Die Hockeyschläger-Rendite mit Übernahmen
Ein Übernahmeangebot macht ein Unternehmen an der Börse von einem auf den anderen Tag wertvoller. Im Börsen-Chart sieht das aus wie ein Hockeyschläger. Aber wie findet man diese Aktien mit den Traumrenditen? Und was ist dann zu tun?
Es dürfte wenig überraschen. Im Vorfeld eines Übernahmeangebotes wird es der Jäger tunlichst vermeiden, die Öffentlichkeit zu informieren. Erst mit einer Pflichtmitteilung erfahren Anleger, welche Aktie sie gestern hätten kaufen sollen. Manchmal erfährt sogar der Vorstand des zu übernehmenden Unternehmens erst zu diesem Zeitpunkt, dass der eigene Job gefährdet sein könnte.
Das hängt auch von der Art des Angebotes ab, also ob es freundlich oder feindlich ist. Insgesamt gibt es eine Vielzahl von Ausprägungen. Soll es ein „Merger-of-Equals“ sein, also eine „Hochzeit im Himmel“, wie damals Jürgen Schrempp die Fusion von Daimler und Chrysler beschrieben hat? Im Regelfall werden hier Aktien des alten Unternehmens gegen Aktien des zusammengeschlossenen Unternehmens getauscht, manchmal gibt es, wie bei Linde und Praxair vorher noch Sonderdividenden an die alten Aktionäre.
Für Aktionäre ist dies meist nur mit Kursaufschlägen verbunden, wenn einerseits die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass die Wettbewerbsbehörden eine Zustimmung nicht verweigern und andererseits die berühmt-berüchtigten Synergieeffekte auftreten. Synergieeffekte können zum Beispiel durch das Sparen einer zweiten Unternehmenszentrale auftreten oder wenn – wie bei Bayer und Monsanto propagiert –, plötzlich Düngemittel und Saatgut für einen höheren Ernteertrag besser abgestimmt werden können.
Übernahmen zwischen Marktmacht und Staatsräson
Die Zustimmung der Wettbewerbsbehörden wird dabei zunehmend zu einem Risiko für Fusionen und Übernahmen. Oft wird die Marktmacht in bestimmten Segmenten einfach zu groß, so dass ein funktionierender Wettbewerb nicht mehr gewährleistet ist. So wurde beispielsweise die Fusion von Siemens Zugsparte und Alstom abgeblockt, da dann nur noch ein chinesischer Anbieter neben der finanziell klammen Bombardier bei Ausschreibungen für den Zug-Nahverkehr teilgenommen hätte. Oft sind es jedoch zunehmend nationale strategische Überlegungen.
Die Öl-Scheich-Länder und die Chinesen etwa sollen in den USA möglichst die Schuldverschreibungen des Staates halten und keine Sachwerte wie Unternehmen kaufen. Genauso ist es für Ausländer nahezu unmöglich wichtige chinesische Unternehmen zu erwerben.
Wetten auf die gelungene Fusion
Das zeigt:
Alleine mit einem Übernahmeangebot ist es noch nicht getan. Bei einer Fusion unter Gleichen lassen sich hin und wieder Arbitragegeschäfte versuchen. Linde-Aktien hatten zum Beispiel von der Fusion viel mehr zu gewinnen, waren deshalb günstiger als Praxair-Aktien. Wer von einem Gelingen der Übernahme überzeugt war, konnte also Linde-Aktien kaufen und Praxair leer verkaufen, so dass das Marktrisiko weitgehend ausgeschaltet wurde.
Oft ist das Gelingen aber so unsicher, dass nach einer Ankündigung noch Luft für 10 % bis 15 % Rendite ist, wenn die Übernahme tatsächlich gelingt. Besser sind dabei immer Angebote mit echtem Geld, denn wenn ein Unternehmen mit eigenen Aktien bezahlen will, sinkt die Werthaltigkeit. Bei einem Scheitern gehen damit auch potenzielle Synergieeffekte verloren, sodass die Kurse dann auch gerne zweistellig nachgeben. Hier ist also viel Recherchearbeit gefragt.
