Erbbaurecht kann Grundstücksfinanzierung erleichtern
Grundstücke in Ballungszentren sind knapp und teuer. Das Bauen wird in solchen Regionen immer schwieriger. Eine Lösung ist eine sehr alte Form der Grundstücksfinanzierung: das Erbbaurecht. Traditionell bieten Kommunen und Kirchen Erbbaugrundstücke an. Seit einiger Zeit steigen vermehrt Versicherungen in den Markt ein.
Das Interesse an langfristiger aber sicheren Geldanlage wächst – nicht nur bei Privatleuten sondern auch bei Versicherungen, Pensionskassen und berufsständischen Versorgungswerken. Spätestens seit der Umschuldung Griechenlands ist klar, dass selbst Staatsanleihen vermeintlich solventer Euro-Länder ausfallen können. Institutionelle Anleger versuchen deshalb, ihr Portfolio zu erweitern.
Im derzeitigen Kapitalmarkt-Umfeld mit niedrigen Zinsen und gleichzeitigen Inflationsbefürchtungen seien Investitionen in Erbbaugrundstücke für Versicherungen inzwischen ein überlegenswertes Angebot, weiß Harald Stützer, Honorarprofessor und Lehrbeauftragter für Immobilienmanagement an der TU München.
Stützer kennt als ehemaliger Leiter der Immobilienanlage einer großen deutschen Versicherungsgruppe die Investment-Strategien der Assekuranz: „Seit 2009 stehen Core-Immobilien, also sichere Anlagen an hervorragenden Standorten, ganz oben auf der Wunschliste der Versicherungen.“
Die deutlich wachsende Nachfrage hat professionelle Erbbaurechtsmanager auf den Plan gerufen, die spezielle Produkte für institutionelle Anbieter entwickeln. Einer von ihnen ist Michael Schroeder, der mit der Vivavon AG, Papiere aufgelegt hat, die mit Erbbaugrundstücken besichert sind. Das Kölner Unternehmen hat ihre erste verbriefte Anleihe „German Ground Lease Finance I“ im März 2006 emittiert, zwei weitere folgten.
„Wir investieren in Erbbaugrundstücke und bündeln die Zahlungsströme daraus. Dabei refinanzieren wir uns über verbriefte Anleihen, die wir emittieren. Mit diesen Papieren hält der Investor eine mit Erbbaugrundstücken besicherte Anleihe, ohne Unternehmensrisiko“, erklärt Schroeder.
Seit einem Jahr gibt es auch einen Fonds. Die Arvbo Erbbau AG in Hamburg hat nämlich im vorigen Sommer einen Immobilienspezialfonds aufgelegt, den Erbbauzins Deutschland Core. „Unser Fonds wird Grundstücke im Wert von bis zu 100 Mio. € umfassen“, erläutert Erbbau-AG-Vorstand André Küster Simic.
Erbbaurecht führte lange einen Nischendasein
In Deutschland ist das Erbbaurecht seit 1919 im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert, führte aber lange Zeit ein Nischendasein. Kirchen und Kommunen, die historisch bedingt über großen Grundbesitz verfügen und in langen Zeiträumen planen, treten traditionell als Erbbaurechtgeber auf. Vor allem in den 50er und 60er-Jahren boten sie ihre Grundstücke Bauträgern und privaten Bauherren an, um den Wohnungsbau in der Region zu fördern.
Das Erbbaurecht ermöglicht die juristische Trennung des Eigentums an Grundstück und Gebäude (siehe auch Kasten). Der Erbbaurechtsgeber stellt dem Erbbaurechtsnehmer seinen Boden zur Verfügung, damit dieser sein Gebäude darauf errichten kann.
Für das Erbbaurecht erhält er einen Zinssatz zwischen 3 % und 5 % des Bodenwertes. Der Grundstückseigentümer erzielt auf diese Weise solide, dauerhafte Einnahmen, ohne die Eigentumsrechte am Grundstück abzugeben. Der Bauherr erhält im Gegenzug zusätzlichen Spielraum bei der Finanzierung.
Erbbaurecht profitiert von steigenden Grundstückspreisen
Trotz der derzeit niedrigen Hypothekenzinsen hat das Erbbaurecht an Attraktivität gewonnen, weil vor allem in begehrten Lagen die Grundstückspreise immens gestiegen sind – und weiter steigen. Durch das Erbbaurecht sinkt der Kaufpreis für Häuser und Wohnungen in attraktiven Städten wie Hamburg oder München um 30 % bis 40 % und bleibt dadurch bezahlbar.
Allerdings ist der Erbbauzins an den Verbraucherpreisindex gekoppelt. Er wird regelmäßig – je nach Vereinbarung alle drei oder fünf Jahre – an die Preisentwicklung angepasst.
Für den Eigentümer des Grundstücks ist das vorteilhaft, weil das Inflationsrisiko ausgeschaltetet wird. Für den Erbrechtsnehmer kann die Regelung jedoch zum Ärgernis werden.
„Das ist ein Knackpunkt über den sich jeder im klaren sein sollte, der sich auf einen Erbpacht-Vertrag einlässt: Während man die Zinsen für die Finanzierung des Hausbaus für zehn oder zwanzig Jahre festschreiben kann, nehmen die Ausgaben für das Grundstück kontinuierlich zu“, sagt Petra Uertz, Bundesgeschäftsführerin des Verbands Wohneigentum in Bonn.
Erbbau lohne sich für Bauherren daher nur, wenn die Zinsen für Baugeld hoch oder die Grundstücke teuer sind – und man auf diesem Weg eine Finanzierungslücke schließen könne. „Man sollte sich aber bewusst sein, dass man sich mit einem Erbpacht-Vertrag in ein Dauerschuldverhältnis begibt – und das dauert bis zu 99 Jahre“, so Uertz.
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