nicht allzu viele übrig“, berichtet Quinger.
Ein Beitrag von: