Frankreich macht's richtig 15.03.2013, 13:59 Uhr

Flassbeck: In Deutschland müssen die Löhne zehn Jahre lang stark steigen

Deutschland diktiere anderen EU-Staaten eine eiserne Kürzungspolitik und entziehe sich so seine eigene Wachstumsgrundlage. Davon ist der Ökonom Heiner Flassbeck überzeugt. Frankreich habe sich an die wichtigste Regel einer Währungsunion gehalten: An das Inflationsziel von rund 2 %. Deutschland habe mit seiner Lohnpolitik diese Marke deutlich unterschritten und damit die Krise verschärft. Und fordert steigende Löhne in Deutschland.

Heiner Flassbeck, früherer Chefökonom der Welthandelsorganisation UNCTAD, hält in Deutschland anhaltende Lohnsteigerungen für notwendig.

Heiner Flassbeck, früherer Chefökonom der Welthandelsorganisation UNCTAD, hält in Deutschland anhaltende Lohnsteigerungen für notwendig.

Foto: Böll-Stiftung

Die Löhne in Deutschland müssten zehn Jahre lang stark steigen, um Deutschlands große Produktivitätsvorteile gegenüber den südlichen Euro-Ländern und Frankreich abzubauen. Sollte Deutschland seine Nachbarn wirtschaftlich weiter schwächen, werde darunter künftig auch der deutsche Export leiden. Diese Thesen vertritt der Ökonom Heiner Flassbeck, bis Ende Dezember 2012 Direktor der UN-Organisation für Welthandel und Entwicklung (Unctad), in einem  Interview mit den VDI nachrichten.
„Um es klar zu sagen, die Probleme unseres Nachbarn sind in erster Linie auf die Lohnzurückhaltung Deutschlands zurückzuführen“, urteilt Flassbeck. „Die Produktivität bei unseren Nachbarn ist nicht schlechter. … Der Vorsprung Deutschlands war eindeutig die Folge der Lohnzurückhaltung, nicht höherer Produktivität.“ Deshalb ist Flassbeck enttäuscht, dass sich Frankreichs neuer Präsident Francois Hollande nicht stärker gegen die deutsche Sparpolitik gewehrt habe. „Hollande hat sich über den Tisch ziehen lassen und redet jetzt von Lohnzurückhaltung und Steuersenkung. Das ist ganz klar ein Zugeständnis an die deutsche Dominanz.“
Der deutsche Kurs, den Krisenländern Lohnkürzungen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und gleichzeitig Schuldenabbau zuzumuten, sei auch aus deutscher Sicht falsch. „Diese Länder haben einen Exportanteil von nur 25 % – mit der Senkung der Löhne brechen aber die 75 % Binnennachfrage zusammen. Diese Länder gehen dann in die Knie“, so Flassbeck. „Die 25 % Exportanteil können die 75 % Binnennachfrage nicht retten“, wie man an Griechenland und Portugal sehe. Diese Länder fielen als Nachfrager für deutsche Produkte aus.
Das passiere auch mit Frankreich, wenn sich Hollande nicht stärker gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel durchsetze. Gefordert seien jetzt Lohnerhöhungen in Deutschland. „In Deutschland müssen die Löhne in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren viel stärker steigen, wenn Europa nicht in eine deflationäre Falle laufen soll“, so Flassbeck. „Aber jetzt gehen wir den dümmsten Weg, den es gibt. An den Zuständen in Frankreich wird das nichts ändern. Die Franzosen haben die Auseinandersetzung gescheut. Da fehlte die letzte Konsequenz. Als Resultat wird die Rezession sich verschärfen. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Leute auf die Straße gehen.“

Hier liesen Sie das Interview im Wortlaut:VDI nachrichten: Herr Flassbeck, spart Europa sich zu Tode?

