Die Lohnquote ist rapide gesunken
Der Anteil der Löhne am Volkseinkommen ist seit dem Jahr 2000 deutlich gefallen. Arbeitgebernahe Ökonomen halten die Lohnquote für nicht aussagekräftig, gewerkschaftsnahe Ökonomen halten an ihr fest. Sie gebe Auskunft über die Entwicklung der Masseneinkommen.
Lange Zeit hat sich die Bruttolohnquote in Deutschland kaum verändert. Doch seit zehn Jahren sinkt sie. Im Jahr 2000 lag sie nach Angaben des Statistischen Bundesamtes noch bei 72,2 %, im vergangenen Jahr erreichte sie nur noch 66,3 %.
Die Lohnquote bezeichnet den Teil des Volkseinkommens, der als Lohn den abhängig Beschäftigten zufließt. Einkommen aus unternehmerischer Tätigkeit und aus Vermögen (Zinsen, Dividenden, Mieten, Pachten) werden in der Gewinnquote erfasst. Beide Einkommensarten zusammen machen das Volkseinkommen aus. Wäre die Lohnquote 2010 auf dem gleichen Niveau geblieben wie 2000, hätten die Arbeitnehmer rund 113 Mrd. € mehr in der Tasche gehabt.
Ein Segment des Niedriglohnsektors hat dabei besonders zugelegt: Minijobs. Mehr als 7,3 Mio. geringfügig entlohnte Arbeitnehmer gab es Ende September 2010 in Deutschland, meldet die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Das sind 1,6 Mio. mehr als zum Zeitpunkt der Lockerung der geringfügigen Beschäftigung im Jahr 2003. Minijobs werden mit höchstens 400 € im Monat vergütet, für Arbeitnehmer sind sie steuer- und abgabenfrei.
Lohn- und Gewinnquote gelten als Maßstab für die Einkommensverteilung zwischen Kapital und Arbeit. Ihre Aussagekraft wird allerdings angezweifelt, vor allem von Arbeitgeberseite.
Nach Ansicht des Ökonomen Michael Grömling vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln ist die Lohnquote lediglich „ein statistischer Artefakt“, der die „wachsende Querverteilung“ außer Acht lässt. Abhängig Beschäftigte bezögen nicht nur einen Lohn, sie hätten auch Kapitaleinkünfte, z. B. aus Zinsen oder Mieten. Aus der Lohnquote lasse sich deshalb nicht auf die Einkommenssituation der Arbeitnehmer schließen.
Umgekehrt könnten die Kapitaleinkommen nach Auffassung des IW-Forschers nicht mit den Gewinnen der Unternehmen gleichgesetzt werden, weil die Gewinnquote auch die Vermögenseinkommen der Arbeitnehmer enthalte.
Zudem sei die Ermittlung der Gewinnquote im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung so ungenau, dass sie seit Langem zu hoch ausfalle, bemängelt Grömling.
Der Ökonom Claus Schäfer vom gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) in Düsseldorf, kommt zu dem umgekehrten Schluss. Nach seiner Analyse wird die Gewinnquote kleiner ausgewiesen, die Lohnquote dagegen größer als sie tatsächlich ist.
Doch könne die Lohn- und Gewinnquote auch nach Ansicht von Schäfer die tatsächliche Verteilung des Volkseinkommens nur unzureichend abbilden. So sage die Lohnquote nichts über die Zahl der Lohnempfänger, über die Höhe der Löhne oder die Art der Beschäftigung. Zu den Lohnempfängern werden nicht nur Facharbeiter gerechnet, sondern auch Spitzenmanager zu den Beziehern eines Gewinneinkommens zählen nicht nur Zahnärzte, sondern auch unfreiwillig Selbstständige mit einem Einkommen, das kaum zum Leben reicht.
Schäfer teilt aber nicht die Position von IW-Forscher Grömling, der davon spricht, dass die privaten Haushalte in Deutschland einen wachsenden Teil ihres Einkommens aus Unternehmens- und Vermögenseinkommen beziehen würden. Diese Einkommensarten konzentrierten sich, wie Untersuchungen zur personellen Einkommensverteilung zeigten, im oberen Teil der deutschen Gesellschaft, sagt Schäfer.
Auch wenn die Lohnquote wenig aussage über die Verteilung der Einkommen auf die einzelnen Haushalte, hält Schäfer an ihr fest. Sie gebe Auskunft über die “ konjunkturellen Aspekte der Masseneinkommen“: Sinkende Lohnquoten würden das Wachstum belasten, steigende das Wachstum beschleunigen. Die starke Exportorientierung und die schwache Binnennachfrage würden sich in der sinkenden Lohnquote der vergangene zehn Jahre niederschlagen.
Schäfer arbeitet jedoch nicht mit den Brutto-, sondern mit den Nettoquoten, also nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben. Dieses Geld, so der Ökonom, stehe für den Konsum tatsächlich zur Verfügung. Und hier zeigt sich der gleiche sinkende Trend wie bei der Bruttolohnquote. HAS
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