Elektrogeräte sollen länger halten: Doch es gibt ein Problem
Neue EU-Verordnungen sollen Hersteller von Elektrogeräten in die Pflicht nehmen. Doch die Gesetzgeber haben einen wichtigen Aspekt nicht im Blick, sagt Umweltrechtexperte Maximilian Wormit im Interview.
Eigentlich sollen sie dem Umweltschutz und den Verbrauchern dienen: die neuen EU-Verordnungen im Rahmen der sogenannten Ökodesign-Richtlinie Durch sie sollen Hersteller verpflichtet werden, bestimmte Elektrogeräte langlebiger zu bauen.
Doch die EU muss nachbessern, damit dieses Ziel erreicht werden kann, sagt Maximilian Wormit von der TU Bergakademie Freiberg. Im Interview erklärt der Experte für Umweltrecht, woran es hapert. Vor allem eine Sache hat die EU aus seiner Sicht völlig außer Acht gelassen.
ingenieur.de. Seit dem 1. März gelten die neuen EU-Verordnungen zur Festlegung von Ökodesign-Anforderungen an bestimmte Elektrogeräte. Sie sind nur bedingt damit zufrieden. Was passt aus Ihrer Sicht nicht?
Maximilian Wormit: Die Durchführungsverordnungen sind zunächst einmal sehr kleinteilig angelegt. Man hat Mühe, die für das jeweilige Gerät passenden Vorschriften zu finden. Die Vorschriften nehmen im Amtsblatt der EU über 100 Seiten ein und listen die nunmehr für die Produkte geltenden Ökodesign-Anforderungen jeweils im Einzelnen auf. Das ist schon mal eine erste Hürde.
Elektrogeräte: Problem liegt bei der Kontrolle
Das Hauptproblem liegt aber in der Frage, ob sich die Hersteller tatsächlich daran halten. Es gibt keine zentrale Institution auf EU-Ebene, welche die Einhaltung der Vorschriften überwacht. Das ist den Mitgliedsstaaten überlassen. In Deutschland liegt diese Aufgabe voraussichtlich bei den Landesbehörden, die mit der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung als sog. Beauftragte Stelle zusammenarbeiten. Die Behörden prüfen nur stichprobenartig und können bei Verstößen gegebenenfalls ein Bußgeld von maximal 50.000 Euro verhängen. Für große Konzerne sind das Peanuts.
Reicht es nicht, den Elektrogeräte-Herstellern zu vertrauen?
Die Erfahrung zeigt: offenbar nicht. Nehmen wir als Beispiel die Energielabel-Verordnung, die Hersteller dazu verpflichtet, den Energieverbrauch von Geräten mittels dieser Ampel-Aufkleber anzuzeigen. Die Europäische Kommission hat vor einiger Zeit selbst eingeräumt, dass bis zu 25 % der auf dem Markt vertriebenen Produkte die Energiekennzeichnungsanforderungen nicht erfüllen. Wenn es selbst bei der einfach gelagerten Pflicht, den Energieverbrauch zu kennzeichnen, an einer effektiven Überwachung hapert, wie soll das dann erst bei den komplexen Konstruktions-, Vorhalte- und Lieferpflichten der neuen Verordnungen funktionieren? Zumal schon die stichprobenartige Überprüfung zu einer komplizierten Angelegenheit werden kann. Denn die Durchführungsverordnungen sind stellenweise recht allgemein formuliert. Es heißt darin sehr pauschal, die Reparierbarkeit soll gewährleistet werden. Zum Beispiel sollen bestimmte „Bauteile mit allgemein verfügbaren Werkzeugen entfernt werden können“. Was in diesem Sinne unter einem allgemein verfügbaren Werkzeug zu verstehen ist, bleibt in den Verordnungen allerdings unklar, weshalb etwa in dieser Hinsicht mit behördlichen Beurteilungsschwierigkeiten zu rechnen ist.