Flassbeck: Es ist nicht falsch zu sagen, Europa spart sich zu Tode. Die lange Rezession ist nicht gottgegeben, sondern Folge der Politik – und zwar einer vollkommen falschen Politik. Wir verordnen Ländern, die Schwierigkeiten haben – wie beispielsweise den südeuropäischen Ländern – eine zweifache Rosskur. Wir sagen, sie müssen fiskalisch alles tun, um das Defizit niedrig zu halten und sie müssen ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Doch es ist unglaublich schwer, das durchzuhalten, weil wir aus einer schweren Rezession kommen und gerade wieder in eine Rezession gehen.

Was ist falsch an der Idee, zu sparen und die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern?

Deutschland verordnet die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Das heißt konkret, es verlangt eine Lohnsenkung, um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Aber diese Länder haben einen Exportanteil von nur 25 % – mit der Senkung der Löhne brechen aber die 75 % Binnennachfrage zusammen. Diese Länder gehen dann in die Knie. Das können wir zurzeit in Griechenland und Portugal bewundern. Klar ist: Die 25 % Exportanteil können die 75 % Binnennachfrage nicht retten. Was dann droht, ist die politische Unvorhersehbarkeit. Die Menschen wissen vor Verzweiflung nicht mehr, was sie wählen sollen. Da droht ein Abrutschen ins Extreme. In Italien sehen wir das schon. In Frankreich wird es noch kommen.

Stellenangebote im Bereich Prozessmanagement

Prozessmanagement Jobs
Truma Gerätetechnik GmbH & Co. KG-Firmenlogo
Product Compliance Officer (m/w/d) Truma Gerätetechnik GmbH & Co. KG
Putzbrunn Zum Job 
IMS Messsysteme GmbH-Firmenlogo
Elektrotechnikingenieur/-techniker (m/w/i) für die Prüfung von Messsystemen IMS Messsysteme GmbH
Heiligenhaus Zum Job 
Propan Rheingas GmbH & Co. KG-Firmenlogo
Senior Energieberater (m/w/d) Propan Rheingas GmbH & Co. KG
Synthos Schkopau GmbH-Firmenlogo
Process Engineer (m/w/d) Synthos Schkopau GmbH
Schkopau Zum Job 
STOPA Anlagenbau GmbH-Firmenlogo
Ingenieur / Techniker (m/w/d) Elektrotechnik / Automatisierungstechnik für Inbetriebnahme Außendienst (Elektrotechniker, Maschinenbauingenieur o. ä.) STOPA Anlagenbau GmbH
Achern-Gamshurst Zum Job 
Die Autobahn GmbH des Bundes-Firmenlogo
Bauingenieur (w/m/d) konstruktiver Ingenieurbau Die Autobahn GmbH des Bundes
Die Autobahn GmbH des Bundes-Firmenlogo
Teamleitung Verkehrssicherheit (m/w/d) Die Autobahn GmbH des Bundes
Hannover Zum Job 
Die Autobahn GmbH des Bundes-Firmenlogo
Vermessungstechniker (w/m/d) Die Autobahn GmbH des Bundes
Bayreuth Zum Job 
Die Autobahn GmbH des Bundes-Firmenlogo
Ingenieur Immissionsschutz (m/w/d) Die Autobahn GmbH des Bundes
Hohen Neuendorf Zum Job 
Regierungspräsidium Freiburg-Firmenlogo
Bachelor / Diplom (FH) Landespflege, Landschaftsplanung oder vergleichbar (planungsorientierte Ausrichtung) Regierungspräsidium Freiburg
Bad Säckingen, Donaueschingen, Singen Zum Job 
HENN GmbH-Firmenlogo
Ingenieur*in | Technische Ausrüstung Elektrotechnik / HLSK HENN GmbH
München Zum Job 
Justus-Liebig-Universität Gießen-Firmenlogo
Ingenieur/in oder staatl. gepr. Techniker/in Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik oder Meister/in im Installateur- und Heizungsbauerhandwerk (m/w/d) Justus-Liebig-Universität Gießen
Gießen Zum Job 
VAG Verkehrs-Aktiengesellschaft Nürnberg-Firmenlogo
Verkehrsplaner (m/w/d) VAG Verkehrs-Aktiengesellschaft Nürnberg
Nürnberg Zum Job 
Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers-Firmenlogo
Ingenieur*in (B.A. oder Dipl.-Ing. (FH); m/w/d) Fachrichtung Architektur / Bauingenieurwesen Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers
Hannover Zum Job 
Kreis Coesfeld-Firmenlogo
Technische Prüferin bzw. technischer Prüfer (m/w/d) für die Abt. 14 - Rechnungsprüfung Kreis Coesfeld
Coesfeld Zum Job 
Landeshauptstadt München-Firmenlogo
Leitung der Arbeitsgruppe Siedlungsgebiete und öffentliche Erschließung (w/m/d) Landeshauptstadt München
München Zum Job 
Die Autobahn GmbH des Bundes-Firmenlogo
Fachexperte/in Erhaltungsmanagement (w/m/d) Die Autobahn GmbH des Bundes
Stuttgart Zum Job 
Die Autobahn GmbH des Bundes-Firmenlogo
Abfallexperte Bau/Stoffstrommanager (m/w/d) Die Autobahn GmbH des Bundes
Stuttgart Zum Job 
Die Autobahn GmbH des Bundes-Firmenlogo
Ingenieur/in als Fachexperte/in (m/w/d) für die Vergabe von freiberuflichen Leistungen in der Zentralen Vergabestelle Die Autobahn GmbH des Bundes
Stuttgart Zum Job 
TÜV Hessen-Firmenlogo
Sachverständiger Elektrotechnik (m/w/d) TÜV Hessen
Frankfurt am Main Zum Job 

