Honorarordnung für Architekten und Ingenieure 14.02.2019, 11:33 Uhr

Droht das Aus für die Höchst- und Mindestsätze der HOAI?

Höchst- und Mindestsätze für Ingenieure und Architekten auf dem Prüfstand: Warum der 28. Februar ein wichtiger Tag für die HOAI ist.

Foto: panthermedia.net/alfexe

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Wegen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) läuft aktuell ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen die BRD. Hauptstreitpunkt sind die verbindlichen Höchst- und Mindestsätze. Thomas Senff, der die Praxisgruppe Baurecht der Kanzlei GvW Graf von Westphalen leitet, erklärt die Hintergründe des Verfahrens und welche Konsequenzen ein Kippen der HOAI hätte.

ingenieur.de: Herr Dr. Senff, worum geht es bei dem Konflikt um die HOAI eigentlich?

Thomas Senff: In Deutschland gilt seit 1977 die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure, kurz HOAI. In dem Gesetz werden verbindliche Honorarsätze festgelegt, die Architekten und Ingenieure nur in wenigen Ausnahmefällen unter- oder überschreiten dürfen.

Der Gesetzgeber möchte damit verhindern, dass Architekten und Ingenieure in einen ruinösen Preiswettbewerb getrieben werden. Denn das würde letzten Endes dazu führen, dass die Qualität der Leistung wahrscheinlich erheblich leidet. So hat die HOAI aus meiner Sicht auch verbraucherschützenden Charakter.

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Die Europäische Kommission vertritt demgegenüber jedoch die Ansicht, dass die Honorarordnung mit der europäischen Dienstleitungsrichtlinie EU kollidiert. Die Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt vom 12. Dezember 2006, so der vollständige Titel, besagt, dass jeder EU-Bürger innerhalb der EU frei seine Dienstleistungen anbieten kann. Aus diesem Grund hat die Europäische Kommission 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren des Unionsvertrages und am 23. Juni 2017 ein Klageverfahren beim EuGH gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet. Das Aktenzeichen ist C-377/7. Die letzte Anhörung war am 7. November 2018.

Inwiefern wird die Niederlassungsfreiheit durch die HOAI tangiert?

Die Europäische Kommission argumentiert unter anderem mit dem Preisgefälle innerhalb der EU. Sie vertritt die Ansicht, dass ausländische Anbieter wegen der HOAI in Deutschland nicht den Vorteil ihrer günstigeren Kostenstruktur nutzen können. Dienstleistungsfreiheit bedeutet für die Europäische Kommission in erster Linie, dass jeder Marktteilnehmer unbeschränkt seine Dienste anbieten kann, ohne sich in ein Preiskorsett zwingen lassen zu müssen. Jede Art der Beschränkung wäre unter diesem Gesichtspunkt als Verstoß zu werten.

Aus deutscher Sicht ist eine solche Argumentation natürlich schwer nachvollziehbar. Die Bundesregierung, also das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, hat dargelegt, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Mindestsätzen und der Qualität der Leistung der Architekten und Ingenieure besteht. Die EU-Kommission vermag diesen Zusammenhang jedoch nicht zu erkennen. Hier stößt das EU-Recht auf bewährte deutsche Praxis.

Wie geht es nun weiter?

Voraussichtlich am 28. Februar wird der Generalanwalt des EuGH sein Plädoyer schriftlich vorlegen. In vielen Fällen übernimmt der EuGH die Argumente des Generalanwalts in seinem Urteil, das er in der Regel drei bis vier Monate nach der schriftlichen Stellungnahme verkündet. Es ist also davon auszugehen, dass der Fall im Mai, beziehungsweise im Juni 2019 entschieden wird. Wenn die Bundesrepublik gewinnt, bleibt die HOAI gültig. Ansonsten würde eine Feststellung des EuGH erfolgen, dass die HOAI gegen Unionsrecht verstößt. Die Bundesregierung hätte dann die Aufgabe, die Honorarverordnung zu reformieren.

Welche konkreten Auswirkungen hätte es, wenn die HOAI in Deutschland kippt?

Verträge, die vor dem Urteil geschlossen wurden, wären wahrscheinlich nicht betroffen. Es könnte jedoch etwas anderes für die Fälle gelten, die aktuell noch verhandelt werden. Dazu gehören insbesondere die Fälle, in welchen die Gerichte die laufenden Verfahren (bei denen es um Streitigkeiten zwischen freiberuflichen Ingenieuren und Auftraggebern geht, Anm. d. Red.) zunächst mit Blick auf das EuGH-Verfahren ausgesetzt haben. Dies dürften jedoch nur Ausnahmefälle sein, da sich die deutschen Gerichte – jedenfalls was meine Praxis angeht – regelmäßig gegen eine Aussetzung des Verfahrens aussprechen. Hier spielt oft das Argument eine Rolle, dass die Entscheidung des EuGH ohnehin nur in die Zukunft gerichtet sein wird. Lediglich wenn ein deutsches Gericht der Ansicht ist, dass zunächst die Europäischen Vorfragen geklärt werden müssen, wird es zu dem Schluss gelangen, das Verfahren auszusetzen. Dies scheint aber – wie gesagt – noch die Ausnahme zu sein.

Bei Neuverträgen würden – nach einer Reform der HOAI – die verbindlichen Höchst- und Mindestsätze wohl nicht mehr gelten. Gerade in angespannten Märkten wird es immer Dienstleister geben, die das neue Preisgefüge nutzen und ihre Leistungen unterhalb der ehemaligen Honorarsätze anbieten. Die große Gefahr besteht darin, dass sich dieser Preiswettbewerb irgendwann auf die Qualität auswirkt, sobald bestimmte Schwellen unterschritten werden.

Es wird sich dann also faktisch zeigen, ob die Ansicht der Bundesregierung richtig ist, dass Mindest- bzw. Höchstsätze im Ergebnis die Qualität der Architekten- und Ingenieurleistung sichern und somit nicht zuletzt dem Verbraucher zugutekommen. Aber wie die Sache vor dem EuGH nun letztendlich ausgeht, ist nur schwer vorherzusehen. Man darf das Urteil gespannt abwarten.

Ein Beitrag von:

  • Sabine Philipp

    Sabine Philipp arbeitet seit 2004 als freie Journalistin. Ihre Schwerpunkte liegen in den Bereichen Technik, Industrie und Wirtschaft.  In ihren Artikel befasst sie sich gerne mit der praktischen Umsetzung von innovativen Technologien und Gesetzesvorgaben.

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