Hockeyschläger-Rendite bei Übernahme
Wenn Sie im Artikel bis hierhergekommen sind: Gratulation, Ihre Chancen steigen, dass Sie bei Übernahmen schönes Geld verdienen können. Leider gibt es noch eine Hürde: Sollen Sie ein Übernahmeangebot annehmen oder nicht. Klar sagen Sie. Sie lassen oft damit Geld auf der Straße, sage ich.
Beispiel innogy SE, einer Abspaltung von RWE, die nun wieder zwischen E.on und RWE aufgeteilt werden soll. Für Aktionäre, die das Angebot angenommen haben, gab es eine schöne Hockeyschläger-Rendite. Für die Aktionäre aber, die sich nicht aus innogy herausdrängen lassen wollten, hat das deutsche Recht meist noch einen schönen Extraaufschlag im Rahmen eines Spruchverfahrens vorgesehen. Davon leben diverse Hedgefonds.
Allerdings kann dies auch nach hinten losgehen: Bei Osram will der österreichische Sensorikkonzern Ams aktuell mindestens 55 % der Aktien übertragen bekommen. Falls nicht, erhält Ams von den Banken gar nicht die Darlehen, um die Finanzierung zu stemmen. Und die Übernahme würde scheitern. Aktionäre befinden sich also im Dilemma. Helfe ich mit die Übernahme zu ermöglichen, in dem ich meine Aktien andiene oder halte ich mich zurück und erhöhe damit das Risiko, dass die Annahmehürde nicht erreicht wird. Es geht also darum, ob ich lieber der Spatz in der Hand habe oder die Taube auf dem Dach.
Aber wie finden Sie eigentlich schon im Vorfeld mögliche Übernahmekandidaten?
Übernahmekandidaten identifizieren
Unternehmensgröße: Unternehmen sollten nicht zu groß sein. Bei einer Größe von bis zu 10 Milliarden Unternehmenswert gibt es noch genug Interessenten.
Technologie: Ganz wichtig: Das Unternehmen muss über eine begehrenswerte Technologie verfügen. Ist dies nicht der Fall, helfen auch keine noch so günstigen Kurse, wie man an Air Berlin und Thomas Cook sehen konnte.
Markttrend: Hilfreich auch: Gab es in der jüngeren Historie bereits Übernahmen in diesem Sektor? Meist gibt es aus verschiedenen Gründen regelrechte Fusionswellen. Aktuell finden sich zum Beispiel keine Bankübernahmen, dafür kommt Schwung in den Industrie- und Automobilsektor und im Pharmasektor bleibt das Übernahmetempo hoch.
Währung: Der Dollar ist derzeit im historischen Vergleich hoch, der Euro und das britische Pfund günstiger bewertet. Vielleicht interessiert sich deshalb der US-Riese ThermoFisherScience für die deutsche Qiagen. Und die Holding Prosus kommt an den britischen Essenslieferdienst Just Eat mit harten Devisen ein wenig günstiger.
Aktionärsstruktur I: Kaum vorstellbar, dass die Familie Sixt, wo gleich 3 Familienvertreter den Vorstand stellen, das eigene Unternehmen zum Verkauf anbietet. Aber ohne die 60 % der Familie ist keine Mehrheit möglich. Wenn es gar keinen großen Aktionär gibt, wie bei Infineon, ist auch nicht groß geholfen. Das Übernahmeangebot müsste dabei mit einem großen Marketingaufwand publik gemacht werden, um die Vielzahl an Aktionären zu überzeugen.
Aktionärsstruktur II: Oft hat sich bereits ein Investor mit dem Ziel einer Übernahme an das Übernahmeziel herangeschlichen und eine substanzielle Beteiligung aufgebaut. Bei deutschen Aktien finden sich solche Konstellationen zum Beispiel aktuell bei Aurubis, Klöckner, Pfeiffer Vacuum und Kion, um nur einige wenige zu nennen.
Und dennoch sollten sich Anleger nicht verleiten lassen, eine Aktie nur aufgrund des Übernahmepotenzials zu kaufen. Auch wenn das Börsengeflüster noch so laut ist. Seit 2011 wurde bei SGL Carbon eine Übernahme durch Susanne Klatten oder sogar BMW kolportiert. Passiert ist nichts – oder doch: Operative Probleme führten zu einem Kursverlust von 90 %. Da könnte auch ein Übernahmeaufschlag nichts mehr retten.
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