Frankreich, bislang Deutschlands wichtigster Partner beim Aufbau Europas, steht ebenfalls am Pranger wegen mangelnder Wettbewerbsfähigkeit.

Frankreich weist gegenüber Deutschland eine große Lücke in der Wettbewerbsfähigkeit auf. Diese Diagnose ist richtig. Aber es ist falsch zu folgern, dass in Frankreich deswegen die Löhne sinken sollten. Richtig ist, dass Deutschland die Löhne erhöhen muss. Denn die jetzt von der Politik in Brüssel und Berlin diktierten Rezepte haben schon in eine Rezession geführt.

Was müsste in Frankreich verbessert werden?

Frankreich hat von Beginn an fast alles richtig gemacht. Die wichtigste Regel war und ist nämlich in einer Währungsunion, sich an das gemeinsam vereinbarte Ziel für die Inflationsrate zu halten. Die sollte stets bei rund 2 % liegen. Das bedeutet, dass man sich mit seinen Lohnstückkosten (also Löhne in Relation zur Produktivität) – die die Inflationsrate nun einmal in erster Linie bestimmen – möglichst gut an das Ziel anpasst. Ich weiß nicht, wie Frankreich das hinbekommen hat, es hat aber geklappt. Deutschland ist weit unter dieser Norm geblieben, Südeuropa blieb darüber. Deutschland hat seine Löhne kaum erhöht. Deshalb ist Frankreich in Schwierigkeiten.

Die Probleme Frankreichs sind durch Deutschland mitverursacht worden?

Um es klar zu sagen, die Probleme unseres Nachbarn sind in erster Linie auf die Lohnzurückhaltung Deutschlands zurückzuführen. Die Produktivität bei unseren Nachbarn ist nicht schlechter. Die wichtige Regel für eine Währungsunion ist, dass sich jeder an die eigene Produktivität anzupassen hat, nicht an die Produktivität der anderen Länder – auch nicht an die Produktivität Deutschlands. Der Vorsprung Deutschlands war eindeutig die Folge der Lohnzurückhaltung, nicht höherer Produktivität.

Frankreich hat allerdings auch Probleme; vor allem mit der Jugendarbeitslosigkeit.