Gibt es eigentlich wirklich so etwas wie ein „eingebautes Verfallsdatum“? Oder ist das ein Mythos?
Studien haben in wenigen Fällen nachgewiesen, dass es tatsächliche derartige Strategien der Hersteller gibt. Man spricht auch von künstlicher Alterung oder geplanter Obsoleszenz. Diese Strategie stehen aus rechtlicher Sicht auch in einem engen Zusammenhang mit der gesetzlichen Gewährleistungsfrist für Kaufsachen, die in der EU in der Regel mindestens zwei Jahre beträgt.
„Eingebautes Verfallsdatum“ ist kein Mythos
Wenn der Hersteller sein Gerät so baut, dass es nur mindestens zwei Jahre hält und es vielleicht nach drei Jahren zu der Obsoleszenz kommt, dann ist das ein großes Problem. Ich sehe hier den europäischen Gesetzgeber in der Pflicht, jedenfalls für bestimmte Produktgruppen spezifische Gewährleistungsfristen einzuführen, die sich auch im Interesse des Ressourcenschutzes und der Nachhaltigkeit an der jeweils unter technischen Gesichtspunkten realisierbaren Lebensdauer einer Gerätekategorie orientieren.
Es gibt ein Leben nach dem Smartphone-Tod
Ersatzteile sollen künftig sieben bis zehn Jahre bereitgehalten werden. Wie bewerten Sie das?
Im Prinzip ein guter Ansatz. Aber die Lagerung verursacht natürlich Kosten, die zweifellos auf den Verbraucher umgelegt werden. Sprich: Vor allem die Verbraucher werden stärker belastet.
Passen die neuen Verordnungen eigentlich zur Realität unserer Wegwerfgesellschaft?
Als Verbraucher sind wir sicherlich oft zu bequem geworden, eine Reparatur eines Geräts, das wir erworben haben, zu akzeptieren. Ich habe es zum Beispiel bei Amazon noch nie erlebt, dass mir eine Reparaturoption angeboten wurde. In der Regel wird bei defekten Geräten einfach neu geliefert. Mit den Verordnungen werden den Herstellern verbindliche Verpflichtungen zum Ökodesign ihrer Produkte auferlegt. Hiermit soll durch einen gewissen Zwang dafür gesorgt werden, dass Ressourcen effizienter genutzt werden. Aber es muss auch gleichzeitig das Bewusstsein in der Bevölkerung gestärkt werden, dass die Ressourcen endlich sind und die Bereitschaft zur Reparaturen dazu beitragen kann, möglichst lange von unseren Ressourcen zu zehren.
Praxistest bestanden: Wie unser Gehirn Geräte steuern kann
Wenn man vor allem an Elektrogeräte wie Smartphones oder Laptops denkt: Viele Geräte sind schon nach wenigen Jahren nicht mehr nutzbar, weil sie mit der neuen Software nicht kompatibel sind. Müsste man nicht die Hersteller mehr in die Pflicht nehmen, eine Nachrüstbarkeit der Geräte zu garantieren?
Da gebe ich Ihnen völlig recht. Das Massenkonsumgut Smartphone taucht in den Verordnungen nicht einmal auf. Lediglich Ökodesign-Anforderungen an Displays mit einer Bildschirmfläche ab 100 Quadratzentimeter, wie sie typischerweise in Fernsehgeräten oder Monitoren verbaut sind, werden festgelegt. Die EU tut sich ohnehin schwer, in Bezug auf Smartphones ressourcenschützende Regelungen zu erlassen; man denke etwa an den bis heute nicht durchsetzbaren einheitlichen Ladegerät-Standard für Smartphones. Gleiches gilt sicherlich in punkto softwarebezogene Nachrüstbarkeit. Allerdings will die EU-Kommission dem Vernehmen nach hier in den kommenden Monaten gegensteuern und erstmals spezifische Ökodesign-Anforderungen für Smartphones und Tablets festlegen.
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