Dieses Problem gibt es schon lange. Das ist sicher ein strukturelles Problem. Es verschlimmert sich aber mit der Rezession. Das ist jetzt die zweite Rezession in vier Jahren. Da können sie solche Probleme nicht mehr lösen. Und die Arbeitslosigkeit der Jugendlichen steigt weiter.

Hat Premier Francois Hollande die Chance, eine andere Politik zu machen als Sarkozy?

Er hätte sie vielleicht gehabt, wenn er das gemacht hätte, was er im Wahlkampf gesagt hat. Hollande hat sich aber über den Tisch ziehen lassen und redet jetzt von Lohnzurückhaltung und Steuersenkung. Das ist ganz klar ein Zugeständnis an die deutsche Dominanz.

Jean-Luc Mélenchon, ein französischer Oppositioneller der Linken, behauptet, die Deutschen drehen sich selbst den Hahn ab, weil sie als Exportnation zahlungskräftige Länder brauchen.

Der hat was von mir gelernt! Natürlich hat er recht. Wir machen Standortwettbewerb gegen unsere Kunden. Die Kunden der deutschen Exporteure – Spanien, Portugal, Italien und auch eines Tages Frankreich – sind bei diesem Sparkurs irgendwann nicht mehr in der Lage, deutsche Produkte zu kaufen.

Was ist also zu tun?

Erstens: Man muss den Austeritätskurs sofort beenden. Schon das Wort Schuldenkrise ist falsch. 2008 gab es eine Schuldenkrise der Banken. Diese ist dann später zur Schuldenkrise der Staaten umbenannt worden, weil man vom Versagen des Finanzsektors ablenken wollte. Man muss die Finanzbranche viel stärker regulieren. Brüssel hat sich nicht gegen die Lobbyisten durchgesetzt. Zweitens muss die Rezeptur für die Eurozone geändert werden. Wir müssen weg von Sparkurs und Lohnsenkungen.

Wie soll das gehen?

Dazu müsste die Politik in Frankreich sich einen Konflikt mit Deutschland zutrauen und dafür Partner in anderen Ländern suchen. Schon heute sind Spanien, Griechenland und Portugal viel weiter bei Lohnanpassungen – unter großen Opfern. Das können die Franzosen gar nicht so schnell aufholen. Die Schwierigkeiten in Italien und Frankreich nehmen zu, nicht ab. Ich bin enttäuscht von Hollande und seiner Regierung, dass sie so wenig versucht haben, diese Diskussion anzufangen.

Die Diskussion dreht sich immer um Lohnstückkosten.

In Deutschland redet Frau Merkel neuerdings davon, ja. Das muss man nur umdrehen und fragen, warum das Inflationsziel von 2 % in Deutschland nicht erreicht wurde und warum man jetzt deflationäre Politik machen sollte, das ist nämlich das, was Frau Merkel vorschlägt. In Deutschland müssen die Löhne in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren viel stärker steigen, wenn Europa nicht in eine deflationäre Falle laufen soll. Aber jetzt gehen wir den dümmsten Weg, den es gibt. An den Zuständen in Frankreich wird das nichts ändern. Die Franzosen haben die Auseinandersetzung gescheut. Da fehlte die letzte Konsequenz. Als Resultat wird die Rezession sich verschärfen. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Leute auf die Straße gehen.

Ein Beitrag von:

  • Cordelia Chaton

    Cordelia Chaton hat einen Master in Business Administration und war Redakteurin für Wirtschaft und Politik u.a. beim Handelsblatt und der Wirtschaftswoche. Sie schreibt vor allem über Management- und Karrierethemen.

Zu unseren Newslettern anmelden

Das Wichtigste immer im Blick: Mit unseren beiden Newslettern verpassen Sie keine News mehr aus der schönen neuen Technikwelt und erhalten Karrieretipps rund um Jobsuche & Bewerbung. Sie begeistert ein Thema mehr als das andere? Dann wählen Sie einfach Ihren kostenfreien Favoriten.